Nancy Spiller und Alexander Pluqett vom Kabarett »Herkuleskeule« unterhielten am 16. November das Publikum.
Von Gutmenschen und Helikoptereltern
Stockach. Als Abordnung der Dresdner Kabarett-Institution »Herkuleskeule« besuchten Nancy Spiller und Alexander Pluquett am 16. November das Bürgerhaus Adler-Post in Stockach - im Gepäck die scharfzüngigen Texte von Philipp Schaller. So stellte sich der Abend auch eine Ansammlung von Einzelszenen mit unterschiedlichsten Charakteren dar, die - geeint durch eine lose Rahmenhandlung - gesellschaftliche Mißstände oder mediale Auswüchse auf die Schippe nahmen. Dabei ging es im Programm auf eine »Reise zu den bezaubernsten Orten dieser Welt«, die die beiden heraufbeschworen und die gar nicht so zauberhaft zu sein schienen (obwohl sie von Thomas Wand überaus dezent mit den Klängen zum Film »Die fabelhafte Welt der Amélie« untermalt wurden). Zu dem Trip gehörten daher auch eine bitterböse Attacke auf das Gutmenschentum, während der Spiller und Pluquett klagen: »Wie oft hab ich schon versucht, mit diesem Biofraß aufzuhören« sowie ein gesanglich unterfütterter Tiefschlag gegen die Hirnlosigkeit volkstümlicher Musik.
Wie schnell die allgemein vorgegaukelte Fröhlichkeit der schieren Verzweiflung weichen kann, demonstrierten die Wortkünstler in Liedern wie »Gelingendes Leben«, in dem es heißt »All die zerbrochenen Träume kann es hier nicht geben, denn dies hier ist ein schönes Lied.« Doch völlig überraschend bogen die beiden Kabarettisten auch hin und wieder in den Bereich gut abgehangener Blödelei ab, wenn sich mitten in der Konversation zweier verängstigter Lehrer, die den Einfluß angsteinflößender Helikoptereltern fürchten (laut Pluquetts Charakter »schwerparanoide Behütungskampfgeschwader«), ein geradezu berüchtigter Louis de Funès-Dialog (zumindest) aus der deutschen Fassung seiner 70er-Jahre-Komödien schlich.
Richtig böse wurden die beiden Vertreter des Dresdner Spitzenkabaretts dann erst gegen Ende, als sie bei ihrer Reise einen »Zwischenstopp« am »Strand« einlegten und am Horizont Massen von Flüchtlingen und ausgebeuteten Kindern aus Entwicklungsländern, die für deutsche Billigmärkte Kleidung fertigen müssen, erblickten. Doch bevor sich die Vertreter der Industrienation Deutschland mit dem Problem befassen mussten, waren die Flüchtlinge schon untergegangen. »Es wird Zeit, dass das Mittelmeer den Friedensnobelpreis bekommt«, merkte Nancy Spiller trocken an. »Weil es die meisten Flüchtlinge aufnimmt und so den Frieden in Europa sichert.«
Das Programm »Betreutes Denken« vereinte im Bürgerhaus Adler-Post in Stockach zahlreiche kurze Gedankensplitter, wobei Spiller und Pluquett mit ihrem Programm vielfach für Gelächter sorgten. Während der »Weltreise« im stilisierten Segelboot auf der Bühne ging jedoch auch so mancher Pointe die Luft aus. Insgesamt ein vergnüglicher Abend für Kabarettfreunde, mit ein wenig mehr Biß wäre die Meßlatte jedoch noch höher gesetzt worden.
- Marius Lechler
Autor:Redaktion aus Singen |
Kommentare