Nur einen Eimer Wein von den Gerichtsnarren
Sehr mildes Urteil für Julia Klöckner vor dem Narrengericht

- Narrenrichter Jürgen Koterzyna mit dem Krönchen für die Beklagte und zukünftige närrische Weinkönigin zu Stocken, Julia Klöckner, nach der Verkündung des sehr milden Urteils.
- Foto: Melvin Beck
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Stockach. Nicht nur die Beklagte Julia Klöckner, sondern auch der neue Fürsprech und Kläger sorgten am Schmotzige Dunschdig, 27. Februar, für eine wahrlich denkwürdige Verhandlung vor dem Stockacher Narrengericht. Dabei war die Strafe für die ehemalige Weinkönigin am Ende nicht nur aufgrund ihrer Vergangenheit erstaunlich milde.
"Feministische Machtgeilheit und scheinheilige Hochstapelei", "Körperverletzung und Tierquälerei" und Traumtänzerei und politische Parodontitis". Dies waren die drei Anklagepunkte, der sich die Beklagte in der ausverkauften Jahnhalle stellen musste. Am Ende lautete das Urteil schuldig im ersten Anklagepunkt, die Strafe mit einem Eimer Wein mehr günstig als grob. Zur Resozialisierung wurde Klöckner zur Närrischen Weinkönigin zu Stocken ernannt, um in dieser Funktion beim nächsten Schweizer Feiertag eine Schicht am Weinstand des Narrengerichts zu übernehmen - Krönchen inklusive.
"Weiblicher Machiavelli aus der Pfalz"
Wie es jedoch zu diesem Urteil kam, konnte sich selbst der Narrenrichter kaum verrückter ausgedacht haben. Und auch der neue Kläger Michael Nadig legte gleich mit dem ersten Klagepunkt los wie die Feuerwehr. "Lasst euch nicht täuschen von dieser Maskerade!" Klöckner sei für ihn eine "kampfeslustige Politamazone", gar der "weibliche Machiavelli aus der Pfalz" sowie eine Politrakete, die ohne Frauenquote doch gar nicht in den Bundestag gekommen wäre.
In seinem zweiten Klagepunkt offenbarte er als Beweismittel für die Tierquälerei allen im Saal eine Kastrationszange für Schweine, mit der ihm zufolge 20 Millionen unschuldige männliche Schweinebabys ohne Betäubung kastriert wurden. "Man müsse sich nur mal vorstellen, sie komme mit dieser Zange irgendwann in eine Verhandlung des Narrengerichts und schreit 'Männer sind Schweine' durch den Saal." Beim Glyphosat sei Klöckner schlicht selbst Schuld, schließlich müsse man doch als Winzertochter wissen, dass es ohne Bienen keine Trauben und ohne Trauben keinen Wein gäbe.
Auch im dritten Klagepunkt zeigte der angriffslustige Kläger keine Gnade. Klöckner produzierte für ihn "viel rhetorischen Schaumwein", wobei es doch genau jetzt Rückgrat statt Riesling und Domina statt Dornfelder brauche. "Gestartet als Tiger, geendet als Bettvorleger" lautete Nadigs Resümee in diesem Akt.
Ordnungsstrafe für den Fürsprech
Wie der Kläger auch gab Fürsprech Christoph Stetter eine fulminante Premiere in seinem Amt. "Sie selbst können sich die Laufbahn von ihr als Vorbild nehmen und vielleicht für eine Klägerin Michaela sorgen", konterte er gegenüber Nadig. Die reine Männerwirtschaft sei laut Stetter vorbei und "wer nicht mit der Zeit geht, wird mit der Zeit gehen". Das Tragen von drei Zipfeln im Kollegium der Gerichtsnarren sei für ihn das Vorhandensein von einem. Für diese Unrühmlichkeiten erhielt der Fürsprech glatt eine Ordnungsstrafe von einem viertel Eimer Wein. Ein historischer Moment für das Stockacher Narrengericht.
Auch im zweiten Klagepunkt schoss Stetter scharf gegen den Kläger, zeigte er sich sehr verwundert, als Julia Klöckner als Beweis für Nadigs Vorwurf, sie habe keine Ahnung von Tuten und Blasen, auf ihrer Querflöte mit der Hans-Kuony-Kapelle den Schneewalzer spielte und der Kläger sogar mit der Beklagten hierzu tanzte. Zudem betitelte er den Kläger selbst aufgrund des Glyphosat-Vorwurfs als "Giftsprüher" und lobte seine Mandantin dafür, hier auf Freiwilligkeit statt Vorgaben zu setzen. Im dritten Klagepunkt teilte Stetter nochmal ordentlich gegen Nadig aus, empfohl ihm, sich aufgrund seiner Bewusstseinsstörungen in Behandlung zu begeben.
Revolution in der Jahnhalle
Für die Gerichtsnarren, so Klöckner zu Beginn, sei doch nur ihre Herkunft aus dem Weinland Nahe der einzige Grund für ihre Vorladung gewesen. "Einen Weinkeller", schoss die Beklagte gegen das Kollegium, "füllt man mit ordentlicher Arbeit und nicht wie Sie mit unsinnigen Strafzöllen." Was dann folgte, hat wohl auch das Narrengericht so noch nie gesehen. Lautstark und an die Weiberfasnacht in der Pfalz erinnernd, fragte Julia Klöckner alle weiblichen Mitglieder der Stockacher Gliederungen über die Gerichtsnarren: "Habt ihr die da überhaupt gewählt?". Ehe sich dann alle Frauen von Ihren Plätzen erhoben, um der "Revolution" der Beklagten zu folgen und kurz vor der Urteilsverkündung unüberhörbar für Freispruch zu plädieren. Beim Narrengericht selbst herrsche für sie ein eklatanter Reformstau. Die "mittelalterlichen" Gerichtsnarren definieren sich für sie über deren überdimensionalen Weinkonsum und ihr Alter, verglich sie mit einem Urzeitmuseum. "Männer", so die Beklagte, "arbeiten viel härter als Frauen, jedoch weil die es schon beim ersten Mal richtig machen." Generell hatte man bei den Ausführungen der Beklagten mehrfach das Gefühl, die Gerichtsnarren würden am besten gleich im Boden versinken wollen. Sie habe sich auch deshalb für Phosphatschutzmittel eingesetzt, da "Obst vom Bodensee besser als aus Übersee" sei. Zudem könne die Stockacher Bevölkerung laut Klöckner froh sein, dass der Seehas unter Artenschutz gestellt wurde. Aus Liebe zur Narretei spendete die Beklagte freiwillig einen Eimer Grauburgunder - "passend zur Haarfarbe des Narrengerichts". Ob sie sich hiermit um einen Freispruch brachte, bleibt wohl ein Rätsel. Eines jedoch war sicher: Das Publikum hatte sie voll und ganz auf ihrer Seite an diesem Abend.
Beklagte als Verbündete
"Wir würden doch nicht zu Frauen Weibern sagen", sagte der Narrenrichter im Anschluss. "Dafür lieben wir euch von Herzen." Die von der Beklagten geplante Revolution sei für ihn nichts als "billiger Populismus". Für Julia Klöckner kam es ihm zufolge beim Strafmaß zugute, dass er als liebender Ehemann es gewohnt sei, manchmal auch wegzuhören. Und auch, weil die politischen Ansichten des Klägers zum Glyphosat nichts halfen, so verlor die BASF-Aktie unter Klöckners Nachfolger Cem Özdemir noch mehr als unter der Führung der Beklagten. "Es gibt nichts Schöneres als Tanzen", bekundete der Narrenrichter zudem die Tanzeinlage mit dem Kläger. "Da ist selbst Pinocchio ein John Travolta im Vergleich zu Karl Lauterbach."
Und dennoch werde es in nächster Zeit erstmal keine Gerichtsnärrin geben, würde dies doch der Bestrebung des Narrengerichts als immaterielles Kulturerbe widersprechen. Jedoch mahnte Koterzyna vor dem Laufnarrenschlag für Landesernährungsminister Peter Hauk den Kläger Nadig generell: "Eine Beklagte mit Zugang zu einem Weingut müssen wir als Verbündete betrachten, nicht als Gegner." An den CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Jung gab es zudem die Bitte, die Beklagte dem künftigen Kanzler Friedrich Merz als neue Bundesministerin für Weinbauwesen vorzuschlagen. Darüber hinaus werde das Narrengericht den Strafwein zudem persönlich in der Nahe bei der "Jeanne d'Arc der Frauenunion" abholen. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?
Autor:Philipp Findling aus Singen |
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