Ein Politiker mit ganz schön viel "nebenher"
Narrengericht zieht mit Wolfgang Kubicki den "letzten Dandy" vor den Kadi
Stockach. Nein - Boris Palmer ist natürlich nicht der diesjährige Beklagte des Stockacher Narrengerichts, denn der verbrüderte sich mit seinen scharfen Spitzen gegen die große Politik am Freitag Abend ja regelrecht mit den Stockacher Politrichtern die mit der Bekanntgabe im Rahmen ihres munteren Spätschoppens eine ganz andere polilische Karte zogen, die doch ganz schön viele überraschte: der diesjährige Beklagte vor den grobgünstigen Gerichtsnarren ist der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, der zwar aus dem gar närrischen Braunschweig stammt, aber für die Stockacher Narrenobersten doch einer der letzten noch praktizierenden Dandys und ein echter Macho sei.
Die Auswahl des diesjährigen Beklagten fiel dem Stockacher Narrengericht nicht schwer, machten Fürsprech Micheal Nadig und Narrenrichter Jürgen Koterzyna in ihrer Erklärung deutlich. "Es ist quasi ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk zum 80. an Alice Schwarzer. Wir klagen in diesem Jahr einen der letzten noch praktizierenden Dandys an, einen echten Macho und Frauenversteher. Mancher würden auch sagen, ein „Miss“- Versteher! Er kommt beim weiblichen Geschlecht meist gut an. Denn in der Regel gilt: Nicht hinter jedem Kompliment verbirgt sich ein Me-Too-Skandal – auch wenn Wolfgang Kubicki, so wie Rainer Brüderle, der FDP angehört", so Koterzyna und Nadig in ihrer Gerichtsladung.
Wolfgang Kubicki vertrete wie kein zweiter das Recht auf freie Meinungsäußerung und das gilt dabei nicht nur für seine eigene. Er sei eigentlich ein Vorbild an Aufgeschlossenheit gegenüber Vertretern anderer politischer Meinungen und ein Freund unangepasster, gar grenzwertiger Rhetorik.
Mit Wolfgang Kubicki, der im Folgenden nur „der Beklagte“ genannt, wird ein vermutlich gerade deshalb allseits beliebter, tatsächlich jedoch hochumstrittener Politiker vorgeladen, der ganz schön was auf dem Kasten hat und sich allefänzig vom „aalglatten Politiker-Klischee“ abhebt. Der Kläger werde da wohl sagen: “Einer der ganz schön `was auf dem Kerbholz hat.“
Wolfgang Kubicki, Jahrgang 1952, gehört zu den alten „Schlachtrössern“ in Landes- und Bundespolitik, wo er stets mit wehenden Fahnen in die politische Schlacht zog. Ein Liberaler, der der keinem Konflikt aus dem Wege geht – egal mit wem; dass er dabei manchmal über die Stränge schlägt und zurückrudern muss – egal.
Liberale Politiker waren immer gern gesehene Beklagte vor dem Stockacher Narrengericht, garantierten sie doch einen hohen Unterhaltungswert und ein ebenso hohes Strafmaß: Rösler, Westerwelle oder Genscher. Und Wolfgang Kubicki sei ein Liberaler, wie er im Buche steht.
Geboren und aufgewachsen in Braunschweig in kleinbürgerlichen Verhältnissen, machte er Abitur und studierte Volkswirtschaft. Nach erfolgreichem Studienabschluss – was heutzutage für Berufspolitiker leider nicht mehr zur Pflichtübung gehört – arbeitete er zunächst für eine Unternehmensberatung, dann in einer Steuerkanzlei. Seitdem ist er erfolgreich regelmäßig als Strafverteidiger in illustren Wirtschaftsprozessen tätig. Dass er in den 1980ern auch noch eine Kneipe führte, dürfe nicht unerwähnt bleiben – alles nebenher!
Und das zeichne diesen „Typen“ mit Ecken und Kanten aus: Ein Macher, eigensinnig und irgendwie sympathisch – nicht auf den Mund gefallen, der vieles nebenher mache. Vermutet wird denn auch, dass die einstige Wahklampf-Idee der FDP, dass man eine Steuererklärung auf einem Bierdeckel machen können müsse, vielleicht auch mal so nebenher in dieser Kneipe entstanden sein könnte.
Sein politischer Lebenslauf spricht Bände: Seit 1971 in der FDP, 1992/93 im Bundestag und dann startete eine lange Landtagskarriere. 2013 wurde er stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP – alles nebenher! Seit 2017 ist er wieder Bundestagsabgeordneter und Bundestagesvizepräsident.
Er sei ein Genießer, was ihn natürlich ebenfalls für die Beklagtenrolle vor dem Stockacher Narrengericht qualifiziere; ebenso seine Art, einfach mal „einen raus zu hauen“, wie jüngst mit dem Etikett „Kanalratte“ für den türkischen Präsidenten oder der Bemerkung zu Karl Lauterbach, in seiner Eckkneipe würde man zu diesem „Spacken“ oder „Dumpfbacke“ sagen.
Auch seine polarisierenden, extrem direkten Debatten-Beiträge zum Beispiel zu Nordstream 2 sorgten immer wieder für Zündstoff, was ihn regelmäßig ins öffentliche Rampenlicht rückt. "Eine echte „Type“ halt…", so die Wertschätzung beim Spätschoppen.
Seine erfolgreiche Anwaltstätigkeit wurde immer wieder mit mancher Kontroverse in Verbindung gebracht, die allerdings nie zu einer Anklage oder gar Verurteilung gegen ihn führten
Das werde jetzt anders, machte Jürgen Koterzyna deutlich.
Am Schmotzigen Donnerstag, 16. Februar, wird ihm vor dem Hohen Grobgünstigen Narrengericht in Stockach in der Jahnhalle nun der Prozess gemacht. "Alles nebenher… …und dann geschehe, was Recht ist!"
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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