Hoher volkswirtschaftlicher Nutzen prognostiziert
Machbarkeitsstudie für Biberbahn macht viel Hoffnung

Die Biberbahn erfreeut sich schon im aktuellen Freizweitbetrieb großer Beliebtheit. Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie haben die Hoffnung auf einen Betrieb im Sundentakt als Regionallinie verstärkt. | Foto: of/ Archiv
  • Die Biberbahn erfreeut sich schon im aktuellen Freizweitbetrieb großer Beliebtheit. Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie haben die Hoffnung auf einen Betrieb im Sundentakt als Regionallinie verstärkt.
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Meßkirch/Stockach. Seit 2021 betreiben die Stadt Meßkirch und die Gemeinde Sauldorf die Ablachtalbahn Stockach - Mengen erfolgreich als kommunales Eisenbahninfrastrukturunternehmen für Güter- und Freizeitverkehr. Fast genauso lange läuft eine Untersuchung, diese Ost-West-Verbindung für einen stündlichen und schnellen Schienenpersonennahverkehr (SPNV) als Querspange zwischen Bodensee und Donau zu reaktivieren. Die beiden Bahnbetreiber-Kommunen haben nun gemeinsam mit den Gutachtern – der VWI Verkehrswissenschaftliches Institut Stuttgart GmbH und der Biechele-Infra-Consult – die Ergebnisse dieser Machbarkeitsstudie vorgestellt.

Die Reaktivierung der Ablachtalbahn ist danach volkswirtschaftlich sinnvoll – der Nutzen übersteigt die Investitions- und Betriebskosten deutlich. Damit hat ein stündlicher Nahverkehr auf der Ablachtalbahn gute Chancen. 

Durchgehender Zug von Radolfzell nach Mengen

Untersucht wurden vier Varianten: Eine Minimalvariante mit einer Verbindung Radolfzell – Stockach – Meßkirch,  eine durchgehende Verbindung von Radolfzell über Stockach bis Mengen mit entsprechenden Anschlüssen Richtung Ulm. Dann eine durchgehende Verbindung von Radolfzell bis Sigmaringen mit einem kompletten Wiederaufbau ab Krauchenwies nach Sigmaringen sowie eine Express-Variante (mit nur einem einzigen Zwischenhalt in Meßkirch) zwischen Radolfzell und Mengen.
Das Ergebnis: Die Varianten ein (nach Meßkirch) und zwei (Radolfzell – Mengen) locken so viele Fahrgäste an, dass der volkswirtschaftliche Nutzen deutlich höher ist, als die gesamten Investitions- und Betriebskosten.
Die Züge sollen zwischen Stockach und Mengen dabei an acht Zwischenstationen halten, nämlich in Hindelwangen (neu), Mühlingen-Zoznegg (mit Busanbindung, neu), Sauldorf (mit Busanbindung; derzeit nur Freizeitzüge), Bichtlingen (derzeit nur Freizeitzüge),  Meßkirch-Süd (neu), Meßkirch (mit Busanbindung, derzeit nur Freizeitzüge), Menningen-Leitishofen (derzeit nur Freizeitzüge), Göggingen (neu) und Krauchenwies-Bahnhof (mit Busanbindung, neu). 

Ertüchtigung der Strecke

"Die Züge sollen auf der Ablachtalbahn künftig nicht mehr wie heute im Bummelzugtempo fahren", erläutert Frank von Meißner, technischer Leiter und Eisenbahnbetriebsleiter der Ablachtalbahn. "Daher hat unser Gutachter Biechele-Infra-Consult für die Reaktivierung eine komplette Erneuerung und Sanierung der Strecke zwischen Stockach und Mengen unterstellt, um weitgehend mit 80 und stellenweise mit bis zu 100 Kilometern pro Stunde fahren zu können. Das hat dann nicht mehr mit dem heutigen Bummelbahn-Charakter der Strecke zu tun, künftig werden zum Beispiel alle Bahnübergänge mit Schranken oder Lichtzeichen ("Ampeln") ausgestattet, so dass das Gepfeife der Züge dann Geschichte ist."

Für die Sanierung und Ertüchtigung der Strecke von Stockach nach Mengen fallen Kosten in Höhe von voraussichtlich 73.640.000 Euro (Preisstand 2023, inklusiv 10 Prozent Planungskostenanteil) an. "Dazu zählen neue Signale, neue Bahnübergangschrankenanlagen, moderne Gleise und Haltepunkte," so Frank von Meißner.

Die im Vergleich zur Bodenseegürtelbahn oder zur Zollernalbbahn überraschend niedrigen Kosten rühren zum einen daher, dass die
Ablachtalbahnstrecke nicht elektrifiziert wird und zum anderen daher, dass nicht die sehr hohen und vergleichsweise teuren DB-Standards für Planungsprozesse und die Infrastruktur angesetzt werden. Die Macher der Studie unterstellen modernste batterieelektrische Fahrzeuge, die ihren Strom von Radolfzell bis Stockach aus der Oberleitung beziehen und auf der Ablachtalbahn dann im Batteriebetrieb fahren können. "Superleise und ohne Schadstoff-Emissionen", wie von Meißner betont. Die Seehäsle-Strecke müsste freilich erst noch elektrifiziert werden, um diese Vision umsetzen zu können.

Kurze Fahrzeiten und viele Fahrgäste

Auf der solchermaßen ertüchtigten Strecke werde die Fahrzeit dann zum Beispiel von Meßkirch nach Stockach nur noch rund 23 Minuten betragen, von Meßkirch bis Radolfzell nur rund 43 Minuten, so von Meißner: "Das ist mindestens genauso schnell wie mit dem Auto."
Ein so attraktiver Nahverkehr lockt natürlich viele Fahrgäste an: Der Gutachter VWI ermittelte eine Querschnittsauslastung von rund 1.300 Fahrgästen pro Tag in den Zügen südlich von Meßkirch, das entspricht rund 2.750 Fahrten, die täglich mit der Ablachtalbahn unternommen würden. "Das sind mehr Fahrgäste, als in den 90er Jahren für die Seehäsle-Bahnreaktivierung von Stockach nach Radolfzell prognostiziert wurden, die heute als große Erfolgsgeschichte im Kreis Konstanz anerkannt ist", so Frank von Meißner. Und er weist darauf hin: "Die Fahrgastprognosen für die Bahnen wurden immer übertroffen, zum Beispiel fahren im Seehäsle heute 3.500 Fahrgäste mit – im Bus vor der Seehäsle-Reaktivierung waren es keine 500 Fahrgäste."

Nutzen übersteigt die Kosten deutlich

Nach der Methodik des Bundesverkehrsministeriums für Nutzen-Kosten-Untersuchungen haben die Gutachter eine entsprechende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung angestellt. Am besten schneidet dabei die Variante zwei ab – also eine durchgehende Verbindung von Radolfzell nach Mengen, bei der das Seehäsle (das heute in Stockach endet) im Stundentakt nach Mengen verlängert würde. Aufgrund der hohen Fahrgastzahlen ergibt sich ein so hoher volkswirtschaftlicher Nutzen, dass die gesamten Investitions- und Betriebskosten deutlich überkompensiert werden: Als Nutzen-Kosten-Faktor wurde für die Reaktivierung nach Mengen ein Wert von 1,38 ermittelt. "Das heißt, dass der Nutzen um 38  Prozent höher ist, als die gesamten Kosten", freut sich Meßkirchs Bürgermeister Arne Zwick. "Mit diesem erfreulich guten Ergebnis ist die Reaktivierung der Ablachtalbahn nicht nur volkswirtschaftlich sinnvoll, sondern kann auch in den Genuss von hohen Investitionskostenzuschüssen aus dem Bundesförderprogramm nach dem sogenannten GVFG (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz) kommen", so Zwick.
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann freut sich sehr, dass die vom Land geförderte Machbarkeitsstudie und die Wirtschaftlichkeitsprüfung ein so gutes Ergebnis ergeben habe: "Für das Land ist die Reaktivierung und der Ausbau von
Bahnstrecken in Baden-Württemberg ein wesentlicher Baustein für die Verkehrswende hin zu einer klimaschonenden Mobilität. Die Fahrgäste brauchen in ländlichen Regionen eine attraktive Alternative, damit sie öfter das Auto stehen lassen und die Bahn benutzen. Deshalb ist es sehr erfreulich, dass die Machbarkeitsstudie für einen regelmäßigen SPNV auf der Ablachtalbahn so gute Werte ergeben hat. Die guten Bedingungen für eine Förderung durch Bund und Land über das GVFG sind die besten Voraussetzungen für das Projekt. Nun ist die Bereitschaft der kommunalen Ebene gefragt, das Projekt weiter zu planen und ihren Beitrag für den Ausbau zu bringen. Gefordert sind nicht zuletzt die beiden Landkreise."

Standortfaktor für Kommunen und Beitrag zum Klimaschutz

"Wir sind überzeugt, dass die Ablachtalbahn uns Anliegerkommunen einen Schub bringen wird," erläutert Severin Rommeler, Bürgermeister von Sauldorf und erster Vorsitzender des Fördervereins Ablachtalbahn e.V. "Ein stündlicher, schneller und komfortabler Zug direkt an den Bodensee und an die Donau wäre für Pendler und Schüler eine gewaltige Verbesserung. Auch die Anbindung an den Fernverkehr in Radolfzell und vor allem auch in Ulm wird so möglich", so Rommeler.
Und Bürgermeister Zwick ergänzt aus eigenen Erfahrungen: "Das Seehäsle zwischen Stockach und Radolfzell hat den direkt an der Bahn gelegenen Kommunen einen richtigen Boom gebracht. Das erwarte ich mir auch von der Bahn für uns zwischen Sauldorf, Meßkirch und Krauchenwies."
Schon heute sei der Freizeitverkehr unter dem Namen "Biberbahn" ein voller Erfolg und belebe den Tourismus spürbar, betonen die beiden Bürgermeister Rommeler und Zwick. Nicht zuletzt für den Klimaschutz ist die Ablachtalbahn ein großer Gewinn: Die Gutachter des VWI errechneten eine tägliche CO 2-Einsparung in Höhe von 566 Tonnen pro Jahr, indem pro Jahr 145.500 Pkw-Fahrten eingespart werden.

Ein Bus statt der Bahn lockt weniger Fahrgäste an

Ein ebenfalls untersuchter paralleler Busverkehr (anstatt der Ablachtalbahn) hat ergeben, dass die Bahn signifikant mehr Fahrgäste anlocken würde. Die Querschnittsbelastung der Ablachtalbahn liegt südlich Meßkirch bei 1.300 Fahrgästen, die eines Busses bei rund 650 Fahrgästen. Der Gutachter VWI erklärt das damit, dass der Bus einen zusätzlichen Umstieg in Stockach erfordert und ein Bus von den Fahrgästen als weniger attraktiv empfunden werde als ein vom Stau unabhängiger und komfortablerer Zug.
Aus Sicht von Bürgermeister Rommeler seien auch die Kostenfolgen nicht zu vernachlässigen: Für den Landkreis bedeutet der Zugbetrieb weniger Kosten, weil das Land den Zugbetrieb organisiert und bezahlt. Beim Bus sind immer die Landkreise mindestens zu 50 Prozent an den Betriebskostenzuschüssen beteiligt.

Weiter Weg bis zur Reaktivierung

Mit dem Abschluss der von Land Baden-Württemberg mit 75 Prozent geförderten Machbarkeitsuntersuchung ist ein wichtiger erster Prüfungs- und Planungsschritt erfolgreich beschritten. Bis der hochwertige SPNV mit schnellen Zügen zwischen Donau und Bodensee im Stundentakt kommt, sind noch viele Planungsschritte zu durchlaufen.
"Als nächstes müssen wir die Grobplanung und Kostenhochrechnung sowie die Fahrgastzahlenberechnung der Machbarkeitsstudie detaillierter machen und eine sogenannte 'Standardisierte Nutzen-Kosten-Untersuchung' machen lassen", erklärt Severin Rommeler. "Diese Nutzen-Kosten-Untersuchung ist streng nach Vorgaben des Bundesverkehrsministeriums standardisiert", ergänzt Frank von Meißner. "Nur wenn auch dort der Nutzen höher ist als die Kosten, ist das Projekt volkswirtschaftlich sinnvoll und wir bekommen die Investitionskostenzuschüsse."
Arne Zwick ist sich sicher: "Nach dem sehr guten Zwischenergebnis der Machbarkeitsstudie sind wir und unsere Gutachter optimistisch, dass auch die nun anschließende NutzenKosten-Untersuchung ein positives Ergebnis haben wird. Unser gemeinsames Ziel muss sein, diese weitergehende Planung und Nutzen-Kosten-Untersuchung 2024 machen zu lassen."

"Als übernächster Schritt wäre dann eine detaillierte Planung, die so genannte Entwurfs- und Genehmigungsplanung (Leistungsphasen 3 und 4 Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) zu durchlaufen, was im günstigsten Fall in den Jahren 2026 bis 2027 passieren könnte. Daran schließt sich das Planfeststellungsverfahren (womit am Ende das Baurecht erteilt wird) und die Bearbeitung und Prüfung des Zuschussantrags (was mit der Bewilligung der Zuschüsse endet) an, was in den Jahren 2028 bis 2029 abgeschlossen werden könnte", skizziert Technikchef Frank von Meißner das Vorgehen.
Die eigentliche Sanierung der Strecke – mit Bau oder Ausbau der Gleise, Neubau der Signaltechnik und beschrankter beziehungsweise ampelgesicherter Bahnübergänge sowie Bau oder Modernisierung der Haltepunkte – könnte dann ab 2030 laufen. "Eine Inbetriebnahme der Ablachtalbahn als moderner Nahverkehrsachse Bodensee—Donau könnte dann im Jahr 2031 bis 2032 erfolgen", so von Meißner.

Quelle: Bürgermeisteramt Sauldorf/ Bürgermeister Severin Rommeler

Autor:

Presseinfo aus Singen

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