Gerlinde Kretschmanns Wahlkampf durch die Hintertür
Leise Töne statt laute Parolen

Foto: Drei Schwestern: Brigitte Strobel, Dorothea Wehinger und Gerlinde Kretschmann in Orsingen.swb-Bild: sw
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Orsingen-Nenzingen (sw). Acht Geschwister waren sie zu Hause auf dem heimischen Hof bei Sigmaringen. Zwei Jungen, sechs Mädchen. Die Männer stramm für die CDU. Die Frauen für die »Grünen«. Die Mutter, eine hart arbeitende Bäuerin, schrieb abends noch Artikel für »Das schwäbische Bauernblatt«. Sie ist clever, diese Gerlinde Kretschmann. Denn die Ehefrau des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann fordert im Gasthaus »Hecht« in Orsingen nicht: »Wählen Sie bei der Landtagswahl am Sonntag, 13. März, die »Grünen«.« Nein, sie macht vor den über 50 Landfrauen des Bezirks Stockach-Engen keinen Wahlkampf der lauten Parolen.

Sie setzt auf die leisen Zwischentöne. Streift nicht die große Politik mit Flüchtlingsthematik, Gemeinschaftsschulen oder innerer Sicherheit. Stellt dagegen die kleine private Welt und ihre Persönlichkeit in den Fokus. Dabei wirkt die pensionierte Lehrerin echt, ungekünstelt, sympathisch und offen. Weiß mit ihrem wenig aufpolierten Schwäbisch, dem herzförmigen Gesicht, dem frechen Lockenkopf, den ungefilterten Anekdoten zu gefallen. Und mit diesen typisch weiblichen Attributen Herz, Charme, Charakter, Mütterlichkeit zu punkten. Sie macht unterschwellig, unaufdringlich, unaufgeregt Wahlkampf – für Winfried Kretschmann und ihre Schwester Dorothea Wehinger, der »Grünen«-Landtagskandidatin für den Wahlkreis Singen-Stockach, die zu diesem Abend über »Frauen im Ehrenamt« geladen hat.

Gerlinde Kretschmann holt ihre Zuhörerinnen dort ab, wo sie abgeholt werden wollen. Im freundlichen Plauderton, mit kleinen Geschichten, Anekdoten aus dem Alltag einer »First Lady«, die bewusst eine von ihnen geblieben ist. Fünf Schirmherrschaften hat sie übernommen. Mehr nicht. Sie möchte den Überblick behalten. Und zwei Dinge wurden von ihr erwartet, als ihr Mann 2011 zum Landesvater gewählt wurde – der Eröffnungstanz beim Landespresseball in Stuttgart und ein Adventskaffee für die Damen des diplomatischen Chors. Den Kaffee hat sie in das Frühjahr verlegt. Denn im Dezember, hier ganz pragmatische Landwirtstochter, hat niemand Zeit. Und sie lädt reihum verschiedene Frauengruppen zum Kaffee. Nicht die Diplomatengattinnen, die sowieso ständig eingeladen werden.

Natürlich setzt sie auf Sympathiepunkte – und gewinnt sie auch – als sie erzählt, dass sie vor dem Aufstieg zur Landesmutter nie außerhalb von Europa gewesen ist. Doch nun darf sie weiter reisen. Und erlebt viel. Eine Rose wurde nach ihr, »Gerlinde«, getauft. Nun ja, die Blume hatte nichts mit ihr gemeinsam: »Wenn ich so wäre wie sie, hätten wir keine Freude aneinander.« Und als sie ein Schiff in Hamburg taufte, die Fregatte Baden-Württemberg, sah sie nur den Bug. Sie wollte das Ganze. Ging nicht. Die Fregatte war noch im Rohbau. Und zwei Mal war sie im Gefängnis. Zu Besuch natürlich: »Das wäre nichts für mich.«

Die Politik ist es schon. Gemeinderätin war sie – und ihr Mann hat sie beneidet. Weil im Stadtparlament schneller mehr bewegt werden kann als im Landtag. Das war’s mit der Politik. Fast. Sie verrät nur, dass Winfried Kretschmann eine gute Singstimme hat. Und dass er entgegen anderslautenden Gerüchten gar nicht amtsmüde ist. Mehr offenen, lauten Wahlkampf macht sie nicht. Aber ihr leiser Wahlkampf ist offensichtlich.

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

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