Große Abschiedsgala zum Epochenwechsel
Ein neuer Ehrenbürger zum Stolz der Stadt

Rainer Stolz wurde zu seinem Abschied am Mittwochabend in der Jahnhalle vor einigen hundert Gästen zum neuen Ehrenbürger der Stadt ernannt. Bürgermeisterstellvertreter Werner Gaiser zog in seiner Rede seinen Hut vor der Lebensleistung von Rainer Stolz, der ja noch viel mehr war als nur Bürgermeister. | Foto: Oliver Fiedler
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  • Rainer Stolz wurde zu seinem Abschied am Mittwochabend in der Jahnhalle vor einigen hundert Gästen zum neuen Ehrenbürger der Stadt ernannt. Bürgermeisterstellvertreter Werner Gaiser zog in seiner Rede seinen Hut vor der Lebensleistung von Rainer Stolz, der ja noch viel mehr war als nur Bürgermeister.
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Stockach. Bürgermeister Rainer Stolz habe immer gesagt, er mache nur seinen Job, meinte Bürgermeisterstellvertreter Werner Gaiser für den Auftakt der großen Gala zu einem Abschied am Mittwochabend, 20. Dezember, in der Jahnhalle, zu der alle Stockacher eingeladen waren. "Aber er hat es verdammt verdient, hier groß geehrt zu werden", sagte Gaiser, der seit zehn Jahren Stellvertreter ist und in dieser Zeit ganz viele Fotos gesammelt hatte. Die würdigte der versierte Musiker auf der Bühne dann mit einem eigens diesem Abend gewidmeten Lied am Piano. Dazu gab es die Ernennung zum Ehrenbürger als "Zugabe", bei der sich das Publikum erstmals zum stehenden Applaus erhob. Stolz selbst sagte, dass er nie eine solche Ehrung im Kopf gehabt habe. Er sei unendlich froh über alle, die hier zu seinem Abschied gekommen seien.

Das ging nicht mit Dienst nach Vorschrift

Es seien 30 Jahren Vertrauen und Verbundenheit mit der Stadt gewesen, meinte Gaiser in seiner Laudatio. Viel sei bewegt worden in dieser Zeit. Die Entwicklung der Stadt Stockach in dieser Zeit entspreche seinem Grundsatz "Wer etwas möchte, der findet Wege. Wer etwas nicht möchte, findet Gründe." Stockach mit seinen zehn Ortsteilen sei schon eine Herausforderung. Stolz aber habe in allen Ortsteilen für Strukturen gesorgt, so zählte er auf: den Ausbau des Bildungszentrums, der Bau von Kindergärten, der Bau des Parkhauses, die Stärkung des Krankenhauses, die vielen Baugebiete, die Förderung der Wirtschaft unter anderem durch das interkommunale Gewerbegebiet Blumhof, die Förderung der Kultur und des Tourismus. "Damit das Mögliche entsteht, muss das Unmögliche gewagt werden", zitierte Gaiser einen weiteren Grundsatz. "Das lässt sich nicht durch Dienst nach Vorschrift bewältigen, man muss mit dem Herzen dabei sein", unterstrich Gaiser das Engagement von Stolz, der diese Stadt stolz gemacht habe. Gaiser sagte, dass er besonders die Offenheit von Stolz geschätzt habe und dass er die Menschen in den Mittelpunkt stellte. Vor 17 Jahren habe er zum Beispiel erstmals Kinder mit Behinderung aus der Ukraine eingeladen. Das werde seither ohne großes Aufsehen fortgesetzt. Die Feier zum 51-jährigen Bestehen der Partnerschaft mit La Roche sur Foron sei ein Markstein geworden in diesem Jahr. "Auf allen Ebenen hast du als Politiker und Mensch Großartiges geleistet. Vor dieser Lebensleistung ziehe ich den Hut", so Gaiser. Die Blumen für die Partnerin von Rainer Stolz, Ursine Vaterlaus, wurden in einer schönen Geste an Gudrun Stolz weiter gegeben, die Mutter seiner Kinder, die auch alle gekommen waren. Und auch seine Geschwister Franz-Dieter, Klaus und Renate Stolz waren an diesem Abend in der Jahnhalle.

Experimentierfreudige Stockacher

Eigens gekommen war auch der Präsident des Städtetags Baden-Württemberg, Frank Mentrup, der OB von Karlsruhe. Stolz sei damals aus dem Erziehungsurlaub hier in den Wahlkampf in Stockach einstiegen. Dass er aus einem starken Feld von Mitbewerbern gewählt worden sei, spreche doch für die Experimentierfreudigkeit der Stockacher Wählerinnen. Stockach stehe nach dieser Zeit außerordentlich gut da, würdigte Mentrup den Einsatz von Rainer Stolz für seine Stadt. Über viele Jahre sei Stolz aber auch Sprecher der "C-Gruppe", also der Städte unter 20.000 Einwohner gewesen und sei auch hier bundesweit im Einsatz gewesen. Zum Beispiel, wenn es um Tarifverhandlungen ging, er sei sogar in Afrika präsent gewesen, bei Informationsreisen. "Rainer Stolz war eine feste Bank im Städtetag, auf ihn konnte man sich verlassen", so Mentrup. Denn als "Vize", also Vertreter des baden-württembergischen Städtetags, gab es auch ganz viele Termine, bei denen der Präsident selbst nicht konnte. Bei einer Reise nach China, wo selbst die "kleinen Städte" Millionen von Einwohner zählten, habe Stolz bei der Vorstellung seiner Stadt ganz einfach das "Tor zum Bodensee" genommen und den ganzen Bodenseeraum dazu gezählt. So kam man doch auf 400.000 Einwohner, sodass man dort auch Eindruck schinden konnte. Mentrup übergab die Ehrenmedaille des baden-württembergischen Städtetags an Stolz als Würdigung seines Einsatzes.

Für den Bundestagsabgeordneten Andreas Jung war Rainer Stolz ein Mann mit Ecken und Kanten, der seine Raumschaft Stockach nie als "Hinterland" gesehen habe. Die Zusammenarbeit mit den Abgeordneten sei deutlich besser gewesen, als Stolz jemals zugeben würde, spielte Jung auf ein Interview von Stolz mit dem Wochenblatt an. "Du bist um das Wohl der BürgerInnen und der Stadt im Einsatz und dafür auch streitbar gewesen." Er habe der Stadt die Bedeutung gegeben, die sie verdient habe. Jung nahm an, dass die Renaissance des "STO"-Kennzeichen auch dazu diente, damit er das "LZ" bei seinem Auto zufügen konnte.

Auch "Machen lassen"

Landrat Zeno Danner meinte, dass das Engagement, das Stolz für seine Stadt an den Tag gelegt habe, manchmal für einen Landrat auch anstrengend sein könne. Ein Bürgermeister, der immer das Narrengericht im Nacken habe, stehe natürlich auch unter einem besonderen Druck, scherzte Danner. Aber dadurch sei Stockach in der ganzen Welt und sogar in Berlin bekannt. Die Raumschaft
Stockach habe Stolz zum leuchtenden Vorbild gemacht, lobte Danner sogar. 
Stolz' Nachfolgerin Susen Katter grüßte per Videobotschaft die Abschiedsversammlung. Sie erinnerte sich an die ersten Treffen im Mai, lange vor der Erklärung ihrer Kandidatur, bei der sie Rainer Stolz als einen Mann kennengelernt habe, der seine Stadt über alles liebe und das Beste für sie wolle. Das seien natürlich sehr große Fußstapfen, in die sie nun bald trete.
Der Altbürgermeister von Bodman-Ludwigshafen, Matthias Weckbach, sprach für die Kollegen der Raumschaft und lobte die Beharrlichkeit und Hartnäckigkeit, mit der Stolz sich für diese Raumschaft eingesetzt habe. Dem sei es auch zu verdanken, dass es das Krankenhaus in Stockach noch immer gebe. Den Weg in die Zukunft sei man mit dem interkommunalen Gewerbegebiet Blumhof gegangen. Und: Trotz eines so vollen Terminkalenders habe Stolz es immer geschafft, absolut pünktlich zu sein. Das habe er so nie geschafft.

Wolfgang Kammerlander, Vorsitzender der Stockacher Bürgerstiftung, sprach auch für alle Vereine der Stadt, was immerhin rund 100 sind. Stolz habe "machen lassen", das sei eine große Stärke gewesen, die manches Engagement aus der Bürgerschaft möglich gemacht habe, lobte er ausdrücklich. Und das fördere auch Vielfalt.
Narrenrichter Jürgen Koterzyna hob darauf ab, dass Stolz das Narrengericht nie im Nacken, sondern vielmehr im Rücken gehabt habe. Und das, obwohl Stolz in Sachen Laufnarrenkappe die Gleichschaltung verwehrte, lieber sein eigenes Kostüm des Bürgermeisters mit Zylinder entwickelte, um närrisch Gegenpol zu bleiben. Weil Rainer Stolz nun auch in den närrischen Versammlungen fehlen wird, hatte Koterzyna seinen Stuhl aus der Narrenstube als bleibendes Andenken mitgebracht, sogar mit Zertifikat.

Stimmiger Rahmen

Durch Kulturamtsleiterin Corinna Bruggaier war auch das Rahmenprogramm eine Klasse für sich. Die Stadtmusik unter der Leitung von Helmut Hubov eröffnete den Abend mit  "The Armed Man" von Carl-Jenkins. Es war gelungen, die Sopranistin Angela Kerrison aus Zürich für einen weiteren Auftritt in Stockach zu engagieren, nachdem die am Samstag zuvor schon beim Weihnachtskonzert so begeisterte, wo Stolz allerdings aus gesundheitlichen Gründen hatte passen müssen. Sie widmete ihm Frank Sinatras "My Way" als das große Finale dieses Abends. Der Auftritt der "Yetis", der sagenumwobenen Guggenmusik aus der Hans-Kuony-Stadt hatte eine ganz besondere Bedeutung: Damals vor 30 Jahren im Wahlkampf brachten sie die Parole "Yetis wählen Stolz" auf den Markt, der die Wahl vielleicht auch mit entschieden hatte.

Nachdenklicher Ausklang

Rainer Stolz bezeichnete die 30 Jahre im Amt als sehr vielfältig, bunt, anstrengend, aber in vielen Dingen auch erfreulich. Er dankte dem Gemeinderat sehr für die Ehrenbürgerschaft. Diese Würdigung bedeute ihm sehr viel. Sein Einsatz für die Stadt habe nicht die Wurzel gehabt, einmal diese Ehrung zu bekommen. Die ganzen positiven Rückmeldungen in den letzten Wochen seien die Geschenke gewesen, die sein Herz aufquellen ließen. Diese Ehrung gelte dem Gemeinderat genauso wie den Mitarbeitenden im Rathaus, unterstrich Stolz, der seine Assistentin Iris Laible besonders heraushob. Mit seinem Einsatz, 30 Jahre für "mein Stockach" und davor zwölf Jahre für die Stadt Tübingen, habe er ihm nahestehende Menschen vernachlässigt, wofür er sich entschuldige. Weiter müsse er sich bei der Übergabe seines Amts an seine Nachfolgerin Susen Katter keine Sorgen um die Zukunft der Stadt machen, sagte Stolz.

Sorgen um die politische Zukunft macht sich Stolz freilich doch insgesamt: Der Weg der Politik entferne sich immer mehr von den Menschen, denen sie eigentlich dienen solle. Als Vertreter der pragmatischen kommunalen Politik entsetze ihn zudem immer mehr die offensichtliche Reformunfähigkeit in der Bundesrepublik. "Es geht um uns alle", sagte Stolz angesichts des Trends, partikulare Interessen über ein Gemeinwohl zu stellen. Es gehe auch um die banale Erkenntnis, dass vor der Verteilung von Geldern, diese erst mal erwirtschaftetet werden müssen. "Meine Sorge ist, dass die Politik immer noch so tut, als wäre das kein ernst zu nehmendes Problem."  Für die Kommunen bedeute es in einer immer diverseren Welt, dass viele Probleme mit einer noch intensiveren Zusammenarbeit zu lösen sind. "Wir werden die Komplexität der kommenden Aufgabe, die massiv fortschreitenden Anforderungen der Digitalisierung und die Probleme des Fachkräftemangels anders nicht bewältigen können", war sein Schlusswort für diesen Abend.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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