Bürgermeister Rainer Stolz spricht im Interview mit dem Wochenblatt über die Folgen von Corona und die Stärken der Region
Digitalisierung der Verwaltung zurecht unumkehrbar
Stockach. Der Stockacher Bürgermeister Rainer Stolz spricht im Interview mit dem Wochenblatt über die Folgen von Corona und die Stärken der Region.
Wochenblatt: Herr Stolz, Corona hat viele Veränderungen mit sich gebracht. Mit der Pandemie bestimmt ein weltweites Geschehen massiv auch das Geschehen für uns vor Ort und die lokalen Gestaltungsspielräume scheinen auf den ersten Blick geschrumpft. Hat die „Region“ als Einheit durch Corona also an Bedeutung verloren?
Rainer Stolz: Das kann ich so nicht bestätigen. Immerhin, die Arbeit einer Stadt wird zwar im Moment von der Pandemie in Atem gehalten, aber die Bedeutung der Region hat meiner Meinung nach nicht verloren, sie hat eher gewonnen. Es finden Aktivitäten und Gespräche im Kreisgebiet in umfangreicherem Maße als bislang statt.
Wochenblatt: Gibt es etwas, dass Sie durch die Pandemie über die Stadt Stockach und ihre Umgebung neu dazu gelernt haben, bzw. auf das sie einen anderen Blickwinkel bekommen haben?
Rainer Stolz: Die Pandemie hat deutlich gemacht, dass wir in unserem Lande auch sehr formalistisch und bürokratisch sind. Grund sind unter anderem überbordende Anspruchs-haltungen gegenüber der Gemeinschaft und Überzeugung, alles bis ins kleinste Detail reglementierend aber auch sichern zu müssen. Daneben hat aber die Digitalisierung im Bereich der öffentlichen Verwaltungen im letzten Jahr deutlicher als bisher seine Möglichkeiten gezeigt. Das ist zu Recht unumkehrbar.
Wochenblatt: Welche Auswirkungen hat Corona auf die städtischen Finanzen in Stockach?
Rainer Stolz: Da es auch ohne Corona immer Schwankungen gibt ist dies natürlich nicht genau zu ermitteln. Im letzten Jahr haben Ausgleichszahlungen des Bundes und des Landes vieles aufgefangen. Dennoch sind rund 1,1 Mio. Euro an Einnahmeausfällen zu verzeichnen.
Für das laufende Jahr gehen wir davon aus, dass die Krise sich bei der Liquidität der Stadt mit einem Minus von bis zu 4 Millionen Euro bemerkbar macht. Dies resultiert überwiegend aus geringeren Einnahmen aus Steuern, Steueranteilen und Schlüsselzuweisungen.
Wochenblatt: Oft haben es kleinere Städte noch ein Stück schwerer, lebendige Innenstädte zu erhalten als größere Zentren. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang aktuell die Situation in Stockach, was bekommen Sie von den Händlern und Gewerbetreibenden dazu mit?
Rainer Stolz: Ich kann hierzu ja nicht nur für Stockach, sondern auch als Vorsitzender der Gruppe der kleinen Städte im Städtetag sprechen. In unseren Städten stehen viele Einzelhändler vor dem Aus. Es sind die Rücklagen nicht da, einen derart langen Lockdown durchstehen zu können. Sicherlich waren die staatlichen Mittel, so sie denn geflossen sind, hilfreich, aber kein Staat kann die Wucht des Umsatz- und Ergebnisrückganges für die große Zahl der Betriebe, die durch die Dauer des Lockdowns entstanden sind, auffangen.
Wochenblatt: Machen Sie sich derzeit Gedanken darüber, wie die Stadtverwaltung dazu beitragen kann, dass der Neustart aus der Krise heraus gut gelingen kann und wenn ja, können Sie uns einen Einblick geben, wie ein entsprechendes Konzept aussehen könnte, bzw. welche Maßnahmen von Seiten der Stadt dies beinhalten könnte?
Rainer Stolz: Wir haben uns bei der Aufstellung des Haushaltsplanes in diesem Jahr bewusst und im Sinne des Appells des Städtetages für einen vergleichsweise umfangreichen Investitionshaushalt entschieden. Trotz der Pandemie. Uns war und ist wichtig, dass auch die regionalen Betriebe auch in diesem Jahr Arbeit haben, die von der öffentlichen Hand finanziert wird (z.B. Krankenhausanbau).
Wochenblatt: Wie beurteilen Sie die von den Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin neu beschlossenen Maßnahmen zur Öffnungsstrategie?
Rainer Stolz: Ich bin nicht berufen aus dem Blickwinkel einer Kleinstadt im wohlhabenden Baden-Württemberg ein Urteil über Entscheidungen für das ganze Bundesgebiet abzugeben. Vielmehr habe ich großen Respekt und Achtung vor den Menschen, die in einer solchen virulenten Situation Entscheidungen treffen müssen, die das ganze Land betreffen. Und wo entschieden wird, klappt nicht alles immer wirklich gut.
Wochenblatt: Wenn Sie den Blick über den Stockacher Tellerrand hinaus in unsere Region, den Landkreis Konstanz richten: was sind Ihrer Meinung nach die größten Stärken dieser Region?
Rainer Stolz: Wir befinden uns in einer fantastischen Landschaft mit hohen Erholungs- und Naturwert. Dieser Wert wird von allen Handelnden sehr geschätzt. Wir haben hoch attraktive Betriebe im mittelständischen Bereich, die auch in der Pandemie sehr stark sind. Und wir sind optimistisch, dass wir auch diese Herausforderung bewältigen.
Wochenblatt: Gibt es auch Schwächen und wenn ja, welche?
Rainer Stolz: Sicher, jede Region hat nicht nur Sonnen- sondern auch Schattenseiten. Es wird auch in unserer Region der ländliche Raum von wichtigen Entscheidungsträgern in den Entscheidungen gelegentlich eher nachrangig betrachtet. Das bedaure ich, halte es auch für falsch. Auch sollten wir der Kreis- und Gemeindeübergreifenden Arbeit deutlich mehr Chancen und Perspektiven einräumen. Oft ist der Kirchturm noch immer zu hoch.
Wochenblatt: Was macht Ihnen in dieser Zeit besonders Mut für Ihrer Stadt und für die Region?
Rainer Stolz: Mut macht mir, dass wir trotz aller, immer wieder sich widersprechenden Wortmeldungen und Stellungnahmen in unserem Land, und trotz aller suboptimalen Lösungen die wir erleben, immer noch weitgehend mit Ruhe und Besonnenheit die erforderlichen Hygieneregeln beachten und unserer Arbeit nachgehen, und uns nicht Rattenfängern anschließen.
- Dominique Hahn
Autor:Redaktion aus Singen |
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