Liberaler par excellence - Guido Westerwelle in Stockach
Die sanfte Energie der Eleganz
Stockach (sw). Die Politik des Gehörtwerdens mal anders. Auch mitten im strengen Wahlkampf ist Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle noch sehr gut bei Stimme. Laut, manchmal lautstark, klar, deutlich und unmissverständlich vertrat der FDP-Politiker seine Thesen am Donnerstagabend, 22. August, im Bürgerhaus »Adler Post« in Stockach. Distinguiert, vornehm, höflich, seriös wirkt der Mann in dem tadellos sitzenden Anzug mit der farblich genau darauf abgestimmten Krawatte. Seine Angriffe auf den politischen Gegner sind wohl gesetzt, die Gesten gut eingesetzt, die Worte klug gesetzt.
Der 51-jährige Jurist verbreitet keine hemdsärmelige Kumpelhaftigkeit, keine populistisch-einschleimende Anbiederei, keine inhaltslos-wohlklingenden Phrasen, keine knallig-kernigen Parolen – er weiß das Wahlvolk mit der Wucht der volksnahen Klugheit zu beeinflussen. Guido Westerwelle setzt auf eine Mischung aus politischer Worteleganz, Weltgewandtheit, Wissens- und Willensstärke.
Die brennenden Fragen der Weltpolitik lässt er unerwartet und überraschend konsequent fast außen vor. Der Außenminister vertieft sich mehr in die Innenpolitik. Nur am Rande streift er die Krisen in Ägypten, Syrien, überhaupt der arabischen Welt. Er setze auf eine Kultur der Zurückhaltung. Auf politische Lösungen. Auf Verhandlungen. Nur so könne ein dauerhafter Frieden gesichert werden. Der Ruf nach Intervention sei mit vielen Risiken behaftet, und es gelte, eine besonnene Außenpolitik zu machen.
Überraschenderweise hebt er Länder am Rande der großen Politik hervor: Panama sei die größte Baustelle der Welt, denn der Panamakanal werde nach einer positiven Volksabstimmung erweitert. Und in Singapur sei für fünf Milliarden Dollar auf einem eigens aufgeschütteten Landstrich ein neues Wahrzeichen mit drei Hochhäusern entstanden. Von hier leitet der in Bad Honnef Geborene klug-gekonnt auf die Innenpolitik über: »Und dann komme ich zurück und höre von Flughäfen und Bahnhöfen. Und dann bin ich traurig.« Auch in Deutschland sollten sich konstruktive Mehrheiten für, statt immer nur gegen etwas bilden.
Dann flogt ein flammendes Plädoyer für den Gang zur Wahlurne. Ein rasches Skizzieren der Bildungslandschaft. Exkurse zur Steuer- und Finanzpolitik. Ausflüge zur Eurokrise. Und verstecktes, manchmal auch offenes Marketing für die FDP. In manchen Ländern würden sich Menschen frühmorgens unter glühender Sonne und Gefahr für Leib und Leben vor den Wahllokalen anstellen - jedes Mal, wenn Deutsche nicht zum Wählen gehen würden, wäre das eine Ohrfeige in das Gesicht jener Menschen, die wählen möchten, es aber nicht dürfen.
Den Ausflug in die Bildungspolitik nutzt Guido Westerwelle für Seitenhiebe auf grün-rote Schulideen. Die Abschaffung von Noten, Beurteilungen und Sitzenbleiben würde bald dazu führen, dass Zeugnisse schon am Schuljahresanfang ausgestellt werden würden: »Leistungsbereitschaft ist positiv, keine Körperverletzung.« Ein maßgeschneidertes Bildungssystem sei besser als Einheitsschulen. Und auch in der Wirtschaftspolitik ist er der Liberale par excellence. Leistung müsse sich lohnen, die Erbschaftssteuer sei eine Bedrohung für Familienbetriebe. Der Euro dagegen sei gut für die Wirtschaft. Und hier bekennt Guido Westerwelle: »Ich bin ein begeisterter Europäer«.
Dazu gehört für ihn auch ein respektvoller Umgang mit den Nachbarländern und Euro-Partnern. Es könne nicht angehen, so der FDP-Mann, dass ein Politiker aus Bayern sagen würde, an Griechenland müsse ein Exempel statuiert werden. Und auch die Äußerung von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, italienische Politiker seien Clowns, könne er nicht gut heißen: »Wir müssen mit Respekt auf unsere Nachbarländer schauen.«
Auf eine Frage aus dem Publikum nach dem Sinn eines Mindestlohns gibt Guido Westerwelle eine persönliche Meinungsänderung zu: Vor vier Jahren habe er das noch abgelehnt, doch nun sei er für einen maßgeschneiderten, regionalen Mindestlohn, dessen Höhe vor Ort ausgehandelt werden müsse. Eine flächendeckende Einführung sei nicht zu empfehlen, da die Lage von Region zu Region unterschiedlich sei.
Auf die Frage nach rechtsradikalen Tendenzen in Ungarn führt der Politiker aus, dass bestimmte Formen des »Ungeistes« nicht hingenommen werden könnten. Europa müsse eine Wertegemeinschaft der Toleranz und der Demokratie sein.
- Simone Weiß
Autor:Redaktion aus Singen |
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