Die Beklagte Julia Klöckner im Interview
Auch Frauen sollen närrisches Recht sprechen können

- Die CDU-Bundestagsabgeordnete Julia Klöckner hofft am Schmotzige Dunschdig, den Gerichtsnarren vor der Verhandlung ordentlich einschenken zu können sowie in Zukunft auf Frauen als Stockacher Gerichtsnärrinnen.
- Foto: Tobias Koch; Bildmontage: WOCHENBLATT
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Stockach. Nach geschlagenen sechs Jahren ist die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion sowie ehemalige Weinkönigin, Julia Klöckner, die nun siebte Frau vor dem Hohen Grobgünstigen Narrengericht. Eindeutig zu wenig, wie sie im närrischen Interview mit dem WOCHENBLATT meint.
WOCHENBLATT: Sehr geehrte Frau Klöckner, vermutlich waren Sie ebenso überrascht über die Ladung des Hohen Grobgünstigen Narrengerichts zu Stocken wie ihre Vorgänger auch. Sind sie sich Ihrer Schuld bewusst? Schließlich loben die Gerichtsnarren schon ihre Nähe zum Wein…
Julia Klöckner: Mich hat’s getroffen wie der Blitz. Eine Anklage vor Gericht. Und dann auch noch in Stockach. Fastnacht kann todernst sein (schmunzelt). Und dass die Herren nun auch noch eine Frau mit der Anklage im Visier haben, das riecht nach Verschwörung gegen eine rheinland-pfälzische Winzertochter.
Und meine Nähe zum Wein? Im Weingut bin ich ja quasi mit der Flasche groß geworden, war Deutsche Weinkönigin, habe meine Magisterarbeit über die europäische Weinmarktpolitik geschrieben, war Chefredakteurin des Weinmagazins Sommelier und dann auch noch Weinbauministerin. Zugegeben: Irgendwann musste mich das harte Urteil treffen …
Aber: Ich bin bereit für jede Anklage. Nach der Bundestagswahl kann mich nichts mehr schocken (lacht).
WOCHENBLATT: Sie sind die nun siebte Frau, die sich dem Stockacher Narrengericht stellen muss. Welche Waffen werden Sie nutzen, um als erste Frau überhaupt sowie als erste Beklagte seit 20 Jahren Freispruch zu erwirken und somit nicht nur im „Sommelier Magazin“ für eine echte Schlagzeile zu sorgen?
Julia Klöckner: Erst sechs Frauen, die sich vor mir dem Stockacher Narrengericht stellen mussten? Eindeutig zu wenig.
Ich werde hier natürlich nicht meine Strategie verraten, denn ich gehe davon aus, dass das Hohe Gericht auch zu Ihren Lesern gehört. Aber ich könnte mir vorstellen, etwas mitzubringen, womit ich eines meiner Talente unter Beweis stelle … Grundsätzlich kommt mir ja zugute, dass ich als Politikerin kraft Amtes ohnehin mit allen Wassern gewaschen bin und gelernt habe, auch in stürmischen Zeiten einen kühlen Kopf zu bewahren. Und ein Freispruch wäre für die Herren schon aus gesundheitlichen Gründen sehr ratsam: Zu viel Alkohol ist ja nicht gesund, und in der Fastenzeit sollte man eh darauf verzichten - bis Ostern.
WOCHENBLATT: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung bezeichnete Sie in der Dreikönigssitzung des Narrengerichts als „Unschuld vom Lande“. Zudem ist dessen Büroleiter im Landkreis, Christoph Stetter seit diesem Jahr neuer Fürsprech. Wäre es daher nicht doch eine Überlegung wert, den Andi von der Klosterinsel Reichenau als Beistand bei der Verhandlung hinzuzuziehen oder bräuchte es für Sie als Religionslehrerin nicht doch eher den Beistand von „oben“?
Julia Klöckner: Der Andi ist wirklich ein feiner Kerl. Aber dass er der Überbringer der „schrecklichen“ Botschaft war, ich müsse vor Gericht, das ist mir so auf den Magen geschlagen. Da hab ich gleich mit ihm einen Grauburgunder in meinem Büro trinken müssen. Da steht nämlich ein immer gut gefüllter Weinklimaschrank. Jede politische Verhandlung läuft da besser. Mineralwasser hat den Praxistest nicht bestanden, wie man bei der Ampel-Regierung gesehen hat. Zum göttlichen Beistand: Der kann nie schaden. Ein kurzes Stoßgebet vor der Verhandlung werde ich gewiss nach oben schicken. Und im Wein - so sagt man - sei auch viel Geist enthalten. Vielleicht hilft es ja, wenn ich den Gerichtsherren vorher ordentlich einschenke?
WOCHENBLATT: Seit 2019 sind Sie Ritterin des Ordens wider den tierischen Ernst des Aachener Karnevalvereins sowie generell als verlässliche Verfechterin des närrischen Brauchtums bekannt. Tröstet Sie dies darüber hinweg, dass es in Stockach keine Orden für Frauen gibt?
Julia Klöckner: Typisch, da wird wieder am falschen Ende gespart … Aber wenn‘s ein gutes Essen gibt, dann bin ich auch zufrieden. Orden habe ich schon zahlreiche gesammelt in all den Jahren. Stockach ist da auch ohne Orden wirklich etwas Besonderes. Mit Respekt und Demut schaue ich auf den Termin. Ich dachte ja, durch die letzte Bundestagswahl sei ich abgehärtet, aber es kann noch härter kommen vor Gericht. Habe ich eigentlich einen guten Pflichtverteidiger an meiner Seite?
WOCHENBLATT (darauf antwortend): Da dieser erst seit diesem Jahr im Amt ist, kann ich Ihnen nicht sagen, ob Herr Stetter dem des Fürsprechs gewachsen ist. Eines jedoch hat er mir versichert: Er wird, nicht nur aufgrund seiner Nähe zu Herrn Jung, alles dafür tun, damit Sie die Stadt mit dem geringstmöglichen Strafmaß, im Idealfall einem Freispruch verlassen und den Gerichtsnarren wie von Ihnen vorgeschlagen ordentlich eingeschenkt haben.
Bekanntlich ist das Stockacher Narrengericht nur mit Männern besetzt, obwohl seit Anfang 2024 mit Susen Katter eine Frau im Rathaus das Sagen hat. Was wollen Sie als glühende Anhängerin der Frauenquote vor dem Stockacher Narrengericht erwirken, damit dieses auch mal weibliche Gerichtsnärrinnen zulässt?
Julia Klöckner: Ob diese Herren noch zu überzeugen sind, das muss ich erst einmal rausfinden. Aber klar ist doch: Ohne Frauen ist kein Staat zu machen! Und wenn Frauen vor Gericht angeklagt werden können, dann können sie auch umgekehrt Recht sprechen bei Gericht. Ich wills ja nicht übertreiben mit meinen Forderungen - also weder Gendersternchen noch diverse Geschlechter bemühen. Aber ein wenig Modernisierung, ich glaube, das könnte man dem Gericht schon zumuten, oder?
Im Übrigen: Die Narrenwelt lebt von der Vielfalt. Eine Welt ohne Frauen wäre einfältig.
WOCHENBLATT Seit diesem Jahr ist der bei vielen bisherigen Beklagten als „Häuptling scharfe Zunge“ gefürchtete Wolfgang Reuther nicht mehr Kläger des Narrengerichts. Inwiefern sind Sie zuversichtlich, dass sein Nachfolger, der bisherige Fürsprech Michael Nadig, Sie mit einem milderen Urteil als die letzte weibliche Beklagte aus Stockach wieder nach Berlin sendet?
Julia Klöckner: Milde? Ach was. CDU-Frau, aus Rheinland-Pfalz auch noch, dann emanzipiert, die Helau ruft und selbst eine Flasche Wein öffnen kann und „ihren Mann steht“. Ich glaube, da gibt es keine Gnade, das ist den Männern zu viel…
Meine letzte Hoffnung: Vor Gott und – vor dem Narrengericht sind wir alle gleich. Kurzum: Mildernde Umstände? Brauche ich nicht! Ich stelle mich der Anklage, denn schließlich gilt: Narrenfreiheit ist unbezahlbar!
Ob Klöckner tatsächlich den Freispruch schafft, gibt es am Abend aktuell bei wochenblatt.net und ab 20.15 Uhr in einer Sondersendung im TV des SWR zu erfahren.
Autor:Philipp Findling aus Singen |
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