Steißlingens Bürgermeister Benjamin Mors im WOCHENBLATT-Sommerinterview
Der Gemeinderat geht bald in Klausur für den Kurs der Gemeinde in die Zukunft

Benjamin Mors | Foto: Steißlingens Bürgermeister Benjamin Mors will mit einer Zukunfts-Klausur in die neue Legislaturperiode des Gemeinderats einsteigen. swb-Bild: le
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Steißlingen. Von Sommerpause kann im Steißlinger Rathaus nicht unbedingt die Rede sein. Bedingt durch die Gemeinderatswahl und die neue Regelung seitens des Landes, dass die Gemeinderäte nach der Wahl vom 26. Mai nur noch geschäftsführend tätig sein durften, hat sich doch einiges an Entscheidungen nach hinten verschoben. Deshalb wurde wie im letzten Jahr auch auf eine Sommerpause für den Gemeinderat verzichtet und der Rat tagte am Montag unter anderem zu wichtigen Themen wie dem weiteren Fortgang für die Sanierung der Kläranlage oder den Ausbau des Radwegs an der L223. „Wir haben schon im letzten Jahr auf eine lange Sommerpause verzichtet, weil wir festgestellt haben, dass 12 der 14 Gemeinderäte da waren, auch dieses Jahr sind wir beschlussfähig“, sagt Bürgermeister Benjamin Mors im Gespräch mit dem WOCHENBLATT im Sommerinterview. Denn es gibt eine Menge zu tun in der nächsten Legislaturperiode.

WOCHENBLATT: Sehr geehrter Herr Mors, jetzt haben Sie für die nächsten fünf Jahre einen neuen Gemeinderat. Was steht in dieser Zeit für die Gemeinde an?

Benjamin Mors: Wir sind mit unserem neuen Baugebiet „Im Tal“ in der Endphase, aber wenn ich mir das Gewerbegebiet „Vor Eichen“ anschaue, so geht es hier in die Phase einer Weiterentwicklung in der nächsten Zone. Hier gibt es Wünsche, dass sich dort auch kleinere Gewerbebetriebe ansiedeln können sollen, was ganz andere Zuschnitte der Grundstücke erforderlich macht. Das ist ja auch Nahversorgung im weiteren Sinne, die die Gemeinde anbieten muss. Es gibt eine Menge, was wir für die weitere Zukunft der Gemeinde entscheiden müssen. Deshalb haben wir schon im Januar für eine Wochenende im September ein Hotel gebucht, wo wir mit Moderation in einer Klausur über die strategische Weiterentwicklung der Gemeinde sprechen wollen. Dabei soll es wirklich weniger um Einzelpunkte gehen als vielmehr über den Kurs der Gemeinde insgesamt. Die Ergebnisse dieser Klausur sollen dann in einer Bürgerversammlung am 22. Oktober gemeinsam diskutiert werden, denn Bürgerbeteiligung ist dafür sehr wichtig. Wir haben ja auch von 14 Gemeinderäten sechs neue, das wird sicher eine spannende Diskussion.

WOCHENBLATT: Da geht es aber sicher auch um einen weiteren Horizont als die nächsten fünf Jahre.

Benjamin Mors: Im Gemeinderat haben wir den Rahmen gewählt, dass es um eine Strategie 2030 gehen soll, also auch für die weiteren Jahre. Themen wie die kommunale Energieversorgung gehören zum Beispiel dazu.

WOCHENBLATT: Sie haben ja kürzlich mit den Bürgern eine Radtour durch den ganzen Ort veranstaltet zu den aktuellen „Hot-Spots“ der Kommune. Was ist ihr Fazit daraus?

Benjamin Mors: Radikale Kurswechsel sind danach sicher nicht nötig. Natürlich ist der Wohnraummangel bei uns auch ein Thema. Wir könnten aber ein Wohngebiet fünf Mal so groß wie das aktuelle herausbringen, es würde auch nicht den Bedarf decken und wir hätten auch gar nicht den rechtlichen Rahmen dafür. Unsere Strategie, die wir vorgestellt haben, ist, dass wir über die neuen Flächen im Dorfkern die Entwicklung vorantreiben. Wir haben schon im letzten Jahr dafür Bauprojekte bewilligt, wo statt dem klassischen Einfamilienhaus nun auch Geschosswohnungsbau im dörflich verträglichen Maße kommen kann. Der dörfliche Charakter von Steißlingen bleibt uns weiter wichtig und das wollen auch die Bewohner, was wir an den Einwendungen bei diesen Baugesuchen merken.

WOCHENBLATT: Sie müssen nun ja auch einen neuen Leiter für die Gemeindemusikschule suchen, nachdem Herr Jahnke die Leitung der Jugendmusikschule westlicher Hegau übernimmt. Kam das überraschend.

Benjamin Mors: Teils. Wir konnten Herrn Jahnke, der aus dem Raum Kassel kommt, nur eine 30 Prozent-Stelle bieten. Er wollte den Rest über andere Engagements hinbekommen. Wir haben schon gespürt, dass es da Schwierigkeiten gab. Für ihn ist es mit einer 100 Prozent-Stelle in Hilzingen natürlich eine andere Situation, damit mussten wir rechnen. Wir wollen die Stelle nach der Sommerpause neu ausschreiben für den Jahreswechsel. Die Zahlen der Schüler steigen ja an, durch die Kooperation mit der Schule und dem Musikverein haben wir eine gute Struktur.

WOCHENBLATT: Das Thema Nahversorgung war ja eines der großen damals im Wahlkampf.

Benjamin Mors: Es hatte ja schon kurz nach meinem Amtsantritt in 2017 eine unerwartet positive Wendung mit der Eröffnung des „Netto Markt“ genommen, der mit seinem Angebot doch viel mehr Menschen anspricht, vor allem durch Öffnungszeiten bis 21 Uhr. Der Druck ist da erst mal raus. Wie das Thema Nahversorgung weiter entwickelt muss erst zu einem späteren Zeitpunkt diskutiert werden. Da ginge es auch um eine Weiterentwicklung des Ortskerns insgesamt, der ja zurzeit durch Schule, Einzelhandel, Bäcker und Metzger, Banken und Post wie Gastronomie ganz gut da steht.

WOCHENBLATT: Wie sind die Rückmeldungen zum „Gesundheitszentrum“ für die Gemeinde, das sie kürzlich vorstellen konnten.

Benjamin Mors: Die Rückmeldungen aus der Bevölkerung sind positiv wie auch die von Interessenten. Da laufen derzeit die Gespräche mit den Investoren, die das Projekt für uns entwickeln und an die wir und ein Privateigentümer die Grundstücke verkauft haben. Wir überlegen, wie wir uns da engagieren, um für die Ärzte gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Der Plan ist, dass das Gebäude bis zum zweiten Quartal 2021 in Betrieb gehen soll. Unser aktuelles Problem war, dass wir bis vor kurzem noch drei Ärzte in der Gemeinde gab. Von den drei Ärzten haben zum 30.06. 2 aufgehört. Einer betreut nur noch Privat-Versicherte, der andere hat glücklicherweise einen Nachfolger gefunden. Dieser Nachfolger sucht nun Verstärkung durch einen Partner oder eine Partnerin. Und der hat natürlich den Standpunkt in Zukunft in einer Praxisgemeinschaft weiter zu arbeiten, was nun auch anbietet. Inwieweit hier noch mehr zum Thema Gesundheit zusammenfindet, zum Beispiel über Apotheke oder Zahnärzte, ist gerade im Gespräch.

WOCHENBLATT: Steißlingen hat nun fast 5.000 Einwohner. Wann wird die magische Grenze überschritten.

Benjamin Mors: Lange wird es nicht mehr gehen. Aktuell sind es 4.900 Einwohner und das neue Baugebiet hat 42 Bauplätze, die natürlich eher zu einem kleinen Teil durch Zuzug belegt werden. Da wird dann eher eine Innenentwicklung dazu beitragen

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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