Das beliebte Spiel mit Gutachtern und der Öffentlichkeit
Politik zum Fest: Gralshüter der Krankenhaus-Zahlen

Das Weihnachtsgeschäft ist vorüber, die Schlacht geschlagen. Ums Verkaufen geht es mir trotzdem heute. Was ist schon der Unterschied zwischen einem Verkäufer und einem Politiker? Beide wollen ihre Ware an die Frau und den Mann bringen. Entweder überzeugen sie selbst die Kunden – oder sie brauchen Helfer. Die einen bemühen den Weihnachtsmann und die anderen gerne einen Gutachter. Da stellt sich schon die Frage, wer verlässlicher ist. Das Christkind ist pünktlich, sein Termin ist im Kalender festgelegt. Und der Gutachter? Er liefert je nach Auftrag und Bezahlung. Und wenn die Chemie zwischen Auftraggeber und Lieferant nicht stimmt, wandert alles am Schluss in den Papierkorb. Oder es löst sich als großes Missverständnis in Wohlgefallen auf.

Das wird beim Gutachten zur Klinik-Holding im Kreis Konstanz nicht passieren, denn die ist längst in Verträgen einbetoniert, wenngleich der Wert der Braut plötzlich in Frage gestellt ist. Da kommt man sich vor wie im Orient: Da ist die Braut plötzlich nur noch die Hälfte wert, doch die im Gegenzug dazu gelieferten Schafe sind längst verspeist. Das Bild stimmt nicht ganz, denn bei der Klinik-Holding im Kreis geht es wahrscheinlich nicht um Lämmer und Schafe, sondern eher um Kamele, wobei offen ist, wer damit gemeint sein könnte.

Seit dem Sommer geistert die Zahl 15 durch den Kreis, denn so viele Millionen soll das Singener Krankenhaus nur noch wert sein! Das gab es zur hinter vorgehaltener Hand zu hören, denn nach GmbH-Recht sind ja alle Gremien streng geheim. Und gerade diese Geheimhaltungsverpflichtung für Aufsichtsräte und sonstige Würden-und Bürdenträger stinkt mir, denn sie dient am Ende nur dazu, den Bürger beim Entscheidungsprozess außen vor zu lassen. Und der Aufsichtsratsvorsitzende wird zum Gralshüter der Wahrheit! Das ist bei der Holding im Kreis jetzt Landrat Frank Hämmerle, doch in Singen beim HBK-Verband war es Oberbürgermeister Oliver Ehret. Doch der ist abgewählt, was die Wahrheitssuche spannend machen dürfte, denn wie Mappus in Stuttgart hatte auch der in Singen beim Abschied einen Computer und konnte Papiere schreddern. . .

In Erinnerung bleibt mir die Präsentation der pwc-Gutachter 2010 im Kreistag. Mit Akribie und enormer Eloquenz wurde die kartellrechtliche Seite der Holding ausgebreitet: Warum der Landkreis über 50 Prozent - auch ohne Geld selbst einzubringen – halten müsse; und warum Singen und Konstanz den Rest zu gleichen Teilen übernehmen müssten, ja, sich damit begnügen müssten! Da stiegen die Holding-Gegner ein, merkten wohl nicht, wie ihnen das Thema gleichsam wie im Circus den Tieren zum Fraß vorgeworfen worden war. Es ging schlicht darum, Singen zu ködern. Um andere Themen wurde es regiegetreu sann auch stiller. Wer versteht schließlich etwas von Eröffnungsbilanzen, Kosortialverträgen oder Abschreibungen, die künftige Investitionen sichern sollten? Als Journalist soll man dann auch noch schreiben, was einem in einer Pressekonferenz anschließend mundgerecht diktiert wird! Da bin ich glücklich, nach 40 Jahren an der lokalen Front im Ruhestand zu sein!

Das Grummeln im Bauch war 2001 beim ersten Krankenhausgutachten in der Ära Hämmerle auch schon da, denn beim Ergebnis zählte nur eines, dass gegen Singen und Radolfzell zusammen keine Kreislösung möglich sei. Stockach bekam einen Kreisanteil von fünf Prozent attestiert, Radolfzell das Doppelte. Nachgefragt hatte niemand, weil das politische Urteil stimmte. Konstanz knapp vor Singen, das gehörte zum Selbstbewusstsein im Oberzentrum. Und der Landrat verabschiedete sich erst einmal aus dem Klinik-Thema.

Gutachten waren zudem das Spielzeug eines anderen in der Amtszeit des Singener Oberbürgermeisters Andreas Renner. Politisches Wollen sicherte er so ab, anderes war dann für den Abfallkorb. Da gab es die große Bäderdiskussion: die Scheffelhalle abreißen und dort in Hallenbad an das Aachbad anbauen. Die planenden Gutachter gingen schon bei der Pressepräsentation baden, denn ein Sozialtarif zur Grundversorgung war in einem neuen Spaßbad nicht vorgesehen. Komplizierter war es bei der Einführung eines neuen Steuerungssystems im städtischen Haushalt. Keiner wollte zugeben, dass er das hochgestochene Theoretisieren des „Consulters“ – wie es neudeutsch heißt – nicht verstand. Ein Kommentar im Singener Wochenblatt brachte den vortragenden Gutachter aus der Fassung: „Diridari“ ( soll wohl so etwas wie Geschäftemacherei sein?) lasse er sich vorwerfen, tobte er vor dem Gemeinderat. Danach hat man von ihm hier nichts mehr gehört. Ähnlich war es mit einem früheren Stadtkämmerer, den man erst mit einem Headhunter geholt hatte. Während einer krankheitsbedingten Abwesenheit hatte man im Rathaus das Geld in den Akten gefunden, das für die tatsächliche Aachbadsanierung dann nötig war. Kurz vor Renners Wiederwahl im Jahr 2001 kochte das GVV-Thema hoch. Ich bat ihn um ein klärendes Gespräch. Und was lag da auf dem Tisch? Bereits ein GPA-Gutachten über die Projekte der GVV an der Schaffhauser Straße! So war eben Andreas Renner: sich vorausschauend frühzeitig absichern!

Eines haben Kommunalpolitiker alle gemeinsam: Für heikle Themen werden günstige Zeitpunkte ausgesucht, um sie durch einen Gemeinderat oder einen Kreistag durchzubekommen. Im Kreistag ist es dann günstig, wenn – wie in dieser Woche wieder - die Ehepartner draußen schon auf die Weihnachtsfeier warten. Oder die Bürgermeister am späten Montagnachmittag schon an ihre anschließende Gemeinderatswahl denken und früh gehen. Eine andere Strategie hatte in Singen Friedhelm Möhrle als Oberbürgermeister begründet: am Dienstag vor dem Schmotzige Dunschdig ging es vor allem zur Zeit der absoluten Mehrheit der CDU zur Sache. Einige der CDU-Räte saßen schon auf Kohlen, denn sie wollten zur „Blechlesitzung“ der Poppele-Zunft, um ihren Orden abzuholen oder um einen tollen Abend unter Freunden mitzuerleben. Oft habe ich mitgelitten, denn zur Poppele-Zunft wollte ich auch noch. Noch eines: Die Oberbürgermeister wechselten, aber der „heiße Termin“ blieb.

Fazit: Es gibt eben nicht nur Gralshüter der Wahrheit sondern auch Chefs des Terminplans. Und die Mächtigen spielen gerne mit beiden . . .

Aber jetzt spiele ich auch zur Feier des Fest mit den Zahlen: Der Kreis muss einen Forderungsverzicht erklären, weil die Werte beider Häuser nach unten korrigiert sind; und die 2,2 Millionen Abschreibungen in Singen nicht kommen. Durch den Forderungsverzicht soll eine Überschulung der Holding verhindert werden. Die Singener Geschäftsführung wird die Investitionen selbst finanzieren und hat eine Priorisierung der Instandhaltungen zugesagt. HBH ist bei der Wertermittlung um 21 Millionen Euro gesunken, die Spitalstiftung Konstanz nur um 10 Millionen Euro. Der Klinikenwert von Singen liegt jetzt bei 15,1 Millionen Euro, der sonstigen Beteiligungen bei 9,6 Millionen ( Jugendwerk et c.). Der Konsortialvertrag soll entsprechend geändert werden. Häuslers Forderung, dass Konstanz nach den gleichen Kriterien wie Singen bewertet werden soll, ist offenbar noch nicht durchgeführt. Frohes Fest!

Von Hans Paul Lichtwald

- Redaktion

Autor:

Redaktion aus Singen

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