Und plötzlich wird aus Spaß Ernst
Narren reklamieren Deutungshoheit
Der Spruch ist alt, aber er gilt: Die Fastnacht ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln! Bei allem geht es um die Deutungshoheit! Und die reklamieren die Narren für sich! Nicht alle natürlich, doch plötzlich wird aus Spaß bitterer Ernst. Zu oft stellen sich die Politiker selbst in die Bütt‘! Nicht jeder besitzt dabei die Versqualitäten eines Andreas Jung; und nicht jeder war zuvor Narrenrichter. Wenn jetzt schon ein Wolf ins Narrenhäs schlüpft?! Was kommt danach? Eigentlich halten die Narren der politischen Machtstruktur den Spiegel vor. Doch in der Realität sonnen sie sich zu oft in ihr. Oder überlassen ihr sogar gleich den ganzen Eulenspiegel! Im Volksmund heißt es, Besoffene und kleine Kinder sagen die Wahrheit! Und die Narren? Haben sie gar ihren Anspruch, Gegenwelt zu sein, im Hurra-Schritt aufgegeben?
In den letzten Tagen bin ich noch nachdenklicher geworden. Der Narr lebt eigentlich vom Florett, nicht vom Säbel. Er lebt von der sprachlichen Finesse, der Freude am Fabulieren. Er ist stark, weil er keine Macht hat und auch niemandem dazu verhelfen muss. Schwieriger wird es, wenn er es will. Dabei spielt die Deutungshoheit eine oder gar die entscheidende Rolle. Diese reklamieren andere auch für sich, unter anderem auch die Medien. Das eine ist die Herrschaft der fünften Jahreszeit, die andere die Herrschaft der vierten oder fünften Gewalt im Staat. Schwierig wird es, wenn beide einander in die Quere kommen. Wie wäre es mit einem Disput über die Schlacht bei Morgarten vor 700 Jahren? Da sind wir mitten in der Deutungshoheit drin: Schweizerkrieg oder Schwabenkrieg? Fakt ist, die Stockacher haben da ihr Recht erworben, ein grobgünstiges Narrengericht jährlich abzuhalten. Die TV-Frage an Werner Mezger dazu ist zum Ritual geworden. Ja, sie haben es und sie nehmen es sich nicht!
Schwierig wird es aber in ihrem Selbstverständnis, wenn man an ihrer Deutungshoheit kratzt!? Als ich vor drei Jahren schrieb, dass es 2015 ein großes Narrentreffen in Stockach geben werde, bekam ich Prügel! Art und Weise, wie das in die Öffentlichkeit gelangen sollte, wollte der Schriftführer selbst in der Hand behalten! Ich verwies auf die Singener Mitgliederzeitschrift „de‘ Poppele mont“, wo es aktuell aus dem Landschaftskonvent berichtet wurde. Mein Poppele-Häs hatte ich zudem auch 2001 getragen, als ich Angela Merkel nach der Narrengerichtsverhandlung interviewt hatte. Stockach und Narrengericht? Das Narrengericht ist Stockach! Die Fastnacht dort lieben gelernt hatte ich 1976. Narrenrichter Walter Schneider war ein glänzender Lehrer. Er kreierte den Begriff der „Verwaltungsreformnarren“. Diese durften jetzt wieder im Sonntagsumzug mitmarschieren – nach dem Wagenumzug.
Unter den „Verwaltungsreformnarren“ kracht es auch heute noch erheblich. Was sich liebt, das neckt sich. Und wenn nicht? Dann geht es an Fastnacht richtig zur Sache! Das haben die Seehasen im letzten Jahr mit ihren Nachbarn in Bodman gezeigt. Düsseldorf und Köln sind harmlos dagegen! Aber der närrische Hausstreit zwischen Konstanz und Singen ist ebenbürtig! Voraussetzung, man schaltet den SWR überhaupt zur Übertragung aus dem Konzil ein! Denen ist die Quote weggebrochen! Erst nimmt man den armen Kreishauptstädtlern den Bodensee-Tatort weg und jetzt verweigert das Publikum ihnen gar die Achtung! Da kommt die Heimatpostille nicht mehr aus dem Weinen heraus. Hatten früher alle aus dem Hegau die altehrwürdige Konzilsbühne rocken wollen, so meldeten jetzt nur noch drei Vereine aus der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee daran Interesse an! Das ist Majestätsbeleidigung!
Dafür ertrinken die Konstanzer im Schweizer Frankensee! Müssen sie jetzt für die Rache an Hofnarr Hans Kuony büßen? Haben wir zu oft ihnen die Deutungshoheit für ihre Zentralität strittig gemacht? Alles hängt eben zusammen: Fastnacht und Politik! Als der legendäre Karle Maurer vor der Fastnachtsbütt sein Kreistagsmandat niederlegte, stimmte er zusammenmit dem Reichenauer Ex-Bürgermeister Reisbeck das große Klagelied an: Jahrelang hätten sie nach Singen zu den Kreistagssitzungen fahren müssen. Unverantwortlich! Ich musste brav bleiben: Denn seit 1982 quäle ich mich zu den Sitzungen nach Konstanz. Ohne Fortführung der Autobahn hätte man dort kein Landratsamt bauen dürften! Doch das geht einem Wollmatinger irgendwo am Hinterteil vorbei! Dafür hatte er auch im Fernsehen seine Tuba mit Stammtischwitzen aus grauer Vorzeit! Geblieben ist das Konstanzer Feindbild – Singen! Da könne man Millionen hineinpumpen, schöner werde Singen nicht! Die nicht vorhandene Mehrheit im Konstanzer Gemeinderat gefällt sich einfach auf der Konzilsbühne! Da ist die Welt einfach wieder in Ordnung, wenn der Stockacher Moderator dem Konstanzer OB seine Reverenz erweist. Wäre Hofnarr Hans Kuony stattdessen erschienen, wäre ihm wahrscheinlich mehr eingefallen. Der hätte die Deutungshoheit für sich reklamiert. Ob er damit beim SWR durchgekommen wäre, ist allerdings zweifelhaft. Der „närrische Ohrwurm“ kommt ja auch am Sonntag aus Singen und nicht mehr aus Stockach. Und den Bodensee-Tatort darf man für Stockach auch nicht reklamieren, denn hier ist seit der Schlacht bei Morgarten die Welt absolut in Ordnung. Und Kriminelle? Für die ist Singen im Zweifelsfall zuständig! Für Streiche und Schabernack steht der Poppele. Daran machen sich Hans Kuonys Nachfahren nicht die Handschuhe schmutzig!
Von Hans Paul Lichtwald
- Redaktion
Autor:Redaktion aus Singen |
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