Galeria Karstadt Singen und Konstanz bleiben offen
Trotz Rettung bleibt die Zukunftsfrage fürs »Warenhaus«

Galeria Karstadt in Singen ist vorerst gerettet. Das sich das Warenhaus für seine Zukunft neu aufstellen muss, ist trotzdem angesagt. | Foto: Amrit Raj
  • Galeria Karstadt in Singen ist vorerst gerettet. Das sich das Warenhaus für seine Zukunft neu aufstellen muss, ist trotzdem angesagt.
  • Foto: Amrit Raj
  • hochgeladen von Oliver Fiedler

Singen/Kreis Konstanz. Schon seit Monaten wurde bei den Belegschaften von Galeria Karstadt um die Filialen und Arbeitsplätze gezittert. Aus der angekündigten Veröffentlichung der »Todeslisten« mit den im neuerlichen Insolvenzverfahren befindlichen Warenhauskonzern im Januar wurde nun der 13. März. Die gute Nachricht für die Region nach viel Schwarzmalerei: Die Filialen Singen und Konstanz werden nicht geschlossen. Aber die ganze Nachricht ist ein Debakel für viele Innenstädte: 52 der 129 Filialen in Deutschland werden entweder bereits zur Jahresmitte oder auf den kommenden Jahreswechsel geschlossen, kündigte Galeria Karstadt am Montagnachmittag an. Und: nach Gewerkschaftsangaben werden 5.000 Jobs gestrichen, und das werde wohl auch die beiden Filialen hier in der Region treffen.

Die Reaktionen aus der Stadt und Wirtschaft sprechen viel von Erleichterung: »Wir sind als Stadt Singen natürlich hocherfreut und erleichtert, dass der Standort Singen weiter Bestand haben wird. Wir freuen uns als Einkaufsstadt, aber vor allem freuen wir uns für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass die Arbeitsplätze bei Karstadt in Singen erhalten bleiben. Die lange Zeit der Ungewissheit hat an den Nerven der Belegschaft gezehrt. Umso wichtiger ist es, dass Karstadt in Singen eine Zukunftsperspektive hat«, schreibt Singens OB Bernd Häusler auf Anfrage des WOCHENBLATTs.

»Durch die zentrale Lage des Karstadt-Gebäudes am Eingang zu unserer Innenstadt, wäre der Verlust dieses Kaufhauses für unsere Stadt ein schwerer Schlag gewesen. Karstadt ist seit 49 Jahren mit der Geschichte unserer Einkaufsstadt verbunden. Auch dank Karstadt konnte sich Singen in den letzten Jahrzehnten zu der Einkaufsstadt in der Region entwickeln. Wir freuen uns, dass Karstadt auch weiterhin ein wichtiger Teil unserer Stadt bleibt.«
Die Versuche, zu Ansprechpartnern in der Singener Filiale durchzukommen, schlugen fehl, nur über Markus Klemt, der im Ver.di-Bezirk Südbaden-Schwarzwald für den Einzelhandel zuständig ist, war am Montag an Informationen heranzukommen: Beide Filialen hätten schwarze Zahlen geschrieben, sieht Klemt als großes Argument für in Singen und Konstanz, die logistisch aber auch nur als Paar funktionieren könnten, weil die nächsten Filialen doch weiter weg sind.
Doch mit dem Erhalt der Filialen sind für den Gewerkschafter die Herausforderungen noch längst nicht bewältigt: Für den Erhalt der Standorte hätten die Mitarbeitenden – für Singen werden noch 100 Mitarbeitende angegeben – in den letzten Jahren auf rund zehn Prozent ihres Gehalts verzichtet, das sei freilich auch ein Faktor für die Rente und das müsse sich eigentlich jetzt mal wieder ändern. Ein Signal dafür sei für ihn gewesen, dass nach der letzten Rettung von 2020 doch einige MitarbeiterInnen in die Schweiz gewechselt seien.

Gläubiger

Und in diese Richtung zielt auch das Statement von Claudia Kessler-Franzen und Wilfried Trah vom Standortmarketing »Singen aktiv«: »Wir sind froh, dass die bangen Stunden, insbesondere der MitarbeiterInnen hier in Singen und in unserer Region, ein positives Ende gefunden haben. Dies gilt leider nicht für alle Standorte in Deutschland. Mit dieser Entscheidung wünschen wir uns eine Zukunftsentwicklung, die nachhaltig wirkt. Wir erhoffen uns, dass das Karstadt-Management nun mit Mut, Investitionen in den Standort, Schärfung des Konzeptes und den engagierten MitarbeiterInnen einen erfolgreichen Weg einschlagen wird. Wir hoffen, dass die Gläubigerversammlung am 27. März 2023 und danach das Amtsgericht Essen dem Insolvenzplan so zustimmen werden. Danbar sind wir, mit Frank Mattes einen kooperationsbereiten Karstadt-Vermieter hier in Singen zu haben«, schreiben die beiden.
Dirk Oehle, Vorsitzender der iG Singen Süd, kommt auch schon auf den Punkt: »Ein großes Hurra für den Standort Singen und vor allem für die Beschäftigten. Ich würde mir wünschen, dass die Bevölkerung den stationären Handel in Zukunft noch mehr unterstützen würde und ihre Einkäufe nicht online, sondern mehr vor Ort erledigt. Nur so können wir dafür sorgen, dass Häuser wie Karstadt in Singen langfristig erhalten bleiben. Es wäre nicht auszudenken, welche Lücke entstanden wäre, wenn das Haus geschlossen hätte«, schreibt er dem WOCHENBLATT.


Das Ohr an der Region

Die Frage nach der Zukunft des Kauf- oder Warenhauses wird immer wieder in den Raum gestellt. Hermann Kratt aus Radolfzell, der für das  »Kaufhaus Kratt« am Münsterplatz als Familienunternehmen dort steht, hat seine Ausbildung zum Kaufmann übrigens einst im Singener Karstadt-Haus gemacht, unter dem ersten Geschäftsführer Helmut F. Wessendorf. »Schon damals war spürbar, dass die Konzernzentrale in Essen weit weg war von den Kunden. Das haben wir anders gemacht in unserem Kaufhaus, in dem wir auf regionalen Bedarf gesetzt haben, wie möglichst regionale Anbieter und mit dem Ohr am Kunden«, sagt Kratt, der mit seinen Mitarbeitern das Kaufhaus auch passabel durch die Coronazeiten gesteuert hatte. Das müsste man bei Galeria Karstadt einfach noch lernen, um eine stabilere Zukunft aufzubauen, sagte Kratt auf Nachfrage des WOCHENBLATTs.

Filiale und Online-Portal

Nochmal zurück zur Gewerkschaft: Befürchtungen, dass Warenhäuser wie Galeria Karstadt überhaupt nicht mehr zukunftsfähig sind, hat Markus Klemt von Ver.di indes nicht. Vorausgesetzt, dass sich das Unternehmen weiterentwickelt. »Ich sehe in einem Warenhaus mit einem vernünftigen Konzept mit Schnittstelle zum Internethandel Potenzial«, sagt er auf Anfrage des WOCHENBLATTs. Konkret heißt das, dass für Kunden die Möglichkeit bestehen muss, online einkaufen zu können, um die Ware entweder vor Ort, beispielsweise im Geschäft in Singen, abzuholen oder sich direkt nach Hause liefern zu lassen. Hier habe Galeria Verbesserungsbedarf. Er prangerte zudem Fehler der Geschäftsleitung in der Vergangenheit an, etwa dass der Multimediabereich, der junge Kunden anspreche, abgeschafft worden ist.

Alleine steht Galeria Karstadt mit den finanziellen Problemen nicht dar, betonte Klemt. Alle hätten aufgrund von Corona Nachholbedarf, was die Einnahmen angehe, meinte er. Eine Ausnahme seien Lebensmittelmärkte, die eher profitiert hätten. Steigende Kosten bei Lebensmitteln und Energie in Folge des Ukraine-Kriegs sorgen zudem dafür, dass weniger »Non-food-Ware« – also Ware, die keine Nahrungsmittel sind – gekauft werde.

Die Innenstädte der ganzen Region sind nicht erst seit Corona im immer schnelleren Wandel – in der Konkurrenz zum Onlinehandel. Die Szene der Sportgeschäfte ist dafür ein prägnantes Beispiel: Auch dort ist Kundennähe ein immer wieder genannter Faktor und wird auch mit Karstadt in Verbindung gebracht: denn der Konzern war der erste Anbieter, der seine Sportabteilungen aus dem Markt nehmen musste, weil das Sortiment eben überall gleich gewesen sei. Selbst im Lago in Konstanz wurde das Karstadt-Sporthaus durch »Sport Scheck« übernommen. In Radolfzell hatte »Höllsport« im Februar geschlossen und will nur noch online auf dem Markt bleiben, in Singen macht an diesem Wochenende »Intersport Schweizer« dicht, aus persönlichen Gründen von Otto Schweizer. Sport Müller konzentriert seine Aktivitäten inzwischen auf Singen und machte die Gründungsfiliale Schwenningen dicht, zugunsten eines Outlets am neuen Zentralstandort. Stockach kann hier auch auf Mittelstand setzen, mit seinem »Sport Martin«.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

9 folgen diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.