Familienunternehmen Der Sport Müller
Teamspirit für sportlichen Kundenservice
WIE EIN KULT-SPORTHAUS ANTWORTEN AUF DIE KOMPLEXITÄT DES HANDELS FINDET
Nach dem Gespräch führt Alexander Kupprion, Geschäftsführer und Gesellschafter, durch das Geschäft in der Singener Innenstadt. 3.000 Quadratmeter Sport, vor allem Outdoor und Running, Fitness- und Trainingsmode, mittlerweile das ganze Jahr Ski und auf alleine 600 Quadratmetern die größte Bademodenauswahl im weiten Umkreis. Aber vor allem geht es heute darum, wie der Handel auf die Komplexität dieser Zeit eingeht.
Alexander Kupprion erlebt derzeit Hochs und Tiefs. Beispiel Corona: Das Internetgeschäft boomte, Kupprion änderte im Lockdown schnell den Fokus aufs Onlinegeschäft, um das Überleben von Sport Müller zu sichern, und hatte Erfolg. Weil der Onlineshop bereits aufgebaut war und weil er sich mit seinem Team intensiv mit Preisstrategien und Performance Marketing beschäftigte, weil viele fleißige Hände alle Produkte erfasst haben. Bis zu 500 Bestellungen am Tag waren der Lohn. Viel mitten im Lockdown. Corona war vorbei und der Boom ebbte ab. Heute sind es noch 150 Bestellungen, wenn es richtig gut läuft. Hätte Kupprion alles auf das tolle neue Geschäft im Internet umgestellt, wäre es ruinös geworden. An der Coronaonlineblase haben sich einige verschluckt. Alexander Kupprion zeigt im Laden abwechselnd, wie die Ware präsentiert wird und was dahinter ist: Vorne die Schuhe, jeder einzeln in einer Größe mit viel Platz, großzügig an einer Wand. Warenpräsentation im Handel erzeugt Lust oder Unlust, Lust oder Unlust entscheidet über den Erfolg. Direkt dahinter: Alle Größen, sodass die Sport-Beraterinnen und Berater schnell Zugriff haben. Ein zentrales Zwischenlager samt Papier-presse. Das Outlet: Neu und ab Start in einer Stadt wie Singen gut angenommen.
VERTRAUEN
Alexander Kupprion und Sport-Müller-Gründer Jürgen Müller sind ein gutes Stück Weg zusammen gegangen. Aus Zusammenarbeit ist Vertrauen entstanden, Kupprion bekam immer mehr Verantwortung und jetzt ist er Geschäftsführender Gesellschafter. Die Geschichte wiederholt sich: Jürgen Müller hat einst als junger Einzelhandelskaufmann in Villingen angefangen, von seinem Chef die Filialleitung in Schwenningen übertragen bekommen und bekam dann die Chance, das Geschäft in Villingen zu übernehmen. Daraus wurde Sport Müller, der in der Branche mehr war und ist als einer von vielen. Maximal sechs Geschäfte hatte Müller gleichzeitig. Alexander Kupprion hat sich mittlerweile auf Singen konzentriert. Warum nur noch ein Standort? Um der Komplexität und vor allem der anspruchsvollen Kundenorientierung heute gerecht zu werden: Die Führung eines engagierten Teams in einer komplexen Branche, das ganz nah am Kunden sein will, lässt sich nur schwer mit mehreren Standorten realisieren. „Da fährt man nur durch die Gegend und ist kaum da, schon wieder weg“, sagt Kupprion und kann jetzt mit einem kleinen eingespielten Team schnell auf den Kunden eingehen, ist nah dran. So geht Teamsport. „Man sieht sich jeden Tag. Familienunternehmen eben.“ Das sei die Chance heute. Der Kunde warte darauf, dass drei Punkte erfüllt werden, da sind sich Müller und Kupprion einig:
1. DIENSTLEISTUNG
Ein 3-D-Scanner für Füße und Unterschenkel für Skischuhe. Druckpunktanalyse mit biomechanischem Übungsprogramm für Laufschuhe und Wanderschuhe. Massanpassung für Skischuhe und Fußballschuhe. Das alles ist Sport Müller und zwar weit vor vielen anderen in der Branche. Und zur Technik, sagt Müller, brauche es für eine gute Dienstleistung weitaus mehr: Socken und Sohlen müssen passen, weil sonst passt der beste Schuh nicht. Alexander Kupprion erzählt von der Passformgarantie, die daraus heute geworden ist: Wenn der Schuh nicht passt, dann kann der getragene Schuh umgetauscht werden. Für die Skihardware gibt es eine Performance-Garantie. Es geht um nicht weniger als um glückliche Kunden, um Zufriedenheit für die, die das kaufen.
2. SORTIMENT
Was Sortimente anbelangt, so hat sich im Sporthandel, und vor allem für einen so innovativen und nach vorne drängenden Händler wie Sport Müller etwas grundsätzliches geändert. In der Welt von Fire and Ice (Bogner), als später Snowboards und Inlineskater aufkamen, hatte Sport Müller Sortimente einkaufen können, die es so weit und breit nirgends mehr gab. Dann kam das Internet. Es gab alles überall. Und die Hersteller versuchen selbst direkt zu verkaufen. Was bleibt für den stationären Einzelhandel? Dem Kunden das Sortiment zu bieten, das er braucht. Und das, sagten Müller und Kupprion, sei nur dann möglich, wenn man einen angeschlossenen professionellen Onlineshop habe. Weil der sichert dem Händler, dass er ausreichend Sortimentstiefe und -breite anbieten kann, eben auch im stationären Geschäft. Vorteil des Einzelhändlers gegenüber den Herstellern: Das Angebot gibt es über mehrere Marken hinweg.
3. BEGEISTERUNG
Wir leben in einer individualisierten Gesellschaft. Wo es früher möglich war, mit gut gesetzten Kultevents hunderte von Menschen zu begeistern, sogar als regionale Handelsgröße, hat heute jede und jeder seine eigenen Ansprüche und die meisten sind gleich in mehreren Sportarten unterwegs: Wandern, Golf spielen, ein bisschen klettern, radeln und manchmal kicken. Die Emotion, um die es heute geht, ist laut Müller: Der Kunde muss zufrieden sein mit dem Kauf und den Kauf (vor allem die Dienstleistung) als individuelles Erlebnis wahrnehmen. Zur Skischuhanpassung gibt es Kaffee, Wasser oder Bier. Der gute Verkäufer, die gute Verkäuferin berät so, dass die Kunden das gute Gefühl haben, das richtige ausgesucht zu haben und persönlich betreut zu sein. Das kann das Internet so nicht. Dabei sei der Service keine Alibiveranstaltung fürs Marketing, sondern: „Der Service wird gelebt“. „Die Kunden“, so Kupprion, „sollen alle erleben, was Passform und Performance von Sport Müller heisst.“ Dafür hat er zusammen mit einem Softwarespezialist ein System geschaffen, mit dem er und das Team zu jeder Zeit sehen können, wieviel Prozent der Kunden die ganze Beratungswelt bekommen, wieviele Kunden die Passformgarantie bekommen haben. „Und jede Woche reden wir im Team darüber“. Und nicht nur das: Die Passformgarantie ist auch für den Kunden digitalisiert. Das, so Alexander Kupprion, sei Digitalisierung im Handel, nicht (nur) ein paar Bildschirme im Laden, auf dem Werbefilme laufen.
SPORTTEAM
Was braucht man, um Einzelhandel so in die Zukunft zu führen? Mitarbeitende, die für die Kundinnen und Kunden da sein wollen, die die Dienstleistung leben wollen. Das, so Müller, sei die Herausforderung dieser Zeit. Und Alexander Kupprion sagt, dass hier der familiäre Führungsstil, die Nähe, die richtige Antwort sei. „Wenn man sich täglich sieht und miteinander arbeitet, dann stimmt der Spirit.“ Es gibt noch eine andere Herausforderung: Dem Handel muss es gelingen, den Kunden klar zu machen, was der Unterschied zwischen Internet und Ladengeschäft wirklich ist. Alexander Kupprion und Jürgen Müller sagen dazu fast das gleiche: Der Kunde könne schon Internetpreise haben, wenn er den Schuh selbst aussuche, nicht anprobiere, keinen Berater brauche, mit dem Schuh an die Kasse laufe und wenn er daheim nicht passe, wieder zurückkomme und ihn dann umtausche – ohne Betreuung. Aber wenn engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich fortbilden, sich auskennen, die gut zuhören, beraten, betreuen, anpassen und Sport-Müller-Garantien geben, dann muss die Dienstleistung sich im Preis abbilden. Weil sonst stimmt die Rechnung für niemand mehr.
Wenn das nicht gelingt zu vermitteln, langfristig auch für den Kunden nicht mehr. Weil dann wird es stationären Handel mit markenübergreifender Auswahl irgendwann nicht mehr geben. Inhabergeführter Textileinzelhandel ist eine unheimliche Gratwanderung. Und es werden die Kunden entscheiden, ob es ihn in den Städten künftig noch geben wird. Und vielleicht ist dazu auch nur in der Lage, wer selbst die eine oder andere Legende geschrieben hat und wer Chancenblick mit Umsetzungskraft kombiniert bekommt.
EIN BISSCHEN KULT…
Jürgen Müller erzählt von den Skitests in Sölden, die er ins Leben gerufen hat. Mit 25 Skifans ging es 1978 nach Obergurgl. Die Sport-Müller-Skievents erlebten ihre Blüte dann in den frühen 90ern: 240 Mitreisende, Fünfsternehotel in Sölden, die Skitester konnten gleich noch Porsches im winterlichen Ötztal testen. Dieter Thomas Kuhn, Eisi Gulp und die Marmelades traten zum Apres Ski auf. Großes Kino war das. In dieser Hoch-Zeit war Sport Müller auch engagierter Modehändler und die Kundschaft kam von Stuttgart, Freiburg und von noch weiter her. Müller setzte dem Mode-Formalismus etwas entgegen, das ankam. Er war Trendsetter in der Branche, schaffte einen eigenen Katalog. Eine eigene Marke namens Fever. Müller kaufte mit anderen Sporthändlern zusammen Produktionskapazitäten. Bis zu 6.000 Snowboards wurden mit dem Label Fever produziert pro Saison. Marktanteil damit in Deutschland: Zehn Prozent. Die Szene war schräg und Müller wusste die Marke auf die Zielgruppe einzustellen: In den Katalogen Comics, die schon mal halbe Bürgerinitiativen auf den Plan riefen, es gab in den Shops Lutscher mit Maden und Red Bull. Wild. Und erfolgreich. Dabei stand die Familie immer hinter und oft auch neben ihm, seine Frau Mona und Katja, seine Tochter, die heute noch mitarbeitet im Betrieb. „Da hatte ich Glück“, sagt Müller und weiß, dass das heute keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Alexander Kupprion arbeitet damals bei Sport Müller, mit 15 schon als Ferienjobbler, später als Verkäufer mit immer mehr Verantwortung, fuhr in seinen 20ern auf dem Fever-Snowboard in die Weltspitze und war 2006 bei Olympia, war vom Wintersport, vom Sport an sich und von Sport Müller fasziniert.
„WILLST DU MIT EINSTEIGEN?“
2012 kam der Anruf von Jürgen Müller: Willst Du mit einsteigen? Kupprion wollte. Heute sagt er: Genau das, was damals Sport Müller groß und außergewöhnlich machte, wollen wir jetzt auch wieder hinbekommen. Nur - die Zeiten haben sich geändert – eben anders. Statt um Marken geht es jetzt um Service, Community und um die richtigen Sortimente. Und auch darum, stationären Handel betriebswirtschaftlich auf die schwierigen Zeiten einzustellen, um Kraft zu gewinnen. Systeme zu schaffen, um Kundenservice wirklich zu garantieren und dafür Mitarbeitende zu haben, die da mitziehen wollen.
SPORT MÜLLER - DREI FAKTEN
FAKT 1
Mit Fever gelang es Sport Müller mit anderen Sporthändlern im Schlepptau nicht nur im
Spitzensport (Alexander Kupprion fuhr Fever) anzukommen, sondern für damals 199 Mark ein Komplettset mit Board, Schuhen und Bindung anzubieten, ein absolutes Novum der Branche.
FAKT 2
Handel ist Wandel und den Wandel muss man erkennen. Alexander Kupprion hat mit Corona „alles auf online“ umgestellt und danach schnell gemerkt, dass er jetzt stationär und online neu verbinden muss. Jürgen Müller erzählt, dass er sofort nach Michaels Schuhmachers Skiunfall Skihelme einkaufen ließ.
FAKT 3
Events sind wichtig. Heute veranstaltet Sport Müller einmal im Monat Lauftests wie den Vulkanlauf auf den Hohentwiel. Laufen ist der Langzeit-Trend neben dem Radfahren. Und den Skitest in Sölden gibt es auch nach wie vor im November, wenn auch eine Nummer kleiner als in den 90ern.
Besuchen Sie uns in der Scheffelstraße 17 in 78224 Singen oder im Internet auf www.sport-mueller.de
Text: Anatol Hennig
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Autor:Anatol Hennig aus Singen |
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