Friedliche Syrische Kundgebung in Singen
Noch zwischen Hoffen und Bangen

Heba Almohamad Alfadel bei ihrer Rede auf der Syrischen Kundgebung in der Singener Fussgängerzone. Links in der orangen Ordnerweste der verantwortliche Organisator Mohammad Al-Halabi. | Foto: Bernhard Grunewald
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  • Heba Almohamad Alfadel bei ihrer Rede auf der Syrischen Kundgebung in der Singener Fussgängerzone. Links in der orangen Ordnerweste der verantwortliche Organisator Mohammad Al-Halabi.
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Singen. Am Sonntagnachmittag, 15. Dezember, trafen sich bei Kälte und hereinsinkender Dunkelheit erneut gut 200 Menschen aus Syrien zu einer ordentlich angemeldeten und mit Auflagen des städtischen Ordnungsamtes genehmigten Kundgebung in der Singener Fußgängerzone, um ihren momentan hoffnungsvollen Gedanken und Gefühlen friedlich Ausdruck zu verleihen.

Ihr Leben hat sich über Nacht verändert, nachdem das Assad-Regime von aufständischen islamischen Rebellen unter politischer Führung von Mohammed al-Julani förmlich überrannt und zum Einsturz gebracht worden war. In Syrien kommt es immer wieder zu Freudenkundgebungen, aber auch überall dort, wohin 5 Millionen Syrer vor der eigenen Regierung seit 2011 hatten fliehen müssen.

Auch in Singen sind nun zahlreiche Fahnen aus jener Zeit zu sehen, als das junge Syrien einst unabhängig wurde: „Grün für die Hoffnung, rote Sterne für das Blut unserer Getöteten, schwarz für unsere Vergangenheit und weiß für unsere Zukunft“, so ein Teilnehmer am Rande der Kundgebung, über der auch deutsche Fahnen und die Europaflagge geschwenkt wurden.

„Hier sind heute Christen und Muslime versammelt, in Frieden“, sagt er stolz. In vielen Gesichtern spiegelte sich Freude und Erleichterung über das Ende der 24 Jahre währenden Schreckensherrschaft von Bashar al-Asad wider, der 13 Jahre lang Bürgerkrieg gegen das eigene Volk führte.

„Ich habe meinen Bruder nie mehr gesehen, er wurde abgeholt und ins Gefängnis gesteckt, als die Aufstände 2011 begannen“ berichtet Arjeeh Khan, die aus der mittlerweile von Asad‘s Truppen weitgehend zerstörten Stadt Homs stammt. Sie wohnt seit Jahren mit ihrem Man hier in Singen, arbeitet bei der AWO und spricht sehr gut Deutsch, wie auch ihre vier schulpflichtigen Kinder. „Gestern haben wir erfahren, dass er tot ist. Sein Name stand auf der Liste. Keiner der Jungen in Homs ist jemals wieder zurückgekommen.“

Und so begann die von Mohammad Al-Halabi mit seiner Schwester Alaa organisierte Kundgebung zunächst mit einer Schweigeminute im Gedenken an die zahllosen Regime-Opfer. Viele Familien hoffen, nun endlich etwas über das Schicksal ihrer langjährig vermissten Angehörigen zu erfahren.

Ungewissheit herrscht bislang auch über die Zukunft im Heimatland, doch sie ist verbunden mit der tiefen Hoffnung auf Frieden und Versöhnung. So gab es gestern leidenschaftliche Wechselgesänge, Sprechchöre, Tanz und Musik als Zeichen des gemeinsamen Willens, ein neues Syrien aufzubauen. In allen Redebeiträgen wurde aber auch große Dankbarkeit gegenüber Deutschland deutlich:

„Wir danken der Regierung und dem Volk, dass sie uns aufgenommen und unterstützt haben“, so Khaled Badawi aus Syrien, der auf Deutsch sprach und mittlerweile dem Konstanzer Gemeinderat angehört. „Es ist eine Freude für uns Syrer, aber auch für die Welt; wir haben gegen Diktatur und Tyrannei niemals aufgehört und trauern um die, die nicht mehr unter uns sind“.

Heba Almohamad Alfadel, deren Eltern in Konstanz leben, lobte ebenfalls die Haltung und Hilfestellung Deutschlands für ihr Volk: „Wir werden diese großzügige und ehrenhafte Geste nie vergessen“, so die junge Wirtschaftwissenschafts-Studentin ebenfalls auf Deutsch. Sie berichtete von einer jungen Frau, die im Foltergefängnis drei Kinder zur Welt bringen mußte, ohne zu wissen, wer die Väter sind.

Ihr eigener Vater, Khaled Al-Alshikha, der als einstiger General bereits 2013 mit dem Asad-Regime brach, die syrische Armee und das Heimatland verließ, hofft nun mit seiner Tochter und seiner Ehefau Rim Alnaser Alshildi auf ein Ende „des Tötens, der Morde und der Unterdrückung - es ist nun besser für Syrien“.Arjeeh Khan trauert um ihren Bruder, der kurz nach dem Aufstand gegen das Regime von Bashar al-Asad 2011 in dessen Kerkern verschwand - vorgestern stand sein Name nun auf der Liste der Ermordeten. Arjeeh Khan trauert um ihren Bruder, der kurz nach dem Aufstand gegen das Regime von Bashar al-Asad 2011 in dessen Kerkern verschwand - vorgestern stand sein Name nun auf der Liste der Ermordeten.

Autor:

Bernhard Grunewald aus Singen

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