Für die Fastnacht wird es immer enger
Narren brauchen Häs und feinen Zwirn
Singen/ Hegau. Ab Donnerstag ist sie wieder, die "tolle" Zeit der Fasnet, in der die Narren regieren. Freilich wird diese Zeit der Freiheiten immer mehr eingeschränkt und der Staat gibt hier keinen Mikrometer seiner Gewalt ab. Auch das "immaterielle Kulturerbe", das als solches geschützt werden soll, muss sich durchaus um seine Kultur sorgen.
Denn es stellt sich inzwischen aufgrund von Kriegen und Katastrophen jedes Jahr immer wieder die Frage, wie man da noch Fastnacht feiern könne. "Gerade deshalb", ist die Antwort, die es darauf immer wieder gibt. Über die Macht der Narren über die Politik und die Macht der Politik über die Narren, und wie wichtig es ist, die Fastnacht als Brauchtum zu haben, sprach der Präsident der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee, Rainer Hespeler in diesen Tagen mit WOCHENBLATT-Chefredakteur Oliver Fiedler, natürlich von Narr zu Narr.
WOCHENBLATT: Zum Schmotzigen Donnerstag übernehmen ja die Narren zumindest die Schlüsselgewalt in den Rathäusern. Ihre Chefs ganz oben in Berlin bleiben aber leider stets im Amt. Wäre es nicht längst an der Zeit, da oben auch mal das närrische Regiment einzuführen? Und was würde ein Rainer Hespeler verändern, wenn der dort mal diese Woche die Schlüssel in der Tasche hätte?
Rainer Hespeler: Natürlich könnte man in Berlin auch mal das närrische Regiment übernehmen. Aber das ist ja gar nicht nötig. Närrischer, als es dort eh schon zugeht, könnten wir Narren das auch nicht machen. Nehmen wir beispielsweise die momentan grad stattfindenden Umzüge der Bauern. Die hätten wir Narren nie und nimmer besser initiieren können. Oder die Bezahlkarte für Asylbewerber: So etwas gab's beim Narrentag in Gottmadingen im Festzelt auch. Das ist doch klasse, wenn man in der Bar nicht mehr bar bezahlen muss. Von denen können wir Narren sogar noch etwas lernen.
WOCHENBLATT: Mit der Politik haben die Narren die letzten Jahre heftig gefochten, um sich aus den Ketten der Bürokratie für die Genehmigung ihrer Brauchtumsveranstaltungen wenigstens ein bisschen befreien zu können. Versteht man in Stuttgart nun endlich, was die Fastnacht hier im Hegau und am See eigentlich ausmacht?
Rainer Hespeler: Es geht da ja nicht nur um die Fastnacht im Hegau und am See. Als Arbeitsgemeinschaft südwestdeutscher Narrenverbände vertreten wir die Interessen von über 700 Narrenzünften in ganz Baden-Württemberg. Und das ist auch nötig, denn die überbordende Bürokratie mit permanent steigenden Auflagen bricht uns veranstaltenden Zünften das Genick. Wenn eine Gerstensackzunft aus Gottmadingen bereits vor dem großen Narrentag Fixkosten von 130.000 Euro stemmen musste, dann fragt man sich schon, welche dörfliche Zunft sich so etwas noch leisten kann und will.
Oder ein anderes Beispiel: Die Dettinger Moorschratzunft hat im vergangenen Jahr das Seenarrentreffen ausgerichtet. Ein kleineres Treffen mit 39 kleineren Zünften und Gruppen. Sie haben zur Auflage bekommen, alle Zufahrtsstraßen in dem kleinen Ort Dettingen mit TÜV-abgenommenen Betonpollern abzusichern. Kosten alleine für die Betonpoller rund 10.000 Euro.
Anderes Beispiel Radolfzell: Hier hat man im vergangenen Jahr den Leitfaden für Großveranstaltungen überarbeitet. Er beinhaltet jetzt 80 Punkte und soll für alle Veranstaltungen in Radolfzell Anwendung finden. Egal ob wir über das Hausherrenfest mit tausenden von Besuchern oder über den Damenkaffee in Möggingen mit 50 Besuchern reden. Es hat jetzt ein Gespräch mit der Radolfzeller Stadtverwaltung stattgefunden und wir hoffen, dass wir gemeinsam auf einem guten Weg sind. Aber solche Dinge verursachen neben Kosten und Aufwand vor allem Ärger, Unverständnis und Frust bei den ehrenamtlich Engagierten. Wir machen durch solche Aktionen unsere Kultur systematisch kaputt. Und das betrifft ja nicht nur die Fastnacht.
Auch wir wollen, dass sich unsere Gäste bei unseren Veranstaltungen sicher fühlen. Aber wir stellen auch fest, dass viele Genehmigungsbehörden seit Duisburg 2010 und Breitscheidplatz 2016 jegliches Augenmaß verloren haben. Trotzdem gibt es Gott sei Dank auch viele positive Beispiele. Und hier meine ich die vielen kleineren Gemeindeverwaltungen, die gerade bei kleineren Veranstaltungen nach wie vor mit Maß und Ziel vorgehen.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Manuel Hagel, hat bei der Kundgebung am Schätzelemarkt im Oktober vergangen Jahres einen Satz gesagt, den ich zu einhundert Prozent teile: "Wir müssen endlich lernen, dass das Leben halt auch ein Risiko ist. Und ein Leben ohne Risiko ist ein Leben ohne Freiheit."
WOCHENBLATT: Die Zeiten sind ja unruhig geworden und derzeit gehen ja neben den Narren auch viele andere Menschen gerade auf die Straßen. Ist das Konkurrenz für Euch oder fühlt ihr mit den Menschen mit, die hier laut werden?
Rainer Hespeler: Das ist alles andere als Konkurrenz. Und der Grund, weshalb diese Menschen auf die Straße gehen, ist wesentlich wichtiger als unsere Narretei. Ich habe vollstes Verständnis für die Bauern. Sie bilden die Grundlage für unsere gesunde Ernährung mit heimischen Produkten und gehören unterstützt. Zumal sie es im EU-Vergleich schon aus Klimagesichtspunkten schwerer haben als ihre Kollegen in den südlichen Ländern. Außerdem brauchen wir an Fastnacht ja auch wieder unsere Würste für die Kinder. Und die wollen wir nicht importieren.
Und dass die Menschen aufstehen für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und für unsere Demokratie hätte ich mir schon viel früher gewünscht und macht Mut. Da gehören wir Narren doch eher zur Spaßfraktion. Die ist aber auch wichtig. Sie bildet ein Stück weit den Kitt, der unsere Bevölkerung zusammenhält.
WOCHENBLATT: Die Corona-Krise scheint vorbei, die Narretei wieder zumindest von diesen Einschränkungen befreit. Was macht diese Fastnacht 2024 so besonders?
Rainer Hespeler: Jede Fastnacht ist besonders. Weil jede Fastnacht ihre besondere Herausforderung für die Zünfte hat und weil jede Fastnacht wieder neue, aktuelle Themen aufgreift, pointiert und persifliert. Während der Corona-Zeit bestand die Herausforderung in der Frage, wie bringe ich trotz Kontaktverboten fastnächtliche Stimmung in die Wohnzimmer und zu den Menschen. Es war die Geburtsstunde der virtuellen Veranstaltungen. Das wurde von den Zünften teilweise hervorragend umgesetzt. Heute freuen wir uns, dass endlich auch wieder große Narrentreffen stattfinden können. Was aber alle Fastnachten gemeinsam haben, ist immer wieder die enorme Kreativität und das Gehirnschmalz, mit denen die Dinge umgesetzt werden.
WOCHENBLATT: Und wann werden wir regionale Fastnacht endlich im Museum 4.0 in Langenstein erleben können?
Rainer Hespeler: Das Fastnachtsmuseum Schloss Langenstein steht nicht nur für regionale Fastnacht, sondern wir zeigen auch Fastnachtsbräuche aus der ganzen Welt. Durch die Entwicklung von digitalen Präsentationsstrategien im Rahmen des vom Bund geförderten Projekts Museum 4.0 werden wir eines der modernsten Museen Deutschlands bekommen. Wir halten aber auch an der klassischen Ausstellung fest, denn ein Museum muss auch begeistern, wenn der Strom ausfällt. Wir hoffen nach aktuellem Stand, dass wir den Neubau selbst bis im Sommer fertigstellen können. Dann folgt die Einrichtung und Gestaltung. Das wird uns sicherlich bis in den Spätherbst beschäftigen. Nach einer Probephase ist die offizielle Eröffnung dann für das Frühjahr 2025 geplant.
Jetzt brauchen wir nur noch ein bisschen Geld. Vielleicht hat nach der Fastnacht ja jemand noch ein bisschen was übrig.
WOCHENBLATT: Vielen Dank für dieses Gespräch mit Häs und feinem Zwirn.
Rainer Hespeler: Und jetzt natürlich noch ein dreifach kräftiges "Narri Narro; Narro Narro; Narri Narro" und "Hoorig".
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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