Höri-Maler und ein Blick ins Weltall ab Sonntag in Singen
Künstlerisches Sommerquartett im Kunstmuseum
Singen. Mit „Exil am Bodensee. Die Künstler der Höri.“ und „Hier und Jetzt. Neue Kunst vom See.“ zeigt das Kunstmuseum Singen ab Sonntag zwei Ausstellungen, die mit Werken aus der eigenen Sammlung die Sonderstellung des Hauses im Bodenseeraum verdeutlichen. Die Sammlung ist der Region verpflichtet, versammelt aber nur deren beste Künstler.
Flankiert werden diese Ausstellungen mit zwei Sonderschauen: „Das Dunkel zwischen den Sternen spreizt seine Flügel“, mit der Florian Schwarz, einer der renommiertesten Fotografen aus dem Bodensee-raum, einen Teil des Kunstmuseums bespielt, sowie „Daniel Gallmann. langZeit.“ im Foyer des Kunstmuseums Singen.
Während der Sommermonate bietet das Kunstmuseum Singen auch in diesem Jahr stets wechselnde, neue Einblicke in den wertvollen Teil der Sammlung, der mit Werken von Otto Dix, Max Ackermann, Erich Heckel, Curth Georg Becker, Helmuth Macke, Jean Paul Schmitz, Walter Herzger, Gertraud Herzger von Harlessem, Hans Kindermann oder Ferdinand Macketanz den kunsthistorischen Schwerpunkt des Museums bildet. Auf der Bodenseehalbinsel Höri fanden die Emigranten im eigenen Land ab 1933 Zuflucht vor der nationalsozialistischen Kulturpolitik und während des Krieges vor den Luftbombardements auf die Städte.
Nicht wenige der Künstler, die die Moderne an den Bodensee brachten, blieben nach dem 2. Weltkrieg auf der Höri bzw. der Region verbunden und bauten nach 1945, zusammen mit weiteren Exilanten am See wie Julius Bissier, Fritz Mühlenweg oder Berthold Müller-Oerlinghausen, ein neues, blühendes Kunstleben auf.
Die legendären Singener Kunstausstellungen ab 1947 zählten zu den zentralen Ausstellungen der Nachkriegszeit. Das Kunstmuseum Singen nennt die umfangreichste Sammlung der Höri-Künstler ihr Eigen. Die aktuelle Schau präsentiert sowohl bekannte als auch wenig bekannte Arbeiten, die neu über Schenkungen oder Leihgaben bzw. frisch nach Abschluss von Restaurierungen gezeigt werden können.
Rund 80 Kunstwerke – Gemälde, Plastiken und Graphiken – sind in einer repräsentativen Übersicht vereint und geben einen Überblick über die klassische Moderne am Bodensee.
Parallel zur Ausstellung der Höri-Künstler ist an den Sommerwochenenden, jeweils samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr, das einzig erhaltene Wandbild „Krieg und Frieden“ von Otto Dix, gemalt 1960, im Ratssaal des Singener Rathauses für Besucher zugänglich.
Die zeitgenössische und aktuelle Kunst in der vielfach vernetzten Vierländerregion Bodensee steht im Mittelpunkt der Überblicksausstellung „Hier und Heute. Neue Kunst vom See.“, die im Obergeschoss des Singener Kunstmuseums gezeigt wird. Heute sind der Bodenseeraum und der deutsche Südwesten Schnittpunkte und Orte des Austausches zwischen den Kunstzentren in Deutschland und der Schweiz. Nicht wenige Künstler, die in den Zentren agieren, haben einen zweiten Standort in der Region. Einige bekannte Künstler kommen aus der Euregio Bodensee; bekannte, hier lebende Künstler tragen zu einem lebendigen Kunst- und Ausstellungsleben bei. Längst hat sich das Singener Kunstmuseum als eines der zentralen Häuser für die zeitgenössische Kunst in der Vierländerregion Bodensee etabliert.
Im Zentrum der Ausstellung stehen Werke der Gegenwartskunst, die deutlich machen, dass die Kunstlandschaft Bodensee wenig mit der gängigen Vorstellung einer zeitentrückten Idylle gemein haben. Unter den ausgestellten Arbeiten finden sich zahlreiche Neuerwerbungen. In die Präsentation zeitgenössischer Kunst eingebettet ist die Soloschau „Das Dunkel zwischen den Sternen spreizt seine Flügel“, die dem Fotografen Florian Schwarz gewidmet ist.
Florian Schwarz hat seine fotografische Langzeitrecherche, die das Kunstmuseum Singen und die Galerie Vayhinger in Singen über Jahre begleitet haben, abgeschlossen. Vier Jahre lang reiste der renommierte, 1979 in Konstanz geborene, nach seiner Ausbildung in Berlin, Antwerpen und Edinburgh an den Bodensee zurückgekehrte Fotograf zu Observatorien an weit entlegenen Orten der Erde. Mit ihren zusammen geschalteten Instrumenten dringen sie tief in entfernteste, erstmals erreichbare Sonnensysteme ein. Florian Schwarz schaut auf diese Bilder. Zeitgleich richtete er sein Objektiv auf jene Menschen, die im Umfeld dieser Observatorien leben und unter teils bedrückenden Umständen arbeiten.
Entstanden ist ein Projekt voller Kontraste, das uns grundsätzliche Fragen stellen lässt. Was ist menschliches Sein? Der Mensch: ein Weltraum von innen hat der Schriftsteller Arnold Stadler zu Florian Schwarz´ Projekt geschrieben. Zur Ausstellung erscheint im Kerber-Verlag das vom Kunstmuseum Singen herausgegebene Fotobuch: Florian Schwarz: A handful of dust. Mit Texten von Boris von Brauchitsch, Martin Dominik und Arnold Stadler, gestaltet von Hans Gremmen, Amsterdam.
Das Foyer des Kunstmuseums bespielt mit „langZeit.“ der in Thurgau lebende Maler Daniel Gallmann (*1959). Gallmanns ganz eigene künstlerische Strategie besteht in der stetigen Wiederholung zweier Motive, die seit Anbeginn seiner künstlerischen Laufbahn das motivische Zentrum seiner Kunst bilden: eine Landschaft, die er Pastorale nennt, sowie ein Figurenbild. Beide Motive verknüpft der Künstler mit grundlegenden Fragen menschlichen und künstlerischen Handelns. Das Kunstmuseum zeigt einen Block von insgesamt 171 Pastoralen aus den Jahren 2012 bis 2018, die zum Nachdenken über eine Ästhetik des Unterlassens (Bazon Brock) einlädt.
Alle Ausstellungen werden gemeinsam am Sonntag, dem 14. Juli 2019, um 11 Uhr im Kunstmuseum Singen eröffnet. Im Rahmenprogramm zu den Ausstellungen findet am Donnerstag, dem 15. August, 19 Uhr die Vernissage des Fotobuches „Florian Schwarz. A handful of dust“ statt. Die Vorstellung der Publikation, die in Herausgeberschaft des Kunstmuseums im August bei Kerber erscheint, wird von einem Künstlergespräch mit Florian Schwarz begleitet.
Einen Überblick über die Sommerausstellungen bietet die öffentliche Führung durch mit Museumsleiter Christoph Bauer M.A. am Sonntag, dem 18. August 2019, 11 Uhr.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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