Interssanter Blick auf den Arbeitsmarkt drei Jahre nach "Wir schaffen das"
Integration gewinnt, wenn alle wollen
Singen (of). Ziemlich genau drei Jahre ist es her, dass dich die Grenzen und die Balkanroute für eine Weile öffneten und der große Flüchtlingsstrom ins Land kommen konnte. Damals jubelte unter anderen sogar erst mal die Wirtschaft, denn sie erhoffte sich eine Linderung ihres Fachkräftemangels durch die Kriegsmigranten. Wieviel davon tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt angekommen sind und weshalb der Effekt eben einfach viel mehr Zeit braucht, als zunächst geglaubt, brachte eine Diskussionsrunde innerhalb der aktuellen Interkulturellen Woche in Singen ans Licht.
Gestartet wurde hier im Saal der "VillaConsult" und ihrem polierten Boden mit zwei jungen Männern, die ihr Glück in die Hände nehmen konnten und inzwischen eine Ausbildung machen. Der Stolz darüber war ihnen anzumerken, und das zurecht. Claudia Kessler-Franzen als Wirtschaftsförderin und Geschäftsführerin von Singen aktiv diagnostizierte, dass man man schon desillusioniert sei, aber dadurch habe das Thema Integration auch an Professionalität gewinnen können. Die Hoffnung der Wirtschaft sei natürlich Fachkräfte zu gewinnen. Klaus Schramm von der Arbeitsagentur unterstrich seinen Willen, hier möglichst viele Menschen zu integrieren, das immer noch mit Herzblut und vielen persönlichen Beispielen, dafür könne man immer wieder viele Hebel in Bewegung setzen. Die Leiterin des Jobcenters, Sabine Senne, ist da mit ihren "Kundenprofilen" etwas zurückhaltender: Von den 3.000 "Kunden" aus den acht Flüchtlingsländern, die im Bereich der Arbeitsagentur sich aufhalten, seien 1.800 erwerbsfähig. 1,8 Prozent hätten die Qualifikation zum Studium, 6 Prozent seien in Ausbildung, 28 Prozent erst auf dem Stand der Deutschkenntnis von "B1" und 63 Prozent hätten eben sehr geringe Sprachkenntnisse. Sie hat Mitkämpfer an ihrer Seite: die IHK wie die Handwerkskammer hätten zwischenzeitlich 381 Ausbildungsverhältnisse bilanziert, sagte sie der interessieren Runde, die von Bernhard Grunewald moderiert wurde.
Dass die Flüchtlinge den Facharbeitermangel ausgeglichen können, sie Werner Gohl von der Singener Handwerkerrunde nicht so. Es seien doch eher ausnahmen und oft gebe es doch Vorbehalte seitens der Mitarbeiter - zumindest am Anfang. Das bekräftige auch ein Gast der darauf verwies, dass es Populismus in den Betrieben genauso geben wie überall. Überrascht seien die Handwerker von die vielen Problemen im Vorfeld von Praktika gewesen, das habe doch einige abgeschreckt. Im ersten Kurs der Singener Allianz seien es aber immerhin 11 von 16 gewesen, die einen Anschluss ans Handwerk gefunden hätten. Und: es gebe übrigens auch schwierige Charaktere ohne Migrationshintergund.
Manfred Hensler, der ehemalige Leiter der Robert-Gerwig-Schule und ketzt InSI-Aktivist in der ersten Reihe unterstrich, dass in einer Stadt wie Singen ohne zugewanderte Menschen alles kollabieren würde und in Singen gar die Lichter ausgehen würden. Die Sprachkenntnisse seien freilich das Problem schlechthin. Weil auch viele der Migranten aus EU-Ländern ohne jegliche Sprachkenntnisse hier ankämen, haben man mit Unterstützung des Landkreises hier einen Spurwechsel vorgenommen. Zum Jahresanfang habe man einen ersten Deutschkurs für Erwachsene gestartet, für die der Landkreis 80.000 Euro zur Verfügung stellt. Anfang September startete bereits der zwei Kurs, wegen der starken Nachfrage soll es Anfang Oktober bereits einen dritten Kurs geben. Das Geld sei sicher gut angelegt, meine Hensler, denn dadurch gelinge es diese Menschen in Arbeit zu bringen.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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