Eröffnung der Doppelausstellung von Stephan Hasslinger und Jáchym Fleig am Freitag
Erotisch bedrohliche Wucherungen im Kunstmuseum

Jáchym Fleig | Foto: Eine aktuelle Arbeit von Jáchym Fleig, denen der Besucher kaum entfliehen kann. swb-Bild: pr
  • Jáchym Fleig
  • Foto: Eine aktuelle Arbeit von Jáchym Fleig, denen der Besucher kaum entfliehen kann. swb-Bild: pr
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Singen. Zwei Ausstellungen in einem Museum, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: Im Werk des Freiburger Künstlers Stephan Hasslinger zeigt sich die zeitgenössische Plastik von ihrer glänzenden, verführerischen, ja erotischen Seite. Jáchym Fleig dagegen, geboren in Villingen-Schwenningen, schafft unheimlich wuchernde Gebilde, die Gegenstände, ja ganze Räume befallen und besetzen. Das Kunstmuseum Singen präsentiert mit den beiden Ausstellungen „Stephan Hasslinger. Paisley.“ und „Jáchym Fleig. Besatz.“ zwei Pole der zeitgenössischen Bildhauerei. Beide Künstler erweitern den gängigen Begriff von Skulptur auf ihre je eigenständige, besondere Weise. „Kunst passiert dann, wenn klare Zuordnung unterlaufen wird“ (Stephan Hasslinger). zur Vernissage der Ausstellung am Freitag, 13. April, 19.30 Uhr, wird ins Kunstmuseum herzlich eingeladen.

Stephan Hasslinger (*1960) arbeitet mit dem für Bildhauer eher ungewöhnlichen Material Ton. Seine gerollten Stränge verarbeitet er zu Schlaufen, Schlingen, Netzen, Gittern. Die durchbrochenen keramischen Plastiken – aufgebaut aus ineinander verhakten Ornamentmustern, die er mit einzelnen, glatten Flächen kombiniert – überzieht der Bildhauer mit farbigen Glasuren und glänzenden Lacken, die den Betrachter förmlich anspringen und anlocken. Mit aberwitzigem Zuckerbäcker- und Konditorenwerk, barocken Grotesken, Hüllen des Begehrens, fetischartigen Objekten sind Hasslingers Plastiken verglichen worden. Tatsächlich findet er viele seine motivischen Anregungen im Feld der Maschen und der Mode. Die geschauten „Zünder“ aber verwandelt Hasslinger in hybride Objekte, die allesamt, einer äußeren Haut vergleichbar, ein leeres Inneres umschreiben. Im Prozess der Transformation reichert er seine Gebilde weiter an und überführt sie in Wirklichkeiten eigener Ordnung. Hasslingers Plastiken sind eine einzige Feier des Sinnlichen. Sie bezeugen unsere ungebrochene Faszination am Fremd-Phantastischen.

Jáchym Fleig (*1970), 2016 mit dem DEW 21 Kunstpreis ausgezeichnet, arbeitet mit gängigen Baumaterialien wie Gips, Sand, Polyurethanschaum, Dämmplatten, Wabenkartons oder Styropor. Diese schichtet er auf und bildet sie zu plastischen Gebilden um. Mit ihren porösen Oberflächen muten sie an wie Schwämme, Pilze, Ablagerungen, Zersetzungsprodukte, Wespennester oder Waben. Stalaktiten, wie in einer Tropfsteinhöhle, kommen hinzu. Indem diese merkwürdigen Gebilde gewöhnliche Alltagsgegenstände – Büromöbel, Stühle, Regale – zu besiedeln, gar zu verschlingen scheinen, wirken Fleigs bräunlich-graue Plastiken wie Schmarotzer, die ihren Wirt befallen haben. Und sie setzen sich an Wänden, Decken, Pfeilern und in Raumecken fest; halten ganze Räume besetzt. Etwas Bedrohliches, Unheimliches, aber auch Faszination liegt in der Luft. Dabei beziehen Fleigs Arbeiten „ihre Kraft aus der Stärke des Verbunds und aus der Masse. Sie siedeln immer in Kolonien“ (Alexandra Orth). Klug bezieht der Bildhauer den Kontrast zum musealen, reinen Ausstellungsraum in seine installativen Szenarien ein. Der Besucher ist konfrontiert mit einer Art unkalkulierbarer Natur, die quer zum Sicherheitsbedürfnis moderner Gesellschaften steht und weiter wuchert. Die fremden Wesen versperren uns den Weg; die Stalaktiten hängen gefährlich nah über unseren Köpfen. Tatsächlich verändert sich mit Fleigs Inventionen die Wahrnehmung des Raums und der Dinge.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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