Wirtschaftsforum mit Redner Fabian Hambüchen
Eine Medaille mit vielen Seiten
Singen. Das jährlichen Singener Wirtschaftsforums ging in diesem Jahr in die zehnte Runde und war ein Erfolg: Dieser Eindruck herrschte bei den Verantwortlichen in ihrer Bilanz kurz vor Schluss des Tagesprogramms in der Stadthalle am Donnerstag vor. Etwa zehn Workshops wurden dort den 105 Teilnehmenden über den Nachmittag verteilt angeboten. Das Programm stand dabei in diesem Jahr unter dem Motto "Resilienz", also die psychische Widerstandsfähigkeit gegen Krisen, Stress und andere Herausforderungen.
Sehr zum Stolz von Wirtschaftsförderer Oliver Rahn wachse der Teilnehmerkreis dieser "Highlight-Veranstaltung der Wirtschaftsförderung" stetig weiter. Hier werde zum Großteil auf Frontalvorträge verzichtet, stattdessen sollen die Teilnehmenden ihre Erfahrungen austauschen. Themen waren unter anderem Work-Life-Balance, Selbstverantwortung, die interne Solidarität und eine Unternehmenskultur, die das und mehr ermöglicht.
Relevant für Unternehmen und Arbeitnehmer
Für Daniel Hirt als Vorstand der "Volksbank - Die Gestalterbank", ist Resilienz sehr relevant: "Mitarbeitern Resilienz zu ermöglichen, hilft uns Personal zu gewinnen und im 'war of talents' besser zu überleben." Dass dies auch die Unternehmen als ganzes stärke, mache das Thema für eine Bank nochmal im Besonderen relevant. Reinhold Maier, stellvertretender Geschäftsführer der Veranstalter "Kultur und Tagung Singen" hebt das seit Beginn ungewöhnliche Konzept des Forums hervor. Während einige Workshops vorgegeben sind, soll im "Open Space" auch Raum für die Teilnehmenden sein, selbst tätig zu werden und Themen aufzuzeigen und zu diskutieren: "Wir gehen bewusst ins Risiko und muten den Teilnehmern auch etwas zu." Es brauche hierbei allerdings auch Partner, die diese Idee "mitgehen und mittragen."
Der besondere Höhepunkt des Wirtschaftsforums, fand dann am Abend statt: Ein Vortrag von Speaker und Ex-Turnweltsportler Fabian Hambüchen. Als Sprössling einer Sportlerfamilie hatte er für seine Karriere eine sehr gute Grundlage, schon mit sechs Jahren stand für ihn fest: Ich will zu den Olympischen Spielen! Über die Jahre hielt er an diesem Traum fest. 2004 startete er dann als jüngster deutscher Sportler mit nur 16 Jahren bei den Olympischen Spielen, blieb hier jedoch ohne Medaille. In den Jahren 2008, 2012 und 2016 steigerte er sich bei den Olympiaden jeweils von Bronze zu Silber und letztlich zur Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Rio in der Turndisziplin Reck. Zwar habe er das restliche Leben dem Training oftmals untergeordnet, aber für ihn steht fest: "Das war genau das, was ich wollte!"
Mentales Training
Neben Trainingslagern in Japan, wo er schon früh einen Sinn für "Perfektion und Präzision" und die Einteilung seiner Energie gelernt habe, stand ihm schon ab etwa 15 Jahren sein Onkel als Mentaler Trainer zur Seite. Gelegenheiten, das hier gelernte anzuwenden, gab es genug. Egal ob ein "nerviger" Rivale oder auch die Natur des Turnens, ohne objektiv messbare Ergebnisse, die in Wettkämpfen von Menschen bewertet werden und bei der zum Teil noch Korruption mit im Spiel sei. Über das mentale Training habe er hier gelernt, seinen Fokus auf das wesentliche zu lenken, seine Liebe zu dem Sport. Ändern konnte er zumeist eh nichts und "damit spart man Kraft, die man in anderen Momenten braucht."
Verletzungen als Lehrmeister
Auch durch zahlreiche Verletzungen habe er viel gelernt, berichtet Hambüchen, egal ob eine Verletzung an einem Finger bei den Olympischen Spielen in Peking 2008, eine gerissene Achillessehne oder eine angeschlagene Schulter. Lange habe er den 3. Platz in Peking als große Enttäuschung gesehen, besser auf seinen Körper zu hören und seine Gedanken weiter auszurichten, sei letztendlich maßgeblich gewesen: "In Peking habe ich die ganze Zeit nur gedacht 'Ich muss Gold holen', statt daran zu denken, was ich tun muss, um Gold zu holen." Während er sich nach seiner Silbermedaille bei der Olympiade 2012 ursprünglich auf sein restliches Leben und das Studium fokussieren wollte, nahm er dann in Rio nochmals teil. Trotz Schulterverletzung, durch ein auf das nötigste reduziertes Training und eine Cortisonbehandlung ging er dort bewusst am Reck als einzige Disziplin an den Start. Der Wunsch, hier "die beste Version von mir selbst zu sein", egal mit welchem Ergebnis, zählte für ihn am meisten. Das war erfolgreich, Fabian Hambüchen erreichte die Goldmedaille und er zeigt: "Es lohnt sich zu Kämpfen."
Anschlussdiskussion
Mit einer Diskussionsrunde zwischen Moderator Stefan Lutz, Fabian Hambüchen, Donya Gilan (Psychologin und Leiterin des Bereichs Reslilienz und Gesellschaft des Leibniz-Instituts für Resilienzforschung in Mainz), Michael Gleich (Journalist, schrieb unter anderem für das Zeit-Magazin), Nicolas Mayer (Bereichsleiter für Firmenkunden bei der Volksbank - Die Gestalterbank) und einem freien Platz für Personen aus dem Publikum endete das Programm. Unter anderem berichtete hier Gilan, dass insbesondere durch die Pandemie, die Beschleunigung des gängigen Lebenstempos und die Sozialen Medien die Bevölkerung tatsächlich erschöpft sei. Michael Gleich ergänzt, dass das Nervensystem des Menschen nur eine bestimmte Menge an Stress vertragen könne: "Gerade bei schlechten Nachrichten hat man ein Gefühl von Ohnmacht, das schwächt die Resilienz." Mit dem konstruktiven Journalismus wolle er vermehrt Lösungen statt Probleme aufzeigen und er empfindet es als wichtig, neben der individuellen auch die systemische Verantwortung zu betrachten.
Autor:Anja Kurz aus Engen |
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