Achte Singener Vesperkirche
„Ein Ort der Würde, des Wohlwollens, der Verbundenheit“
Singen. Draußen war und blieb es am Sonntagvormittag, 12. Januar, kalt und frostig - die voll besetzte Lutherkirche hingegen wurde im Rahmen des feierlichen ökumenischen Eröffnungsgottesdienstes zur achte Singener Vesperkirche zusehends zu einem Raum mit viel Wärme und Mitmenschlichkeit.
„Die Vesperkirche tritt für die Gleichwürdigkeit aller Menschen ein und ist für alle da“, so Pfarrerin Andrea Fink-Fauser in ihrer Begrüßung. Sie konnte im Namen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und der Singener Tafel „Menschen aus allen Himmelsrichtungen“ zur „Stärkung an Leib und Seele“ begrüßen, zudem „besondere Gäste“ - eine beeindruckende Personengruppe von Königsskulpturen, herausgearbeitet aus alten Eichenbalken vom Bonner Diakon und Holzbildhauer Ralf Knoblauch. Die teils armlangen Holzfiguren sind mit einer goldenen Krone versehen, welche den heiligen, göttlichen Glanz eines jeden Menschen symbolisiert, zudem mit einem weißen Hemd, welches an das Taufkleid nach der Königssalbung erinnert. Knoblauch hat seine Arbeit für die Vesperkirche zur Verfügung gestellt, und um diese Figurengruppe rankten sich nun viele Beiträge zum Eröffnungsgottesdienst, in dessen Verlauf die Königs-Figuren zu den Tischen gebracht werden und dort von Hand zu Hand gehen. Zu bewundern sind die Holzarbeiten, weil sie - wie auch unser Leben - Risse, Unebenheiten und Verletzungen aufweisen, welche nun sichtbar und mit einer Berührung fühlbar werden. Gleichzeitig strahlen sie Würde aus, denn „Die Würde kann Dir keiner nehmen! Du bist ein Königskind!“, so die Botschaft des Künstlers.
Wie die Königsfiguren schließen auch wir Menschen „im Schmerz, in der Trauer, in der Verzweiflung, in der Hoffnungslosigkeit“ unsere Augen und sind mehr als sonst auf andere Menschen angewiesen, erläuterte Simone Meisel, katholische Gemeindereferentin aus Hilzingen. Sie erhoffte in ihrer zentralen Predigt, dass auch die Vesperkirche in den kommenden beiden Wochen ein Ort der Würde, der „wohlwollenden Verbundenheit“ sein möge - als eine weitere zentrale Erfahrung, „die unter die Haut geht“. Denn: „Wir sind aufeinander angewiesen, tragen Verantwortung füreinander und für uns selbst“, so Meisel, „und leben in einer Zeit, in der die besondere Würde eines jeden Menschen an vielen Orten bedroht ist - es ist an der Zeit, Haltung zu zeigen.“ Meisel erinnerte an die langwierige Entstehung des heutigen Begriffs der „unantastbaren Würde“, welche unverrückbar unserem Grundgesetz als Artikel eins vorangestellt ist. „Die Menschenwürde ist Voraussetzung, ist Herzstück, ist Kompass jeder demokratischen Gesellschaft“ - und sie ist gleichzeitig „wie ein Geschenk in uns eingeboren von Anfang an - aber dies Geschenk muss entwickelt werden und dazu brauchen wir uns einander“, so die Theologin.
Auch Andreas Sturm, Pfarrer der Alt-Katholischen Gemeinden Singen und Saulgau, nahm im Gebet Bezug auf die künstlerische Arbeit: „Wir sind hier zusammen und sind doch unterschiedlich. Wir haben keine Krone, aber wir wurden von Dir gekrönt. Jede Figur hat ihre Geschichte, Ecken und Kanten. Auch wir sind nicht vollkommen, aber Du liebst uns wie dieser Sockel, der die Figuren trägt. Mach uns zu Menschen, die sich mit Achtung und Respekt begegnen.“ Dekanatsvorsitzende Claudia Graf, Karin Burger von der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschland, Lutherkirchen-Vikar Kevin Hosmann, Andrea Fink-Fauserund Andreas Sturm trugen eine gemeinsame und eindringliche Fürbitte für all jene Menschen vor, welche unter Krieg und Gewalt, Ausgrenzung, Armut, Bedürftigkeit und Einsamkeit leiden, zudem unter dem Verlust geliebter Menschen und Wegbegleiter, „die in unseren Herzen bleiben“, so Sturm.
Pfarrer i.R. Bernhard Knobelspies erbat den Segen für alle Anwesenden, gefolgt vom gemeinsamen Vaterunser und dem Lobgesang „Nun danket alle Gott“. Großen Beifall gab es im Ausklang für das feste Backstuben-Team mit Vulkanbäcker Eric Stadelhofer, Oberbürgermeister Bernd Häusler, Claudia Graf und Bäcker Andreas Auer, dem Vesperkirchen-Urgestein Ulrich Kaiser im Namen aller weiterhin gute Genesung wünschte und ob dessen gesundheitsbedingte Geschäftsaufgabe feststellte: „Wir werden Sie nicht nur im Januar vermissen.“ Ein gemeinsam erstellter Zopf wurde am Altar präsentiert, in Form einer Acht aus Anlass der achte Vesperkirche. Diese findet nun vom 12. bis 26. Januar täglich von 11:30 - 14 Uhr statt. Jeder Gast bekommt ein warmes Mittagessen, Kuchen und heiße oder kalte Getränke - und zahlt dafür, was er kann und will. Das Motto lautet „Gemeinsam an einem Tisch“.
Herzlichen Applaus gab es zum Schluss auch für die musikalische Umrahmung und Einbettung des Gottesdienstes durch stimmungsvolle Klänge des Posaunenchors der Luthergemeinde unter Leitung von Andreas Gerlach sowie einfühlsame Orgelklänge von Martina Bischofberger auf der Empore, die den gemeinsamen Gesang der Gemeinde im Kirchenschiff unterstützten. Günter Dreher von der Neuapostolischen Gemeinde wies ausgangs noch auf den traditionellen Familien-Gottesdienst am kommenden Sonntag mit dem Käthe-Luther-Kinderhaus hin.
Autor:Bernhard Grunewald aus Singen |
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