Neujahrsempfang mit Sascha Binder
"Die SPD war nie eine Partei der Angsthasen"
Singen. Ein herzliches Willkommen konnte Singens SPD-Ortsvereinsvorsitzender Berthold Jörke zahlreichen Mitgliedern, Freundinnen und Freunden sowie politischen Weggefährten zum traditionellen, erneut gut besuchten SPD-Neujahrsempfang am Sonntagabend im Theater "Die Färbe" entbieten. Sein besonderer Gruß "in der Stadt unterm Vulkan" galt Sascha Binder, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Stuttgarter Landtag und Hauptredner des Abends.
Jörke zitierte eingangs Albert Einstein "Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben" und sieht als gemeinsame Aufgabe der Zeit im Wahljahr 2024: "Demokratie wieder stärken und leben!" Auch Singens OB Bernd Häusler blickte in Richtung Kommunalwahl 2024: "Kandidatenlisten und Wahlvorschläge sind wichtig - wir brauchen wieder einen guten, in der Sache harten, aber harmonischen Gemeinderat." Sein Dank gilt den Fraktionen, auch der SPD-Fraktion, welche in der Stadt "außerordentlich produktiv" arbeiteten und immer wieder auch zusammenfänden.
Jedoch: "Die Welt ist aus den Fugen geraten", skizzierte der OB die Lage, zu der die Ukraine im zweiten Jahr des Krieges und die aktuelle Situation in Nahost und im Gaza-Streifen gehöre - wohingegen vom Massaker zu Weihnachten an Christen in Nigeria bislang kaum Notiz genommen wurde.
"Was passiert grad außenrum?", müsse gefragt werden. Aber für Häusler stand fest: "Wir sind froh und dankbar, dass wir unsere Meinung sagen können." Und natürlich müsse um Demokratie gerungen werden - "auch mit Streit, Buh-Rufen, das geht alles", so der OB. "Aber was nicht geht, sind persönliche Angriffe gegen Personen, die auch das Beste für das Land wollen", was mit Beifall quittiert wurde. Abschließend ging Häusler auf die Schlüsselthemen Scheffelhalle und Krankenhaus-Neubau für den Landkreis in Singens Nordstadt ein, beides große Herausforderungen über 2024 hinaus, um die Stadt voranzubringen. Er freue sich dabei auf eine weiterhin positive und konstruktive Zusammenarbeit.
Schaffhausens Stadtpräsident Peter Neukomm (SP) ermutigte die Anwesenden zum gemeinsamen Engagement "für Frieden, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit und Solidarität". Denn "wer, wenn nicht wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen aufgrund unserer Geschichte und unserer Ideale in der Verantwortung, dafür zu kämpfen, dass sich unsere Welt nicht in eine völlig falsche Richtung entwickelt?" Neukomm begrüßte in diesem Zusammenhang das jüngste Mandat des Schweizer Bundesrates für neue Gespräche mit der Europäischen Union. "Es ist höchste Zeit, dass die Beziehungen der Schweiz zur EU wieder ins Lot kommen, auch zugunsten der Menschen in unserer Grenzregion".
Er dankte allen Beteiligten, insbesondere OB Bernd Häusler, welche sich "für freund-nachbarschaftliche Kontakte, Austausch und Zusammenarbeit einsetzen". Bei der SPD Singen sieht er "bekannte und geschätzte Exponentinnen und Exponenten, die eng mit der Region verbunden sind, über ein großes Kämpferherz verfügen und die Menschen hier in Singen überzeugen können", was ihn für die kommenden Wahlen "hoffnungsfroh und zuversichtlich stimme".
Hans-Peter Storz, SPD-Landtagsabgeordneter, unterstrich in seinem Grußwort die Verantwortung der Bundes- und Landesregierung für die Kommunen und Landkreise, diese nicht auf Kosten sitzen zu lassen, wenn es beispielsweise um Verkehr, Infrastruktur, Flüchtlinge, Bildung und Schule ginge. Hier halte das Land Geld zurück, obgleich Rücklagen vorhanden seien. Storz kündigte eine Klausur der SPD-Landtagsfraktion "Wir machen gute Arbeit!" zum Schwerpunkt "Kommunen" in Heidelberg an: "Das Land muss den Kommunen Luft lassen", so der Landtagsabgeordnete und langjährige Singener Gemeinderat.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete und Co-Kreisvorsitzende Dr. Lina Seitzl blickte "mit Hochachtung" auf Singen und den hiesigen Zusammenhalt, wenn es gilt, die Stadt gemeinsam voranzubringen. Aber selbst langjährige Bundestagsabgeordnete bestätigten ihr, dass wir uns gerade in solchermaßen herausfordernden Zeiten befänden, wie es sie lange nicht gab. Vieles mache den Menschen Angst, Fehler in der Politik dürften deshalb nicht schöngeredet werden, sondern harte, schwierige Diskussionen seien nötig, um das Land voranzubringen.
Aber: "Die SPD war nie eine Partei der Angsthasen", so Seitzl unter Beifall. Es gelte, den Investitionsstau abzubauen, der Industrie bei der Transformation zu helfen, Rekordsummen in die Bahn zu investieren, den Deutschlandpakt und die Digitalisierung zu befördern. Denn "es gibt nichts Schlimmeres als eine abgebrochene Transformation", zitiert Seitzl die EnBW. Es ginge politisch aktuell nicht darum, "die Schuldenbremse abzuschaffen, aber wir belasten künftige Generationen auch, wenn wir ihnen eine marode Infrastruktur hinterlassen, statt zu investieren".
Seitzl hob die Energiepauschale und das Bürgergeld hervor und plädierte für eine gerechte, solidarische Gestaltung unserer Gesellschaft und deren Zusammenhalt. Sie kündigte in diesem Zusammenhang die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken als Hauptrednerin zum Neujahrsempfang der SPD des Kreises Konstanz am 21. Januar an.
Unter Beifall wurde anschließend das Ehepaar Martin Ruf und Christine Klein-Ruf von Jörke für 10-jährige SPD-Mitgliedschaft geehrt. Immerhin 40 Jahre ist Claudia Rehling "das SPD-Gesicht in Schlatt", wie LaudatorinRegina Brütsch voller Anerkennung unterstrich. Gar 50 Jahre hält Hinrich Michaelsen der SPD die Treue - die langjährige Gemeinderätin Claudia Weber skizzierte den Jubilar, der aus gesundheitlichen Gründen nun erst im Nachgang geehrt werden wird.
Hauptredner Sascha Binder erinnerte zunächst an jene Zeit, als alle befürchteten, im Winter frieren zu müssen. Dies sei jedoch durch kluge Politik verhindert worden. Er sei froh, einen Kanzler Olaf Scholz zu haben, der erst denke, bevor er handele. Die SPD habe eine besondere Verantwortung, Antworten auf komplexe Probleme zu finden. Es gäbe oftmals keine scheinbar einfachen Lösungen. Binder zeigte sich überzeugt: "Wir dürfen uns durch Wahlumfragen nicht kirre machen lassen. Wählen ist was Tolles: Wer kann in meiner Heimatstadt, wer kann für Europa kandidieren?"
Er bekannte sich nachdrücklich zum demokratischen Ringen und ist überzeugt: "Ja, es ist die Demokratie, die Probleme löst." Es sei an der Zeit, sich auch schwierigen Diskussionen vor Ort zu stellen, denn wer heute gegen Migranten hetze und sprachliche Grenzen verschiebe, der schüre die Gefahr, am Ende auch gegen andere zu hetzen. Es sei aber wie im Privatleben - auch hier ginge nicht alles sofort, es brauche Diskussion, manchmal sogar Streit. Kompromisse, so Binder, haben gute, aber auch schwierige Seiten. Europa zeige gerade, dass es in seiner Demokratie um Lösungen ringen und handeln kann. Durch diese politische Haltung sei auch unsere Wirtschaft gut durch Corona gekommen.
Binder erinnerte an den fatalen Niedergang der einstmals großen Textilindustrie im Land. Nun sei es aber an der Zeit, Unternehmen und Beschäftigte durch Weiterbildung bei der Transformation zu unterstützen. "Wir haben kluge Köpfe im Land und brauchen einen enkelgerechten Staat", so Binder, "mit Bildung, Wissenschaft, Industrie, Investitionen, Dienstleistung - und guten Tarifverträgen." 2024 könne ein gutes Jahr für unsere Demokratie werden - Lösungen kämen schneller als erwartet, dauerten sie länger, seien sie gut überlegt. Trotz allem gelte es, Dinge, die noch nicht funktionieren, besser zu machen, so Binder zum Schluss, mit Beifall unterstützt.
Der gelungene Auftakt der traditionsreichen SPD zum spannenden Wahljahr 2024 wurde musikalisch umrahmt von den "Hegauer Saiten" mit Erika Güss und Nicole Schwegler an der Zither sowie Berthold Schaffenrath an der Gitarre.
Autor:Bernhard Grunewald aus Singen |
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