Kita-Beiträge steigen und das ist erst der Anfang
Der nächste Kraftakt für Kommunen und Eltern
Hegau/ Region. In vielen Gemeinderäten stehen die unliebsamen Themen an, wenn die Kindergartenbeiträge erhöht werden müssen. Ging es freilich in den letzten Jahren um eher geringe Steigerungen in einer praktisch inflationsfreien Zeit und um kleine Beiträge, bei denen man mancherorts auch gerne mal das Thema aufschob, so werden die Eltern und Erziehenden in diesen Wochen hart getroffen.
Für das kommende Kindergartenjahr wurde im Land die Empfehlung ausgesprochen, die Beiträge für die Kinderbetreuung um 8,5 Prozent zu erhöhen. Wer die letzten Lohnrunden in der Wirtschaft wie im öffentlichen Dienst verfolgt hat, erkennt schnell einen der Gründe, der natürlich nicht der einzige ist und muss feststellen, dass das, was auf der einen Seite reingekommen ist, bei Familien ganz schnell auf der anderen Seite ab September schon wieder rausgeht.
Angesichts der doch recht kräftigen Erhöhung, reagieren die Städte und Gemeinden hier in der Region auch recht unterschiedlich, obwohl sie alle nicht nur die Eltern im Genick haben, sondern auch das Land, das eigentlich den Kommunen mit Nachdruck empfiehlt, den Anteil der Elternbeiträge für die Kinderbetreuung auf 20 Prozent zu bekommen, wovon die meisten Gemeinden viele Meilen entfernt sind, wie sich das gerade in den Gemeinderatsitzung auftut. Auch die neuen Beiträge machen deutlich, dass ein Vergleich in der Region höchst mühsam ist anhand der Vielzahl von Angeboten und Berechnungsmodellen.
Singen muss in die Vollen gehen
In der Stadt Singen sollen die neuen Beiträge ab dem neuen Kindergartenjahr eben um die empfohlenen 8,5 Prozent ansteigen. Der Finanz- und Verwaltungsauschuss wie der Ausschuss für Familie, Soziales und Ordnung hatten letzte Woche schon die Empfehlung zur empfohlenen Erhöhung geben, der nun am Dienstag gefolgt wurde. Für Fachbereichleiter Thorsten Kalb war das schon mal ein Stück Entwarnung, denn im Frühjahr habe man gar mit einer Erhöhungsempfehlung von über zehn Prozent gerechnet. Und auch der Gesamtelternbeirat Kita der Stadt machte es kurz: Man könne diese Erhöhung aufgrund der Lohnerhöhungen und der Inflation zustimmen, hieß es kurz und knapp per Mail von der Vorsitzenden Kristin Sorg im Vorfeld der Sitzung.
Allerdings mit dem Nachsatz, dass Eltern auch darüber informiert werden sollen, wo sie Untersützungen bekommen können, wenn sie die Beiträge nicht oder nur schwerlich aufbringen könnten. Das will die Stadt Singen auch aufnehmen, sagte Kalb im Gespräch mit dem WOCHENBLATT. Denn nicht nur zum Beispiel Wohngeldempfänger können hier eine Unterstützung oder Übernahme der Beiträge bei den Sozialbehörden beantragen. Wenn man nachweislich auch sonst zu knapp bei Kasse sei, wäre da auch eine Unterstützung möglich sagte Kalb. Immerhin: rund 27 Prozent der Eltern in Singen machen von den Förderungen gebrauch, so dass ihre Beitrag letztlich auch vom Staat kommt. Die Quote ist recht unterschiedlich verteilt: In den Stadtteilen liegt sie schon immer viel niedriger, in manchen Kitas des Innenstadtbereichs gar bei 90 Prozent.
Betont wird, dass es aber eigentlich „nicht viel“ sei, was es da mehr kosten. Genau gesehen seien es bei der Regelbetreung gerade mal elf Euro im Monat mehr und nun 142 Euro, wenn U3 Betreuung ganztags wäre (zehn Stunden), kostet so ein Platz dann schon mal 593 Euro (plus 39 Euro) als anderes Ende der Tabelle. Das ist gerade für Alleinererziehende schon ein ordentlicher Batzen.
Elternbeiträge sind der kleinste Teil
Es gibt ja eine weitere harte Zahl für diese Entscheidungen der Kindergartengebühren. Das Land setzt eigentlich eine Marke von 20 Prozent Elternanteil für die Kinderbetreuung als Maßstab an, von dem die meisten Gemeinden meilenweit entfernt sind. In Singen sind das gerade mal 12,35 Prozent derzeit. In anderen Zahlen: Die Stadt beziffert die Gesamtkosten der Kinderbetreuung mit 23,9 Millionen Euro, die Elternbeiträge machen gerade mal 1,7 Millionen Euro aus. Die Stadt selbst muss in diesen Topf der Kinderbetreuung am Schluss trotz Landesförderung fast elf Millionen selbst beisteuern. Geld, das für andere Dinge eben weniger ist.
Klar ist den lokalen Politikern, dass es mit dieser Erhöhung nicht getan ist, denn diese 20 Prozent haben eine starke Bedeutung: Es könnte der Stadt unter Umständen durch die Rechtsaufsicht verweigert werden einen Kredit für wichtige Baumaßnahmen aufzunehmen, da sie an ihrer schlechten Finanzlage selbst schuld sei, um das mal salopp zu sagen.
Stockach zieht eine Bremse
Genau das war zum Beispiel ein hart umkämpfter Punkt im Stockacher Gemeinderat letzten Mittwoch. Dort war die Stadt selbst schon von den empfohlenen 8,5 Prozent Erhöhung abgerückt und hatte den Rätinnen und Räten sechs Prozent empfohlen. Doch schon Christoph Stetter brachte für die CDU den Antrag ein, hier nur fünf Prozent zu erhöhen, um ein Signal für die Eltern zu setzen. Dem schlossen sich die anderen Fraktionen an, bis dann sogar der Antrag aus der eigenen Partei durch Dr. Jürgen Kragler kam, der meinte, dass vier Prozent auch reichen sollten. Die Belastung sehe er in der eigenen Familie.
Eine Mehrheit dafür gab es freilich nicht, aber harte Worte von Bürgermeister Stolz. Die Stadt Stockach habe (siehe oben) ihren Haushalt mit einem Defizit von 5,2 Millionen Euro im laufenden Betrieb nur deshalb genehmigt bekommen, weil man keine Schulden aufnehme, sondern das Geld aus dem Ersparten hole. „Das wird irgendwann weg sein“, malte er an die Wand und dann stehe die Stadt vor großen Problemen, könne handlungsunfähig werden. Der Gesamtelternbeirat hatte noch in der Nacht vor der Sitzung übrigens darum gebeten, dass man lieber ganz auf eine Erhöhung verzichten solle, angesichts der aktuellen Belastung der Eltern. Über das Entgegenkommen war die Vorsitzende des GEB, Lisa Neubauer, dann doch erleichtert. Aber: Die fünf Prozent wurden gleich schon mal für die nächsten drei Jahre beschlossen. Slso gehen sie jedes Jahr um fünf Prozent hoch. Wer weiß, wie sich die Kosten wirklich entwickeln, wenn auch die Fachleute sagen, dass es munter weiter nach oben gehen wird.
In Stockach bedeutet die Erhöhung, dass die Regelgruppe im Monat „nur“ um sieben Euro auf dann 145 Euro steigt, ganztags in U3, das andere Ende der Tabelle, wären es stolze 728 Euro ab September. Und zum Vergleich: Durch die Erhöhung kommt Stockach nun auf eine Kostendeckung durch Elternbeiträge von 15,08 Prozent. In der Stadt machen übrigens 21 Prozent der Eltern von der Möglichkeit der Untersützung gebrauch, sagte Verwaltungsleiter Hubert Walk in der Sitzung. Und wenn man auf die empfohlenen 20 Prozent kommen wollte, dann müsste man nun einen Sprung von 35 Prozent nach oben machen.
Offenburger Modell
Während sich in anderen Gemeinden also die Frage nach der Finanzierung der Kindertagesbetreuung stellt, wurde für Radolfzell bereits im Jahr 2021 die stufenweise Erhöhung der KiTa-Gebühren um insgesamt 30 Prozent beschlossen. Der letzte Schritt dieser Erhöhung erwartet Eltern im anstehenden Kindergartenjahr 2023/2024. Der Elternbeitrag für die Regelbetreuung eines Kindes über drei Jahren mit 30 Stunden in der Woche beträgt 127 Euro. Die Ganztagsbetreuung eines Kindes unter drei Jahren mit 40 Stunden in der Woche fordert einen Beitrag von 455 Euro.
Mit diesen betrage die Kostendeckung durch die Elternbeiträge an den Gesamtkosten der städtischen Kinderbetreuung dann 13 Prozent. „Wir werden jetzt nicht zusätzlich noch um 8,5 Prozent erhöhen“, ergänzte hierzu Monika Laule, erste Bürgermeisterin der Stadt Radolfzell. Für Eltern unterhalb einer gewissen Leistungsgrenze gebe es das Angebot der „Zeller Karte“, durch die die KiTa-Gebühren um zehn Prozent reduziert würden. Damit ist sie eine Alternative zur Kostendeckung durch das Landratsamt, die ein niedrigeres Einkommen voraussetzt.
Freilich hat Radolfzell angesicht des Personalmangels noch mit ganz anderen Problemen zu kämfen: Statt der bisherigen Betreuungszeit von 32,5 Stunden pro Woche wolle man sich darauf konzentrieren, eine Basis von 30 Wochenstunden zu schaffen, welche den minimalen Rechtsanspruch abdeckt. Wem dies nicht ausreicht, der hat die Möglichkeit auf 35 Stunden in der Woche aufzustocken. Auf diese Basisbetreuung wird in zwei Schritten umgestellt. Für die meisten Einrichtungen ist das der 1. September 2023, im zweiten Schritt folgen dann die restlichen Einrichtungen. Stichtag ist hier der 1. September 2024.
Die Ganztagesbetreuung soll dabei vorerst eingestellt und nur in einzelnen Einrichtungen, wie der KiTa Mezgerwaidring, weiterhin angeboten werden. Die Wochenstunden werden allerdings auch hier begrenzt, von 50 auf maximal 45 Stunden.
Parallel zum 1. September 2023 starten wird das Pilotprojekt „Radolfzeller Spielezeit“ (RSZ) nach dem „Offenburger Modell“. Gedacht ist dies für Familien, denen 35 Betreuungsstunden nicht ausreichen.
Günstiges Niveau in Hohenfels
In Hohenfels wurde der Elternbeitrag für die Kinderbetreuung in der Gemeinderatssitzung vom 21. Juni „um 8,5 Prozent, gemäß Empfehlung von Gemeindetag, Städtetag und Kirchengemeinden“ erhöht, wie Bürgermeister Florian Zindeler mitteilte. Die Erhöhung tritt zum Beginn des Kindergartenjahres 2023/2024, also am 1. September, in Kraft, wie am letzten Mittwoch im Gemeinderat beschlossen wurde. Man komme hier allerdings von einem recht günstigen Niveau. Damit liegen die Kosten der Regelbetreuung eines Kindes über drei Jahren nun bei einem monatlichen Betrag von 129 Euro. Die Betreuung eines Kindes unter drei Jahren ganztags kostet 406 Euro. Auch der Pauschalpreis für das Mittagessen hat sich erhöht.
Von den etwa 1,2 Millionen Euro, die die Kinderbetreuung in der Gemeinde verursache, würden durch diese Beiträge rund 15,5 Prozent der Kosten gedeckt. Das ist weniger, als die geschätzten 16,2 Prozent vor der Erhöhung, erklärte Zindeler: „Die sinkende Kostendeckung liegt daran, dass die Steigerung des Aufwands, zum Beispiel das Tarifergebnis oder die Betriebskosten, über der beschlossenen Erhöhung liegen.“ Abzüglich der Zuschüsse decke Hohenfels als Gemeinde circa 50 Prozent der Betreuungskosten ab. Unter den Eltern erhielten aktuell rund sieben Prozent staatliche Unterstützung für die Betreuungskosten. Das zeigt den klaren Unterschied zwischen Stadt und ländlichem Raum.
Engen wartet noch ab
Aus der Stadt Engen berichtete der dortige Hauptamtsleiter, Jochen Hock, dass dort erst nach der bald anstehenden Sommerpause entschieden werde, „ob die Gebühren entsprechend der gesetzlichen Empfehlungen der Spitzenverbände angepasst werden“. Dies geschehe dann, wie in Engen üblich, zum Beginn des Kalenderjahres, also am 1. Januar 2024. Die Regelbetreuung zwischen drei und sechs Jahren fordert hier einen Elternbeitrag von 139 Euro pro Monat. Für die Ganztagesbetreuung eines Kindes unter drei Jahren betragen die Kosten 615 Euro. Die Verpflegung ist jeweils noch nicht enthalten.
Im Haushalt der Stadt Engen für 2022 waren etwa 4,1 Millionen Euro für Kinderbetreuung veranschlagt, berichtete Hock weiter. „Der Kostendeckungsgrad der Betriebsaufwendungen durch Elternbeiträge entspricht über alle Einrichtungen hinweg rund 12,98 Prozent.“ Abzüglich weiterer Zuwendungen, wie durch Land oder Bund, bleiben 2022 exemplarisch etwa 44,5 Prozent der Kosten bei der Stadt. Für die Betreuung ihres Kindes erhalten in Engen etwa neun Prozent der Eltern Unterstützungen durch die Sozialbehörden.
Konstanzer Grauen
Wie das mit immer wieder vertagten Gebührenerhöhungen ausgehen kann, musste die Stadt Konstanz schon im Frühjahr vorexerzieren. Dort war der Eltern-Kostendeckungsbeitragt unter zehn Prozent abgerutscht und eine Erhöhung der Elternbeiträge um 25 Prozent alternativlos, trotz Petition der Elternbeiräte – und vor allem mit der Ansage, dass Konstanz diese Marke von 20 Prozent bis 2027 angesichts der gravierenden Finanzprobleme der Stadt erreichen müsse, sprich dass hier noch 78 Prozent Erhöhung anstehen.
Autor:Redaktion aus Singen |
Kommentare