Gefeierte Aufführung am Handlungsort
Den Moser auf dem Hohentwiel zum Leben erweckt

Die drei Färbe-Schauspieler (von links) Fionn Stacey, Ralf Beckord und Elmar F. Kühling nach der umjubelten Aufführung von "Mosers Schweigen" am Hohentwiel, wo die Handlung nahezu wieder zum Leben erweckt wurde.  | Foto: Philipp Findling
  • Die drei Färbe-Schauspieler (von links) Fionn Stacey, Ralf Beckord und Elmar F. Kühling nach der umjubelten Aufführung von "Mosers Schweigen" am Hohentwiel, wo die Handlung nahezu wieder zum Leben erweckt wurde.
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Singen. Manchmal passt es wie die Faust aufs Auge, wenn Theaterstücke dorthin verlegt werden, wo sich die Handlung auch wirklich zutrug. Ganz besonders traf dies nun auf die Aufführung des Färbe-Stücks "Mosers Schweigen" unter der Regie von Klaus Hemmerle am 24. Juli zu.

Die Kulisse beeindruckend, die Geschichte aktueller denn je. Besser hätten die Voraussetzungen für diese wahrlich einmalige Inszenierung im Rahmen des 125-jährigen Stadtjubiläums nicht sein können. Auch Autor Gerd Zahner, selbst gebürtiger Singener, konnte sein Glück kaum fassen, wie er vor Spielbeginn dem WOCHENBLATT erzählte: "Es war schon immer mein Traum, hier auf dem Hohentwiel zu spielen." Für die Färbe selbst war es nach der Aufführung im Stratzero im März 2023 sowie zur Eröffnung eines Privattheater-Festivals in Mosers Geburtsstadt Stuttgart laut Intendantin Cornelia Hentschel hiermit "die absolute Krönung". Der Lohn war folglich und zurecht minutenlanges Standing Ovation nach dem Stück.

Kontaktaufnahme verboten

Dabei spielte sich die Geschichte um den Rechtswissenschaftler und Schriftsteller Johann Jacob Moser doch tatsächlich nur wenige hundert Meter oberhalb der Bühne, die in den Ruinen der alten Bäckerei platziert wurde, ab. Eine Geschichte über einen Mann, der zu Unrecht und ohne fairen Prozess von 1759 bis 1764, also während des Siebenjährigen Krieges, als politischer Gefangener auf dem damals noch Tuttlinger Hausberg saß. Genau an diesem Ort auch verfasste er unzählige seiner über 500 Schriften, von denen einige, für viele Juristen mittlerweile maßgeblich sind. "Allein die 50 Bände des deutschen Staatsrechts", so Elmar F. Kühling in seiner weiteren Rolle als Hohentwiel-Besucher, "haben mehr Seiten als Abonnenten." Menschliche Kontakte und Schreibmaterial wurden Moser nicht gestattet, seine Schriften ritzte er daraufhin mit einer Dochtschere ins Gemäuer seines Kerkers. Der Kommandant versorgte ihn zweimal am Tag mit Nahrung.

Der Hontes als wahrer Hauptdarsteller

Zeigten die Färbe-Schauspieler Ralf Beckord als Moser, Elmar F. Kühling als Kommandant des Herzogs sowie Fionn Stacey als "menschlicher" Hund eine schauspielerisch wirklich außergewöhnlich starke Leistung, war es doch die Festungsruine selbst, die der wahre Hauptdarsteller war. Allein wenn der Kommandant gefühlt über die ganze Burg zu einem Bürger "herüberrief", dass sie einer Meinung in Sachen Mosers Unschuld seien oder als beim "Öffnen" eines Fensters durch den Gefangenen tatsächlich Vogelzwitschern ertönte, fühlten sich die rund 150 Zuschauer auf dem ausverkauften Gelände unterhalb der oberen Festung unmittelbar in diese Zeit zurückversetzt. Man hatte das Gefühl, wirklich am Ort des Geschehens zu sein, auch als die Schauspieler durch und neben die Zuschauermenge gingen.
Gerade auch durch das hier mögliche Echo hatte man vermutlich auch nicht zu Unrecht die Hoffnung, dass der Gedanke und Wille Mosers, selbst Protestant, Pietist und sich stets auf die Wahrheit berufend, sowie seine Botschaft bis weit über den Hegau hinaus in die Welt hinausgerufen, ja fast schon geschrien wurde und er nun noch mehr Bekanntheit erlangen kann.

"Der Julien Assange des 18. Jahrhunderts"

So ist er selbst hierzulande trotz seiner Bedeutung für das deutsche Staatsrecht ein relativ unbeschriebenes Blatt, in Amerika jedoch weitaus bekannter. "Er ist sozusagen der Julien Assange des 18. Jahrhunderts", so Gerd Zahner. Eine Person, mit der selbst der dem Herzog unterstellte Kommandant der Festung Mitleid hatte, so wie Moser selbst mit dessen Hund, als dem das Zeitliche segnete und er kurz darauf nach einem Besuch eines Wirtshauses vor Freude den Mantel durch die Luft wirbelte.
Es war ein Gefühl der Freiheit, die, so hatte es den Anschein, aktueller denn je erscheint, verdeutlicht durch ein Mosersches Zitat, welches im Stück jedoch nicht vorkam: "Unsere Freiheit ist der Stein der Weisen; man sagt, dass er wirklich in der Welt sei; unsere Väter haben ihn gesucht und sind darüber gestorben und verdorben. Wir suchen ihn auch und es wird uns wohl nicht besser gehen als jenen."

Autor:

Philipp Findling aus Singen

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