Eröffnungspremiere in der „Färbe“
„Das Brautkleid“ startet vor ausverkauftem Haus
Singen. Mit viel Witz und einem Hauch Gesellschaftskritik begeisterte das Team um Regisseur Andreas von Studnitz die voll besetzten Ränge der Basilika. Am Freitag, 11. Oktober, startete die Spielzeit 2024/2025 der Singener „Färbe“ mit der Komödie „Das Brautkleid“. Das leichte, kurzweilige Stück schuf genau den richtigen Gegenpol zum nasskalten Herbstwetter, sodass die Plätze der „Färbe“ bereits im Vorfeld restlos ausverkauft waren. Nicht nur zeigten alle Schauspielerinnen und Schauspieler hervorragende Leistungen, auch das minimalistisch gehaltene Bühnenbild und die geschickt eingesetzte Technik verdienen Lob.
Ein Kleid sorgt für reichlich Aufregung
Das Stück beginnt mit der Hochzeitsnacht von Juli, gespielt von Carla Striewe, und Philipp, dargestellt von Julius Barner. Doch schon die ersten Momente sorgen für Irritationen: Denn die Braut trägt – entgegen der Konvention – den Bräutigam über die Türschwelle. Darin zeigt sich nicht nur symbolisch, wer die tragende Kraft in der Beziehung ist, sondern auch das immer wieder im Stück vorkommende Spiel mit Glaube und Aberglaube. Schließlich soll es Pech bringen, wenn die Braut nicht über die Schwelle getragen wird. An dergleichen glaubt der Bräutigam Phillip nicht. Den materialistisch eingestellten Controller schockiert viel mehr, dass Juli 8.000 Euro für das Brautkleid ausgegeben hat und dieses zu allem Überfluss auch noch behalten will – als Erinnerung an diesen ganz speziellen Tag.
So endet die Hochzeitsnacht im Streit. Juli sucht sich einen anderen Schlafplatz und Phillip stellt das Kleid nachts im Suff auf Ebay; für einen Euro mit Sofortkauf. Am nächsten Morgen bereut er seine Tat und will sie rückgängig machen. Doch es ist zu spät: Elke, gespielt von Magdalena Herzberg, hat das Kleid von „Lafarge“ bereits erstanden. Die etwas oberflächliche, ständig über Geld redende und rechnende Kellnerin freut sich über das Schnäppchen, während sie zugleich ihren gutmütigen und ehrlichen Verlobten Roland, gespielt von Nikkel Schüler, dazu bringen will, mehr Geld für seine Tischlerarbeiten zu verlangen. Eine komische und spannende Jagd nach dem Kleid beginnt. Das Stück hält mehrere Überraschungsmomente bereit und mehr als eine Figur hinterfragt im Verlauf der Handlung ihre Partnerschaft. Am Ende des Stücks lächeln zwei der Charaktere, während die anderen beiden ratlos ins Leere starren.
Für den Glauben – gegen Materialismus
Besonders hervorzuheben ist die wunderbare Darstellung von Nikkel Schüler, die vor allem im Spiel mit Julius Barner eine mitreißende Dynamik entwickelte und die Aufmerksamkeit der Zuschauerinnen und Zuschauer fesselte. Dabei gelingt es dem „Brautkleid“ zwischen lockerer Unterhaltung und viel Komik ein wenig Gesellschaftskritik durchschimmern zu lassen.
Neben der nicht gerade neuen Botschaft, dass Geld nicht glücklich macht, schwingt ein Abgesang auf die materialistisch-technische Weltsicht und eine durch und durch rationale Lebensführung mit. Glück hat mit Glauben zu tun – aber nicht unbedingt an Gott. Auch der Glaube an einen Menschen, an Gerechtigkeit oder an ein Kleid, das man an einem ganz besonderen Tag getragen hat, macht glücklich. Und keine noch so gute Kosten-Nutzen-Rechnung kann die Enttäuschung über eine ruinierte Hochzeitsnacht wieder aufwiegen.
„Das Brautkleid“ ist das zweite Stück von Autor Stefan Vögel, das in der „Färbe“ aufgeführt wird. Bereits 2022 zeigte das Theater mit großem Erfolg „Die Niere“, das zeitweise das am häufigsten aufgeführte zeitgenössische Stück im deutschsprachigen Raum war. „Das Brautkleid“ läuft noch bis Ende November, jeweils am Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag um 20 Uhr. Eine Matinée-Vorstellung findet am Sonntag, 27. Oktober, um 11 Uhr statt. Karten können montags bis freitags von 10 bis 14 Uhr über 07731 64646 oder über diefaerbe@t-online.de reserviert werden.
Autor:Patrik Silberling aus Singen |
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