Frage zur Chancengleichheit an die Kandidaten aus dem Wahlkreis Singen-Stockach
Corona Maßnahmen als Spaltpilz der Gesellschaft?

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Singen/Stockach. Die beiden Corona-Lockdowns, die die Politik in dem fast einen Jahr seit den ersten Infektionen mit Covid-19 gesetzt hatte, haben die Gesellschaft in vielerlei Hinsicht gespalten, wobei es da gar nicht mal darum ging, ob man nun für oder gegen die Maßnahmen war, die da verhängt wurden. Besonders in den Schulen stellte sich angesichts eines überstürzten Starts ins Homeschooling schnell die Frage, weshalb hier nicht alle den gleichen Zugang haben.
In der Wirtschaft gab es Milliarden für Großunternehmen oder die Lufthansa, in der gleichen Zeit mussten Solo-Selbstständige oder Künstler um ihr Überleben kämpfen. Warum dürfen nun Friseurgeschäfte öffnen, während der Schuhladen nebendran zu bleiben muss, obwohl man sich da sicher nicht näher kommt? Auf viele dieser Themen gehen die Kandidaten ein.

Die Frage: „Wurde im Zuge der Corona-Maßnahmen UND -Ausgleichsmaßnahmen die Chancengleichheit nachhaltig gewährt? (Hier darf das erste Wort nur Ja oder Nein sein.) Wenn ja, warum denken Sie das und wie gelingt es hier, die Betroffenen ausreichend mitzunehmen? Wenn nein, wo sehen Sie die größten Mängel in den Maßnahmen und was muss geändert werden?”

Die Antworten der Kandidaten:

Hans-Peter Storz (SPD): „Ja. Der Bund hat mit den Ländern nicht nur Maßnahmen zum Gesundheitsschutz ergriffen, sondern von Beginn an Hilfsprogramme aufgelegt, die den wirtschaftlichen Schaden durch die Bekämpfung der Krankheit so gering wie möglich halten sollen. Der Staat hat somit Handlungsfähigkeit bewiesen und das sehe ich positiv. Allerdings zeigen sich Probleme und Versäumnisse: Die Schwierigkeiten mit der Organisation der Impfungen werfen ein schlechtes Licht auf das zuständige Sozialministerium in Stuttgart. Die Auszahlung der Hilfen für Betriebe, für die das Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier zuständig ist, dauert unerträglich lange und gefährdet so viele Existenzen. Und in der Schule? Andreas Stoch hat ein Konzept für ein krisenfestes Klassenzimmer vorgelegt, doch die grün-schwarze Landesregierung wollte nicht hören. Damit Regierung und Verwaltung ihre Fehler schnell analysieren und daraus lernen, braucht es eine funktionierende demokratische Kontrolle: durch mündige Bürger und durch das Parlament.”

Dorothea Wehinger (Büdnis 90/Grüne): „Nein. Nicht jedes Kind hat zuhause die gleichen Rahmenbedingungen. Unterschiede in der Technikausstattung oder der Unterstützung durch Familienmitglieder gehen zulasten der Chancengleichheit. Es ist daher wichtig, dass Lehrkräfte regelmäßig den direkten Kontakt zu Schüler*innen suchen, um dann gegebenenfalls gezielt die Schüler*innen zu fördern, bei denen ein entsprechender Bedarf besteht. Damit dies zeitlich umsetzbar ist, fordern wir zur Entlastung der Lehrkräfte den Einsatz von multiprofessionellen Teams an Schulen, in denen etwa psychologische, sozialpädagogische und IT-Fachkräfte vertreten sind. Neben der Chancengleichheit in der Bildung gibt es auch im Bereich Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern Schieflagen. Ein Beispiel: 80 Prozent der Angestellten in systemrelevanten Berufen sind Frauen. Im Bundestag setzen wir Grüne uns für eine bessere Bezahlung dieser Jobs ein. Für die bessere Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege setze ich mich im besonderen Maße ein.”

Bernhard Eisenhut (AfD): „Nein. Teilweise wurden nicht nachvollziehbare Beschränkungen erlassen und Maßnahmen beschlossen. Der ohne parlamentarisch-demokratische Legitimation der Bevölkerung auferlegte Lockdown hätte in dieser Form nicht stattfinden dürfen. Dadurch wurde die Wirtschaft stark geschädigt. Viele werden sich davon nicht mehr erholen. Versprochene Hilfen wurden gar nicht oder nur schleppend ausbezahlt. Teilweise sind noch die Novemberhilfen offen. Antragsformulare sind derart kompliziert, dass man sie nur mit einem Steuerberater ausfüllen kann. Ich spreche für die kleinen Betriebe, die Gastronomie usw. – hier ist ganz einfach schnelle unbürokratische Hilfe gefordert. Diese Leute fühlen sich alleingelassen. Der Lockdown ist sofort zu beenden.”

Dr. Franz Segbers (Die LINKE): „Nein. Die staatlichen Maßnahmen haben die Chancengleichheit in der Corona-Krise verletzt: Je geringer das Einkommen, desto größer waren die Einbußen. Vor dem Virus sind zwar vordergründig alle Menschen gleich. Doch bei den staatlichen Hilfspaketen, Rettungsschirmen und Fördermaßnahmen wurden die Menschen mit kleinen Einkommen benachteiligt. Wer Hartz IV bekommt, bekam gerade einmal 300 Euro zugeworfen. Ich unterstütze die Forderung von Caritas, Diakonie und anderen, den Hartz-IV-Regelsatz auf 600 Euro zu erhöhen. Wir brauchen ein Mindestkurzarbeitergeld von 1.200 Euro. Das Vermögen der tausend Reichsten ist in der Corona-Krise um 300 Millionen auf 400 Mrd. Euro gestiegen. Große Unternehmen wie BMW haben über 1,5 Mrd. Euro an Dividenden ausgeschüttet und vom Staat Kurzarbeitergeld kassiert. Dänemark und Frankreich binden Überbrückungshilfen an die Bedingung, dass ein Unternehmen keine Gewinne ausschüttet. Das würde ich mir für Deutschland auch wünschen.”

Markus Bumiller (FDP): „Nein. Der November-Lockdown war nichts anderes als Symbolpolitik welche zu Lasten derer ging, die am einfachsten zu greifen waren. Dem Handel wurde sogar ,Click & collect‘ verboten. Unserer Forderung, das dem Handel wie in der Gastro dazu ermöglichen, wurde erst nach Weihnachten nachgekommen. Er wurde deutlich benachteiligt.
Das Schlimmste ist allerdings, dass die CDU- und SPD-geführten Wirtschafts- bzw. Finanzministerien schon im November wussten, dass die Auszahlungen erst im Februar und März geleistet werden können. Dies geht laut ARD aus internen Papieren hervor. Somit wurden tausende Unternehmen sowie deren Mitarbeiter von beiden Ministerien belogen.
Ich stelle mir wirklich die Frage, was die Bundes- sowie Landesregierung in der Zeit zwischen Mai und November getan haben. Die Vorbereitungen auf die zweite Welle waren desaströs. Es braucht jetzt unbedingt Perspektiven für die Betroffenen.
Die FDP ist die einzige Partei, welche eine detaillierte Öffnungsstrategie vorgelegt hat. Diese basiert auf verschiedenen Stufen und die Maßnahmen können somit entsprechend, auch regional, angepasst werden.”

Tobias Herrmann (CDU): „Nein. Zur Erläuterung nur wenige Beispiele: Corona-Maßnahmen: Die Schulschließungen werden die Kluft zwischen jenen Kindern mit guter häuslicher Unterstützung und jenen ohne diese deutlich vergrößern. Wir sind nun gefordert, dies durch effiziente Fördermaßnahmen zu beheben.
Frauen sind oft die Leidtragenden in der Corona-Krise: Viele arbeiten familienbedingt in Teilzeit oder in Minijobs – Gehaltseinbrüche sind dadurch deutlich größer. Dies sollte bei Ausgleichsmaßnahmen berücksichtigt werden.
Gastronomen und Einzelhändler sind durch die Geschäftsschließungen besonders hart betroffen, während andererseits der Internethandel boomt.
Die Ausgleichsmaßnahmen zu den Geschäftsschließungen können leider nicht die Einbußen vollständig kompensieren. Dies kann der Staat nicht stemmen. Die November- und Dezemberhilfen lieferten zudem zu spät. Die neue Überbrückungshilfe III und die Neustarthilfe für Solo-Selbstständige sind positiv.”

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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