Hallo und guten Tag
Das Pubertier

Nicht wegen des bevorstehenden Halloweenfestes mit mehr oder weniger gut verkleideten Gesellen, sondern wegen der ganzjährig unter uns verweilenden »Pubertiere«, wie sie liebevoll von den großen Zweibeinern genannt werden. Bei manch einer Geschichte über die Verhaltensweisen und Entwicklungen der sowohl männlichen als auch weiblichen Exemplare kann es einen schon etwas gruseln. Als ich mit meinem Frauchen neulich bei Ihrer Freundin zum Kaffeeklatsch eingeladen war, berichtete diese von ihrem Pubertier. Mir war bei unserem letzten Besuch schon aufgefallen, dass sich nicht nur äußerliche Veränderungen an ihrem älteren Welpen bemerkbar machen. Hier und da sprießen kleine Hautdellen aus seinem Gesicht, die jeden Moment aufzuplatzen drohen. Eine unschöne Begleiterscheinung des Erwachsenwerdens die ihm sicher große Sorgen berei-ten, mit welchem sich echte Halloweenfans aber sogar absichtlich zum geliebten Gruselevent schmücken. Auch seine Stimme scheint momentan nicht zu wissen ob sie hoch oder tief sprechen soll und leiert ein bisschen vor sich hin. Hm, dass wirft ihn sicher noch mehr aus der Bahn, wenn da so alles an einem im Umbruch ist. Vielleicht erklärt das sein unheimliches Verhalten, dass er sich angewöhnt hat. Letztes Jahr hat er sich immer riesig gefreut mich zu sehen, wollte mich gar nicht von seinem Arm lassen oder mit mir im Garten spielen. Ich durfte sogar mit in sein Zimmer. Jetzt bekommen wir ihn fast gar nicht mehr zu Gesicht. Als ich es dann doch in einem unbemerkten Moment in seine Höhle schaffte, mussten sich meine kleinen Augen erst einmal an die Dunkelheit im Zimmer gewöhnen. Die einzige Beleuchtung kam von einem Bildschirm. Mein kleines Näschen erschnüffelte den Geruch des Erwachsenwerdens. Da wollte ich gar nicht mehr so lange bei ihm bleiben. Hat mich eh nicht bemerkt, war wie von seinem Bildschirm hypnotisiert. Mit sorgenvollem Gesicht berichtet unsere Freundin, dass sich ihr Pubertier in seinem Zimmer verschanzt sobald er aus der Schule nach Hause kommt. Auf Nachfrage wie es ihm geht oder was in der Schule los ist, bekommt sie keine Antworten oder nur bruchstückhafte Wortfetzen, welche sehr gelangweilt oder genervt eine karge Antwort liefern und zu der sich die Eltern alle anderen Informationen irgendwie dazu reimen müssen. Die großen Zweibeiner sind zunehmend in Sorge, da sie nicht genau wissen, womit sich der Junior in seiner abgedunkelten Höhle beschäftigt. Verständlich, wenn ich mir da die Zweibeiner-nachrichten so ins Gedächtnis rufe. Da ist guter Rat teuer. Denn die große Angst der Eltern liegt in der Ungewissheit, mit welchen Menschen sich der nach Orien-tierung suchende Nachwuchs denn im Kinderzimmer über seinen leuchtenden Bildschirm unterhält. Dass Gefühl sich immer weiter von seinen Kindern zu entfernen obwohl man eigentlich unter einem Dach wohnt, wird immer unbehaglicher. Es ist ein Balanceakt dem Nachwuchs die Freiheit zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zu geben. Ich glaube mit Vorhaltungen oder Druck entfernt man sich da noch schneller. Unsere Freundin zeigt ihrem Pubertier, dass Streicheleinheiten durch Gespräche oder Interesse jederzeit gegeben werden können. Genauso, wie Sie es früher in ihrer schwierigen Zeit des Erwachsenwerdens auch gerne gehabt hätte. Und ich glaube sie hat Erfolg mit dieser Methode, denn kurz bevor wir gehen wollten kam er aus seiner Höhle und wollte mich unbedingt noch auf dem Arm halten. Empathie und Einfühlungsvermögen bleiben bei manch einem im Alltag auf der Strecke …

Versetzen Sie sich doch auch öfter einmal in die Lage anderer, um hineinzufühlen und zu verstehen, wie es Ihrem Gegenüber geht. Denn, vielleicht sind die erwachsenen Pubertiere Ihrem eigenen Nachwuchs ja auch irgendwie unheimlich?

Ihre Priscilla.

Autor:

Redaktion aus Singen

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