1944 Jahre nach Christus I
Mein Jahrzehnt: Wilhelm Josef Waibel

Es war für mich und meinen gleichaltrigen Freund Bernhard.so eine Art "Kriegsspiel". Doch am 25. Dezember 1944 war es anders. Dieser Tag sollte uns den Schrecken des Kriegs beibringen. Zum Weihnachtsfest gab es trotz der Lebensmittelknappheit ein kleines Festessen.

Um 14 Uhr fingen die Sirenen an ihre Todesmelodie zu singen: Fliegeralarm. Oma schimpfte noch über die Störung am Heiligen Tag. Sie konnte es nicht begreifen. Wir runter in den Keller. Vater raste in die Maggi. Die Nachbarn kamen bei uns vorbei. Und wieder saßen Bernhard und ich im Keller. Wir malten immer mit Kreide weiße Striche auf den Stützbalken. Auch an diesem Tag, kam ein Strich dazu.

Info:
"Wir wohnten in der Rielasinger Straße, in der unmittelbaren Nähe des heutigen Parkhauses. In den Keller waren wir schon oft gegangen. Wir hatten sogar Kriegsspielzeuge. Bis die ersten Bomben auf Singen flogen, konnte man sich nur in der kindlichen Fantasie ausmalen, was wirklich passiert. Immer wenn die Sirenen heulten gingen wir runter. Die Familie, die im gleichen Haus wohnte, kam auch in unseren 15 Quadratmeter großen Keller. Für uns Kinder waren die Fliegeralarme noch nicht sehr "aufregend" gewesen.

Es kam immer näher. Gegen 14.30 Uhr, tat sich ein schauriges Heulen über der Stadt auf: herabstürzende Bomben. Mit jedem Schlag zitterte der Boden. Dann wurde es auf einmal Dunkel - Stromausfall. Im Keller herrschte Angst - Todesangst. Ein Gefühl, welches man nie wieder vergessen kann. Dann die erlösende Entwarnung. Wir öffneten die schwere Panzertüre und gingen nach oben. Der Christbaum im Wohnzimmer stand noch. Keine der Glaskugeln wurde zerstört. Auch wir sind alle heil davongekommen. Am Fabrikzaun, sah ich zum ersten Mal in meinem jungen Leben eine Leiche. Es war eine polnische Zwangsarbeiterin. Die Bomben hatten ihren Körper völlig zerfetzt. Die Häuser um die Bahnunterführung bis zur Lindenstraße/Schlachthausstraße waren völlig zerstört. Und dann, für mich unvergesslich: Ein Bekannter meines Vaters lief verstört durch die Rielasinger Straße. Mit Tränen in den Augen und stotternder Stimme schrie er sein ganzes Leid heraus: "mein Bub ist tot, mein Bub ist tot." Und Schuld? Haben Kinder Schuld an derartigen Geschehen? Und die Kinder in den von deutschen Soldaten bombardierten Ländern, hatten die Schuld? "

Aufgezeichnet von Wolfgang Graf

Autor:

Redaktion aus Singen

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