2000er Jahre nach Christus
Kleinste Welten, größte Welten
Es sind auch die ganz großen und die ganz kleinen Dimensionen, mit denen sich die Physik heute auseinandersetzt. Mit dem Universum: Das dehne sich nach dem derzeitigen Kenntnisstand der Physik aus und sei vor rund 15 Milliarden Jahren entstanden, sagt Prof. Jürgen Mlynek (48), Physik-Professor an der Universität Konstanz, Leibniz-Preisträger und Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeintschaft. Einige Fragen sind unbeantwortet geblieben: Man wisse nicht, ob unser Universum einmalig oder nur eines von vielen sei.
Unklar sei auch, ob sich unser Universum für alle Zeiten ausdehnen oder irgendwann in sich zusammenfallen wird. Auf der anderen Seite sucht die Physik nach den allerkleinsten Bausteinen. Quarks (kleine Bausteine des Atomkerns) und Strings (kleinste schwingende Fädchen, die bislang nur auf theoretischen Annahmen gründen und die die Grundlage aller elementaren Teilchen sein sollen) sind die Objekte des Forscher-Interesses. Die Versuche, die Welt mit Hilfe der kleinsten und der größten Bausteine zu erklären und zu errichten, sind auch in der Technik zu erkennen: In der Nano-Technologie werden aus größeren Strukturen immer kleinere. Die Siliziumtechnologie für die Chipherstellung basiert auf diesem Prinzip. Auf 1/5000 Millimeter lasse sich heute im besten Fall ein Bit unterbringen. Der andere Weg: Aus Atomen werden größere Einheiten hergestellt, ähnlich wie mit einem Legobaukasten, so Mlynek.
Irgendwann, das liege zumindest im Bereich des theoretisch möglichen, könnten sich die Entwicklungen treffen. Würde man es schaffen, ein Bit auf einem Atom abzuspeichern, so würde ein derart konzipierter Speicherbaustein das millionenfache eines heutigen Bausteins auf gleicher Fläche abspeichern können. Bis das Realität wird, gibt es Hindernisse zu überwinden: Womit will man solche Speicherbausteine beschreiben oder lesen? Das sei ungeklärt. Informationen lassen sich heute schnell verarbeiten, in der digitalen Welt theoretisch sogar schneller als im menschlichen Gehirn: Optische Systeme können tausend Milliarden Mal schneller sein als biologische Systeme, also auch als das Gehirn. Und der Datentransport mit optischen Hilfsmitteln ist im Kommen: Pro Sekunde werde weltweit ein Kilometer Glasfaserkabel verlegt. Leistungsfähiger und effizienter als das Gehirn sind Rechner trotzdem nicht: Der Rechner verarbeitet Informationen nacheinander, das Gehirn kann viele Informationen gleichzeitig verarbeiten. Eine der großen Herausforderungen der Zukunft, so der Physiker, dessen Fachgebiete die Optik und die Oberflächenphysik sind, sei es, das, was die Natur geschaffen habe, mit künstlichen Strukturen zu koppeln. Brain-Technology, das ist in Amerika bereits ein Begriff für die fachübergreifende und durchdringende Zusammenarbeit zwischen Medizinern, Biologen, Informatikern und auch Physikern, um die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns zu klären und nutzbar zu machen.
Info:
Wir leben im Zeitalter der Extreme und im Zeitalter der Kommunikation, der Information. Das größte und das kleinste interessiert, das schnellste sowieso und wir können weltweit alles transportieren, vor allem Sprache und Bilder, rund um den Globus, in Sekundenschnelle, ungeachtet aller Grenzen.
Das Verständnis unseres Gehirns wird wesentlichen Einfluss auf die Zukunft haben.
Prof. Jürgen Mlynek
Allzuviel versteht die Wissenschaft allerdings noch nicht von der Arbeitsweise des Gehirns: »Wir sind dabei, einzelne Bauelemente zu verstehen«, so Mlynek. Das Gehirn des Menschen rückt noch aus anderen Gründen in den Vordergrund: Längst hat man erkannt, dass Informationen nur dann etwas bringen, wenn sie vernetzt sind und als Wissen zur Verfügung stehen. Und die Wissenschaft, sagt Mlynek, habe erkannt, dass sie die Gesellschaft am Wissen mehr beteiligen müsse. Die Wissenschaft müsse in der nächsten Zeit aus dem Elfenbeinturm heraus und sich verständlich machen. Denn: In Zukunft gehe es auch darum, dass die Wissenschaft gerade angesichts leerer öffentlicher Kassen durch die Gesellschaft unterstützt werde.
Unsere Gehirne indes werden sich in Zukunft weiterhin mit einem großen Problem auseinandersetzen müssen, für dessen Lösung die forschende Physik unverzichtbar ist: Mit der Energie. »Entweder neue Energiequellen erschließen oder sparen«, das seien die Möglichkeiten. Und alternative Energiegewinnung durch Windkraftwerke, Wasserkraftwerke oder Photovoltaikanlagen würden voraussichtlich nicht reichen. Als Lösung stehe die Kernfusion zur Debatte, eine Reaktion, die die Sonne seit Milliarden von Jahren strahlen lässt.. Aber: Seit 50 Jahren arbeite man am Fusionsreaktor, ohne bislang alle Probleme beseitigt zu haben: Bei der Kernschmelze würden im Reaktorkern mehrere Millionen Grad herrschen. Die muss man erzeugen und vor allem dämmen.
Anatol Hennig
Autor:Redaktion aus Singen |
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