1840 Jahre nach Christus
Die Mode braucht die Sticker nicht mehr
Hand in Hand mit der Leinwandindustrie wuchs das Stickereigewerbe. War die Handstickerei früher eine reine Frauen- und Hausarbeit, änderte sich mit der Konstruktion der ersten Handstickmaschine durch den Elsäßer Josua Heilmann im Jahre 1828 einiges: Die Stickmaschine erledigte die Arbeit von etwa vierzig Stickerinnen, indem sie das Muster parallel auf viele Nadeln übertrug, die dann gleichzeitig stickten. Von den vierzig Arbeitskräften blieb lediglich ein Sticker, und eine Fädlerin übrig. Der Sticker führte den Pantographen- das ist eine Art Stift, mit dem er das aufgezeichnete Muster abfährt -,die Fädlerin zog und schnitt den Faden.
Da die Maschine noch mit Muskelkraft betrieben wurde, saßen jetzt ausschließlich Männer an den Stickmaschinen. Diese Maschine war jedoch noch für die Produktion ungeeignet. Erst 1840 gelang es Franz Elysäus Rittmeyer und dem Mechaniker Franz Anton Vogler die Maschine entscheidend zu verbessern. Dem zunächst ausbleibende Durchbruch der neuen Technologie half ein Hamburger Kaufmann etwas nach, indem er die Maschinenstickereien als Handstickereien, sogenannte »Hamburghs«, deklarierte und verkaufte. Davon profitierten natürlich auch die Maschinenhersteller; so begannen zum Beispiel die »mechanischen Werkstätten St. Georgen« die Produktion, die berühmten »Sauer«-Werke in Arbon folgten später.
Info:
Schriftstücke aus dem St. Gallener Kloster belegen, dass bereits im 8. Jahrhundert Bauern ihren Landesherren Flachs oder Leinwand abtreten mussten. Mit der Einführung besonderer Qualitätssiegel und der Verkettung verschiedener Produktionsschritte, wie zum Beispiel Bleichen, Färben und Verpacken , wurde ein Monopol geschaffen. Um 1500 war St. Gallen in ganz Europa für qualitativ hochwertige Leinwand bekannt. Exportiert wurde von Polen bis Spanien..1857 gab es im Kanton St. Gallen bereits 19 Stickfabriken mit über 200 Maschinen. Nach einer kurzen Krise schien dem Aufstieg der Maschinenstickerei jedoch nichts mehr im Wege zu stehen, so wurden zwischen 1865 und 1867 allein im Kanton St. Gallen 38 Stickfabriken gegründet. Bis zum Jahr 1890 waren in der Schweiz über 18000 Maschinen in Betrieb. An dem enormen Wirtschaftsboom wollte sich nun jedermann beteiligen, und auch Privatleute kauften Stickmaschinen. Durch die Möglichkeit von Ratenzahlungen gaben die Maschinenhersteller ihnen einen einfachen Einstieg zur Heimarbeit. In vielen (ländlichen) Häusern wurden Sticklokale eingerichtet; so ratterte mancherorts in jedem zweiten Haushalt eine Maschine. Die zwischenzeitlich erfundene dampfbetriebene Handstickmaschine war zu unpraktisch um große Beachtung zu erhalten. Eine Revolution stellte jedoch die Entwicklung der Schifflistickmaschine dar, die Isaak Gröbli 1863 erfand.
Er verband das Prinzip der Nähmaschine mit dem der Stickmaschine. Wie auch die Handstickmaschine setzte sich die Schifflistickmaschine erst schleppend durch, ihr Vorteil war jedoch gewaltig: Dank dem mechanischen Antrieb und der neuen Technik arbeitete sie acht bis zehn mal schneller. Diese Produktionssteigerung führte zu einer Verbilligung der Stickereien, so konnten sich auch die breite Bevölkerung Europas und Amerikas der neuen Mode anpassen.
Jörg Wegener
Autor:Redaktion aus Singen |
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