Leiharbeiter und Sonderschichten als Kontrast
Wortspielereien um Stellenabbau vor dem Ende von BCS
Radolfzell. Die chinesischen Eigner von BCS verschärfen ihren Kurs bei der ankündigten Schließung des Standorts in Radolfzell, dem einstigen Automobilzulieferer "Messmer" zusehends. Während noch in 2022 mit Dr. Daniel Martinez als Werksleiter in Radolfzell Hoffnungen keimten, das Werk durch Investitionen in robotisierte Produktionslinien für Automobil-Cockpits wieder wettbewerbsfähig zu machen, war die Ankündigung der Schließung auf Ende 2024 ein harter Schlag für die Belegschaft. Kürzlich wurde nun verkündet, dass die Produktion schon Ende des dritten Quartals dieses Jahres enden soll. Inzwischen sind mehrere Verfahren dazu vor den Arbeitsgerichten anhängig.
Ein neues Verfahren wurde am Donnerstag im Radolfzeller Arbeitsgericht verhandelt, in dem der Betriebsrat eine schnelle Entscheidung forderte: Denn obwohl in dem Radolfzeller Standort noch Leiharbeiter von fünf Anbietern (auch von anderen BCS-Standorten) tätig sind, flatterte über 250 der noch verbliebenen 320 Mitarbeiter des Werks "ohne Ankündigung" die Kündigung kurz vor Ostern ins Haus. Das sei der nächste Schock gewesen, nachdem auf einer Betriebsversammlung Anfang März noch verkündet worden sei, dass der Betrieb bis Ende des Jahres produziere. "Es geht da nicht um Geld, sondern um Schicksale", wetterte dazu der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Thomas Ertl vor dem Gerichtssaal. Der Betriebsrat hatte über seinen Anwalt Manuel Gulde aus Reutlingen hier ein Eilverfahren angestrengt, weil der die Vereinbarungen im Sozialplan gebrochen sieht. Dort heißt es, dass die Kündigungen erst ausgesprochen werden dürften, wenn die Leiharbeiter abgemeldet seien. Davon, dass die Leiharbeiter raus müssten, wüssten auch die Zeitarbeitsfirmen nichts, unterstrich in der Verhandlung der Betriebsratsvorsitzende Thomas Kammnick zusammen mit dem Anwalt, denen die Mitteilung fehlte.
Verschiedene Realitäten
Die Noten waren durchaus zynisch in der Verhandlung, wenn der Anwalt von BCS, Markulf Behrendt aus Hamburg, bemerkte "wie fern unsere Realitäten voneinander sind". Kurz gesagt: Das Unternehmen hatte die Leiharbeiter nicht "abgemeldet", sondern mitgeteilt, dass die Leiharbeiter bis zum 30. Juni "abzumelden sind". Der Richter Matthias Ott war hier auf der Seite des Unternehmens in der Argumentation und befand den Antrag "nicht substanziiert" - das hätte besser in der Betriebsvereinbarung formuliert werden müssen durch die Arbeitnehmervertreter. Man könne nicht erst kündigen, wenn die Leiharbeiter raus seien, weil die Fristen zum Teil nicht reichten. Klein beigeben will der Betriebsrat trotz der Niederlage hier nicht und strebt, wenn das Urteil begründet vorliegt, den Weg zum Landesarbeitsgericht in Freiburg an.
Dort ist bereits ein weiteres Verfahren anhängig, bei dem der Betriebsrat ebenfalls eine Niederlage in Radolfzell einstecken musste: Dabei geht es um die Rückforderung der Mitarbeiter für all den Lohnverzicht und Mehrarbeit in den letzten Jahren, was mit der IG Metall damals zur Rettung des Standorts eingebracht wurde. Umsonst aus heutiger Sicht.
Trotzdem mehr arbeiten
Während inzwischen Monteure und Arbeiter aus dem rumänischen Temeschwar im Banat bereits vor Ort mit der Demontage von Anlageteilen begonnen haben, die dann dort wieder aufgebaut werden sollen, wird von BCS von der ohnehin traumatisierten Belegschaft nun verlangt, Sonderschichten am Samstag zu schieben. Das Unternehmen will hier auf Lager produzieren, um die Ausfallzeit zu kompensieren, bis in Rumänien wieder markttauglich produziert werden könne. Darüber wird als weitere Ebene gerade im Schlichtungsausschuss in Stuttgart verhandelt.
Wie der Stand inzwischen einer Transfergesellschaft für bis zu 80 dann ehemalige Mitarbeitende von BCS ist, konnte niemand genau sagen hier rund um den Gerichtstermin. Die ziehe wohl erst, "wenn der Arbeitsplatz weggefallen ist".
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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