Appell der Gemeinsamkeit zum Neujahrsempfang
Viele Wege werden mutige sein müssen für Radolfzell
Radolfzell. Sprichwörtlich bis auf den letzten Platz besetzt war das Radolfzeller Milchwerk am Sonntag zum ersten Neujahrsempfang mit OB Simon Gröger: Und weil Gröger wie Bürgermeisterin Monika Laule am Eingang auch fast jedem der BesucherInnen mit persönlichen Worten zum Start ins neue Jahr noch die Hände schüttelten, wurde es doch eine gute halbe Stunde später, ehe der Musikverein Markelfingen unter der Leitung von Kuno Rauch mit seinen Klängen den festlichen Akt eröffnen konnte.
Der Rückblick über ein doch sehr ereignisreiches Jahr lief mit hunderten Bildern über die Leinwand und viele fragten sich angesichts der Fülle an Ereignissen, ob das wirklich nur ein einziges Jahr gewesen ist. In den vielen Krisen und angesichts der damit verbundenen Herausforderungen von den Corona-Lockdowns über den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine bis zur heraufziehenden Energiekrise habe Radolfzell gezeigt, dass es zusammenstehe, um das auch gemeinsam zu lösen. Simon Gröger blickte deshalb auch gleich in die Zukunft, in der es angesichts noch weiterer Herausforderungen nötig sei, diese auch gemeinsam zu meistern.
Zwei Vorschläge für Klinikum
„Wir brauchen eine breite Zielsetzung, bei denen wir klare Schwerpunkte setzen“, führte Simon Gröger in seine Perspektiven für 2023 ein. Dazu benötige es sehr viel Energie, vom Gemeinderat, von der Verwaltung, von den Ortsteilen wie von der Bevölkerung.
Herausragendes Thema ist für Gröger das Radolfzeller Klinikum (was mit deutlichem Applaus beantwortet wurde), denn Radolfzell habe gezeigt, dass es hier zusammen dafür stehe, dass eine Fortsetzung der medizinischen Versorgung auch nach einer etwaigen Schließung gesichert sei – und dass es auch eine Wertschätzung für 160 Jahre gebe, in denen das Krankenhaus die medizinische Versorgung hier für die Stadt leistete. Radolfzell biete dem Landkreis seit diesem Wochenende auch zwei bestens erschlossene Grundstücke in der Mitte des Landkreises auf der Gemarkung als möglichen Standort für ein zentrales Kreisklinikum an.
Die Lage in den Kindergärten sei besorgniserregend, gestand Simon Gröger ein. In acht von zehn Einrichtungen gäbe es einen „Notbetrieb“. „Stellen sie mehr Erzieherinnen ein“, werde ihm immer wieder gesagt, doch der Blick müsse einfach weiter gehen. Die forcierten Einstellungen im letzten Jahr hätten nicht gereicht, um die Fluktuation auszugleichen, machte Gröger deutlich. Deshalb müsste an den Ursachen gearbeitet werden.
Dialog zur Kita-Krise
„Jetzt sind wir alle gefordert, um eine gute Lösung zu finden“, schwor Gröger auf die Radolfzeller Gemeinschaft ein. „Wenn ich alles betrachte, was wir an Informationen zusammengetragen haben, ist klar, dass es ein Weiter-so nicht geben kann.“ Der Gemeinderat wird zu einer Sondersitzung die Probleme im Kita-Bereich noch vor den Haushaltsverhandlungen Ende Januar besprechen. Am 14. Februar, 19 Uhr, wolle man einen Dialog auch mit den Elternvertretern wie Eltern führen, hier im Milchwerk, um nach Lösungen zu suchen.
Wohnraumkonferenz
Wohnraum in Radolfzell ist schon lange knapp, deshalb gelte es hier klare Akzente zu setzen, mit einem Dialogforum im März und auch mit der Fortsetzung einer Diskussion um eine mögliche städtische Wohnbaugesellschaft. „Wir müssen einen ersten Schritt gehen, um weitere nehmen zu können“, machte Gröger hier auf einen Prozess aufmerksam, der in diesem Jahr gestartet werden soll.
Ein weiteres Thema sind die Finanzen: schwere Haushaltsberatungen stünden bevor. Man habe durch Mehreinnahmen zwar etwas mehr Spielraum, die Energiekrise und die Baukostensteigerungen führten aber zur Notwendigkeit von klaren Priorisierungen: „Wollen wir's weiter so bauen oder wollen wir's ändern, und wie kommen wir da raus?“, sind dazu die Fragen, denn auch der Landkreis brauche deutlich mehr Geld. Ein Schlüssel müsse sein, starken Mittelstand zu stärken und neue Unternehmen anzusiedeln, um mehr Einnahmen zu generieren, zeigte Gröger den Weg auf.
Klimaschutz gemeinsam
Klimaschutz gehe alle an und deshalb müssten alle daran mitarbeiten, meinte Gröger weiter in seiner frei gehaltenen Rede. Mehr regenerative Energien seien ein Weg, aber der Aspekt der Nachhaltigkeit müsse stärker in die Strategie der Stadt: Das gesamte politische Handeln müsse dahingehend ausgerichtet werden.
Um die gesetzten Ziele umzusetzen, brauche man in der Stadt eine reelle Teilhabe und tatsächliche Partizipation. „Viele der Wege werden mutige Wege sein müssen“, stimmte Gröger auf das neue Jahr ein und zeigte sich zugleich zuversichtlich angesichts des starken Miteinanders hier in der Stadt, das er im ersten Jahr seiner Amtszeit erlebt hatte.
Tierbewegung in Echtzeit
Martin Wikelski – Professor an der Universität Konstanz und Direktor des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie in Konstanz und Radolfzell – führte die Besucher ins faszinierende „Internet der Tiere“ zur Erforschung des Wanderverhaltens von Vögeln, Wildtieren, Fischen bis hin zu Insekten ein, das hier in Radolfzell und Konstanz entwickelt wurde, und das auch als bahnbrechend in der Klimaforschung gilt. Dieses Jahr wird dieses Forschungsprojekt, bei dem man mittels tausender „Tags“, als Minisender, über Mikrosatelliten noch über viel mehr Daten verfügen könne. Die Technik sei inzwischen so weit, dass man bei Katzen die Tags so programmieren könne, dass sie ein Warngeräusch setzen, wenn die Katze auf einen Vogel ansetzt.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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