Biedermann und die Brandstifter der Zeller Kultur
"Viel sieht, wo nichts ist, der Ängstliche"

Hier ist alles noch im Lot: Herr Biedermann gemeinsam mit seiner Frau Babette und den Brandstiftern beim abendlichen Dinieren.  | Foto: Philipp Findling
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Radolfzell. Sind wir nicht alle Brandstifter, und wenn ja, wie viele? Unter anderem dies könnte man sich beim Stück "Biedermann und die Brandstifter" fragen, das derzeit in der Zeller Kultur zur Aufführung kommt.

Unter dem Vorwand, obdachlos zu sein, nisten sich zwei Brandstifter namens Eisenring und Schmitz (Sebastian Braun/Andreas Nitschke) beim Haarwasserfabrikanten Gottlieb Biedermann (Annegret Kell-Eichhorn) ein, um auf seinem Dachboden Benzinkanister zu deponieren, mit der Absicht, die Stadt durch einen Brand zu vernichten. Biedermanns Haus liegt in der Nähe mehrerer Gasometer und daher besonders günstig. Dabei scheuen sie sich nicht, den Hausherrn an dessen gern gepflegtes Selbstbild vom gutherzigen Mitmenschen zu appellieren.

"Immer dieselben Muster"

Das Stockholm-Syndrom, quasi auf links gedreht. Diese Vermutung könnte ein jeder Zuschauer haben, wenn er sich mit Max Frischs Stück auseinandersetzt. Vermutlich war dies auch der Gedanke von Waltraud Rasch, die trotz der unscheinbaren Vorhersehbarkeit ihre Inszenierung mit einer gehörigen Portion Spannung versieht, sehr zur Freude des Publikums. Der sture wie teils sehr gestresst wirkende Biedermann zeigt sich dabei sehr unbeeindruckt über die Brand-Nachrichten, die ihm seine Frau Babette (Gabriele Bühler) vorträgt. "Das sind immer dieselben Muster", warnt sie ihren Gatten noch und auch die Haushälterin Anna (Tanja Wildenhof) zeigt sich mehr als besorgt. Ein wundervolles Abbild, das zeigt, welch starker Relevanz Max Frischs Werk heute immer noch mit sich bringt. Auch ihre Ansicht, dass doch überall Misstrauen herrsche, regt dabei das Publikum zurecht dazu an, sich die anfangs gestellte Frage immer wieder ins Gewissen zu rufen.

Kurioses wie geniales Ende

"Viel sieht, wo nichts ist, der Ängstliche", mahnt auch der Feuerwehrchor, der während des Stücks immer wieder auf die aktuelle Situation im Stück hinweist. Spätestens dann, als Herr Eisenring die drei für ihn besten Tarnmethoden verrät, gerät auch Herr Biedermann ins Straucheln. Eisenrings Hinweis, "die Halunken bloß nicht zu Feinden zu machen", kam hier wahrscheinlich schon zu spät. Ab hier kann sich auch zurecht gefragt werden: "Wem glaubt man denn überhaupt noch?", freundet sich Biedermann doch sogar noch mit den Brandstiftern an. Die von diesen angepriesene Menschlichkeit und Brüderlichkeit kann daher stark infrage gestellt werden. Dies spitzt sich zu bis zum kurioses wie genialen Ende, für das man dem Schöpfer Max Frisch bis heute nur dankbar sein kann und somit auch die Inszenierung von Waltraud Rasch beim Betrachter noch lange in Erinnerung lässt.

"Biedermann und die Brandstifter" ist noch am 9., 10. und 11. Mai im Theater der Zeller Kultur in Radolfzell zu sehen.

Autor:

Philipp Findling aus Singen

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