Bundeskunstpreis für Menschen mit Behinderung
So sehen glückliche Gewinner aus
Radolfzell. Sie jubelten und freuten sich und konnten ihr Glück kaum fassen. Von 110 eingereichten Arbeiten prämierte die Jury des Bundeskunstpreises für Menschen mit Behinderung insgesamt 15 Werke am vergangenen Sonntag im Milchwerk. Rund 6.500 Euro Preisgeld konnten so verteilt werden. Es war für die Gewinner sichtlich ein ganz besonderes Erlebnis, in diesem Rahmen geehrt zu werden. Teilnehmen durften sie an dem in Deutschland einzigartigen, seit 1978 bestehenden und zum 21. Mal stattfindenden Wettbewerb, weil sie einen Schwerbehindertengrad von mindestens 80 Prozent haben.
Aus ganz Deutschland, sogar aus dem hohen Norden waren die Teilnehmer angereist, um entweder selbst geehrt zu werden oder zumindest mit den Geehrten mitzufeiern.
Für die Moderation konnte kaum ein Besserer gefunden werden: Der mehrfache Paralympics-Sieger, Jurist und Hornist sowie ZDF-Experte Matthias Berg wusste, wie er unterhaltsam, charmant, aber auch einfühlsam durch das Programm zu führen hatte. Die Lacher hatte er auf seiner Seite, als er die Bahnreisenden ermunterte, dass bei der Bahn grundsätzlich mit Behinderungen gerechnet werden muss.
Oberbürgermeister Martin Staab begrüßte die Anwesenden mit dem Satz »Mach was draus«, dem Lebensmotto des Moderators Matthias Berg. Das Stadtoberhaupt griff sogleich das von Berg angeschnittene Thema »Bahn« auf. »Der Bahnhof in Radolfzell ist nicht behindertentauglich, doch dafür ist die Deutsche Bahn zuständig. Aber noch vielmehr als dieser beispielhafte bauliche Aspekt geht es vor allem um die Überwindung der Barrieren in den Köpfen, die leider immer noch in allen Bereichen der Gesellschaft überwunden werden müssen«, mahnte er.
Die Schirmherrin und Baden-Württembergs Kultusministerin Frau Dr. Susanne Eisenman ging in ihrer leidenschaftlich vorgetragenen Ansprache weiter. Die Barrieren im Kopf müssten abgebaut und bestehenden Vorurteilen müsse entschieden entgegengetreten werden. Sie verknüpfte die Themen Kunst und Bildung, bei denen es der Verantwortung aller bedürfe, dass auch jeder ausnahmslos am kulturellen Leben und an Bildung teilhaben kann.
»Sich mit Kunst auszudrücken und mit einem Handicap umzugehen, das war die Intension des Bundeskunstpreises bei der Gründung«, sagte Oberbürgermeister Staab, und dieses Ziel hatte die sechsköpfige Jury, bestehend aus Marlies Faller vom Kunstverein Radolfzell, Carmen Frese-Kroll als Geschäftsführerin des Singener WOCHENBLATTES, Bürgermeisterin Monika Laule, Kunstpädagoge Ernst Preißer, Redakteur Georg Becker sowie Dr. Thomas Röske, Leiter der Sammlung Prinzhorn in Heidelberg, zu verfolgen.
Die Juroren Marlies Faller und Ernst Preißler stellten in einem Interview heraus, dass das jeweilige Handicap der Teilnehmer nie eine Rolle bei der Bewertung der Arbeiten gespielt habe, sondern immer nur der künstlerische Aspekt.
Leider war dem Gewinner des dritten Platzes Patrick Siegl aus Oberschleißheim die Anreise nicht möglich. Gemalt hatte er das in akribischer Kleinarbeit und mit architektonischen Elementen versehene Bild »Ägypten, 49 v.Chr.«
Ingeborg Maria Nold aus Wilhelmsdorf konnte ihr Glück kaum fassen, als sie die Urkunde zum zweiten Platz für das Bild »Motorradtreff«, welches sie als fröhlich verspielte Parade menschlicher Figuren gezeichnet hatte, verliehen bekam.
Die strahlende Siegerin des Bundeskunstpreises 2018 lautete Kathrin Fuchs aus Filderstadt, für ihr Bild »Im schönsten Federkleid«, welches durch die Farbkombination und -Komposition besticht.
In der Villa Bosch sind die eingereichten Werke noch bis zum 11. November in einer Ausstellung zu bewundern.
Uwe Johnen
Autor:Redaktion aus Singen |
Kommentare