Fulminante Premiere am 14. Februar
Senioren- und Kappedeschle-Revolution beim Zeller Narrenspiegel

Das "alte Volk" stiftete am Zeller Narrenspiegel eine Revolution, wollten sie nicht von der Innenstadt auf die Mettnau ziehen. | Foto: Philipp Findling
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Radolfzell. Seit vielen Jahrzehnten stellt der Zeller Narrenspiegel am 14. Februar den Auftakt der Fasnet-Hochzeit dar. Dabei konnten die närrischen Gäste neben bissigen Sketchen auch eine einzigartige Premiere erwarten.

Dieses Novum, waren sich einige im Publikum einig, war gleichzeitig auch ein großes Paar Stiefel, das es auszufüllen galt. Schließlich trat man hier nicht irgendeine Nachfolge an, sondern die des 2024 verstorbenen Kappedeschle-Urgesteins Lothar Rapp, der diese Rolle 38 Jahre lang prägte wie kaum ein anderer Büttenredner im Landkreis. Zuvor jedoch gab es noch vor dem Einmarsch der Narrizella ein neues Hansele-Lied auf die Ohren und Pfarrer Heinz Vogel wurde für seine Verdienste für die Zeller Fasnet mit der Ehrenkappe der Narrizella geehrt. 

Das Kappedeschle neu erfunden

Wie nun aber dem Team um Garde-Regisseur Tim Schwenke die Überraschungs-Narrenschelte gelungen ist, war nicht nur mutig, nein es war phänomenal. So betraten zunächst Benni Bromma, Christian Uhl und Chris Zeiser das "Marktplatz"-Bühnenbild, um kurze Zeit später die legendäre Kappe aus dem Brunnen zu holen. Nachdem Uhl diese dem im Publikum sitzenden Tobias Baur überreichte, staunte das närrische Volk sehr. Nacheinander setzten sich die vier Akteure die Kappe auf, brachten brillant ihre Schelte zu Wort. "Wenn mir au die Zukunft wollet gestalte, braucht's au die junge im Boot, nit nur die Alte", betonte Baur bezogen auf die Bundestagswahl. "Einig nur beim Cannabis", ärgerte sich Zeiser über die Ampel-Regierung. "Verstoht ma d' Bürger nit, muss ma sie wohl betäube". Einen Seitenhieb auf Donald Trump erlaubte sich Benni Bromma. "Bleibt optimistisch, bleibet froh, dann schaffe mir des zämme - Narri, Narro", lautete seine Antwort auf den US-Präsidenten. 

Seilbahn in die Altstadt

"Wir sind das - alte - Volk", schallte es im Anschluss daran von der Bühne, als sich einige rüstige Rentner humoristisch herausragend dagegen wehrten, das Pflegeheim auf der Mettnau zu beziehen. "In der Stadt hammer alles, auf de Mettnau nix", lautete deren Credo. Am Ende fand man, gemeinsam mit Bürgermeisterin Monika Laule, mit einer Seilbahn von der Mettnau in die Altstadt dann doch eine friedliche Lösung.
Was alles in den letzten Jahrzehnten in Radolfzell geleistet wurde, jedoch auch wieder verschwand, wurde bei der "Zeller Nostalgie" deutlich. So ärgerten sich die drei "Engel" Werner Messmer, Gotthard Allweiler und Jacques Schießer über deren "Denkmäler", welche die Stadtverschönerer aus verschiedenen Gebäuden auf den Marktplatz schleppten. "Deine Pumpefabrik", so Messmer an Schießer gerichtet, "ist noch genauso wie vor 200 Johr". Und somit wird sich auch in 1200 Jahren in Radolfzell nichts verändern und man weiter auf himmlische Eingebungen warten müssen.

Das Kappedeschle neu erfunden

Vereinsförderung dank Pippi-Stiftung

Nachdem sich noch einige Mütter darüber ärgerten, dass "alle Zeller Männer langweilig" seien, sich jedoch über "schöne Gardisten" freuten, wurde das närrische Volk in die kunterbunte Welt von Pippi Langstrumpf entführt. Ganz so bunt war Pippi dann aber nicht mehr zumute, als Tommi und Annika dazustießen und über die schlechte Lage der Zeller Vereinslandschaft berichteten. Es galt nun ihre Anliegen dem Garden-Double von OB Simon Gröger vorzubringen, das an diesem Abend nahezu gleich gekleidet wie der echte OB im Publikum. "Wie aber bei einem Oberbürgermeister, wo die Sitzungen einem Narrenspiel gleichen und der seinen Räten das Mikro abdreht", fragte sich Tommi. Am Ende musste man das Geld dann doch über die "Pippi-Stiftung" einholen und alle Vereine bekamen ihr Geld. Außer Gröger, der einen Gutschein für ein Fotoshooting erhielt. 

Zum krönenden Abschluss des herausragenden Narrenspiegels wurden die Gäste mit der Seegras-Band auf das neue Skigebiet auf dem Schiener Berg entführt. Auf dem Weg zum "Après-Ski-Tempel vom Karle Amann" zog man dabei, anlehnend an das sinkende Angebot, über "schöne Frisuren mit wenig Sinn für Kultur" sowie die neuen Windräder her. "Bisch für Politik zu alt, gehsch an Schiener Berg in de Wald", scherzte man zudem über Altgemeinderat Walter Hiller. Angekommen auf der "Amann-Alm", musizierte man gemeinsam unter anderem über einen "kleinen, schweren Zwerg vom Schiener Berg", ehe nach dem Gruß in eine "schöne Fasnetszeit" das närrische Publikum in die Nacht entlassen wurde

Autor:

Philipp Findling aus Singen

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