Die Stadt Radolfzell muss ihre Einnahmen erhöhen um die kommenden Haushalte zukunftsfähig zu machen
»Kürzer treten und nach vorne schauen«
Radolfzell. Wenn sich das Jahr dem Ende zuneigt, findet sich immer öfter das Wörtchen »Haushalt« auf den Tagesordnungen der Gemeinderatssitzungen. Dabei handelt es sich um einen Punkt, der in Radolfzell immer mit gewissen Spannungen verbunden ist, denn das Regierungspräsidium Freiburg als kommunale Aufsichtsbehörde hatte in der Vergangenheit schon mehrere Mahnungen nach Radolfzell geschickt mit der Aufforderung, den Haushalt zu sichern. Die städtischen Finanzen waren also schon vor Corona problematisch. »Wir haben die letzten Jahre durch das konjunkturelle Hoch das strukturelle Defizit des Haushaltes verdeckt und uns nicht um die Einnahmenseite gekümmert«, bekannte Oberbürgermeister Martin Staab in seiner Rede zur Einbringung des Haushaltes in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats. Und er wurde dabei sogar noch deutlicher: »Wir haben mehr Leistungen erbracht, ohne diese bezahlen zu lassen«. Das müsse sich nun ändern, betonte der Rathauschef. Für ihn sei nun der Zeitpunkt gekommen, die Versäumnisse der Vergangenheit nachzuholen.
Auf der Ausgabenseite ist der Bereich Kinderbetreuung/Bildung einer der größten Schwerpunkte. In diesem Bereich haben Bund und Land sehr hohe Standards gesetzt und damit einen großen Ausbaubedarf verursacht, »was viele Kommunen noch erdrosseln wird«, ist Staab überzeugt. Die hierfür zu Verfügung gestellten Landesmittel würden nicht ausreichen und, blicke man auf die Grundsteuer, eine der wichtigsten städtischen Einnahmequellen, dann werde man diese Lücke auch aus städtischen Mitteln nicht schließen können. Selbst dann nicht, wenn die Elternbeiträge gemäß dem Landesrichtsatz auf 20 Prozent erhöht würden, so Staab.
Taskforce bringt Lösungsvorschläge
Um den Problemen Herr zu werden, hat der Gemeinderat eine eigene Konsolidierungsgruppe, eine »Taskforce« gebildet, die aus den fünf Fraktionssprechern des Gemeinderats und dem OB besteht und die erarbeiten sollte, wie der Haushalt wieder auf Vordermann gebracht werden kann. »In der ersten Runde ging es darum zu überlegen, welche Einnahmenverbesserungen möglich sind. Es standen alle Gebühren- und Steuersatzungen auf den Prüfstand, sie wurden verglichen mit Zahlen anderer Städte und dem Deckungsgrad an den jeweiligen Gesamtkosten«, erklärt Norbert Lumbe, der Sprecher der SPD-Fraktion gegenüber dem WOCHENBLATT. Insgesamt sind für das Jahr 2021 Verbesserungen in Höhe von 2,4 Millionen Euro zu leisten. Das geht zum einen durch Sparmaßnahmen, zum anderen durch Erhöhung der Einnahmen. Dementsprechend kam der Rotstift bei den Vorberatungen des Haushalts oft zum Einsatz: Knappe 1,3 Millionen Euro an Ausgaben sind so schon herausgefallen. Das heißt aber auch, dass die Einnahmenseite noch um 1,1 Millionen Euro gestärkt werden muss, um am Ende auf die geforderten 2,4 Millionen Euro zu kommen.
Stadt muss ihre Einnahmen erhöhen
Erste Beschlüsse hierzu wurden in der letzten Gemeinderatssitzung bereits gefasst. So soll der Fremdenverkehrsbeitrag und die Kurtaxe erhöht werden. Die Hundesteuer für einen Ersthund steigt von 108 Euro auf 120 Euro pro Jahr, für den Zweithund wird der zweifachen Satz (240 Euro) und für Kampfhunde der dreifache Satz (360 Euro) fällig. Auch die Standgebühren für den Markt sollen 2021 neu und aufwandsgerecht kalkuliert werden.
Einer der wichtigsten Punkte ist indes die Anhebung der Grund- und Gewerbesteuern. Ab 2022 soll die Grundsteuer A und B von 375 auf 400 Punkte steigen. Der Landesdurchschnitt liegt hier aktuell bei 391 für private Grundstücke und bei 360 für land- und forstwirtschaftliche Flächen. Die Gewerbesteuer soll schon 2021 von 370 auf 390 Punkte steigen. Hier liegt der Landesdurchschnitt aktuell bei 366.
»Die Task Force wurde aber auch beauftragt, einzelne Gebührenerhöhungen unter anderem für die Musikschule, das Milchwerk, und die Friedhöfe noch einmal zu überprüfen und dem Gemeinderat in einer veränderten Gebührenstaffelung zur Beschlussfassung vorzulegen«, so Norbert Lumbe.
Erhöhungen stoßen nicht überall auf Gegenliebe
Die FDP Fraktion stellte sich im Gemeinderat gegen die beschlossenen Erhöhungen. »Wir können und möchten den Bürgern in dieser Zeit der Krise, wo Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und sonstige finanziellen Einbußen vorherrschen, nicht noch zusätzlich in die Tasche greifen. Solange die Stadt und der Gemeinderat auf der Ausgaben- und Einnahmenseite noch andere Möglichkeiten haben, kann das nicht die Lösung sein«, betont Fraktionssprecher Jürgen Keck gegenüber dem WOCHENBLATT. Für ihn wäre ein gangbarer Weg aus dem Finanzloch der Verkauf gemeindeeigener Flächen. »Für Erhöhung der Gewerbesteuer muss auch Gewerbe möglich sein. Seit Jahren monieren wir in jeder Haushaltsplanberatung, dass wir weitere Gewerbeflächen brauchen, da die Gewerbesteuer die kommunalen Finanzen stärkt. Es fällt uns jetzt auf die Füße, dass der Fokus in der Vergangenheit nicht richtig gesetzt wurde«, so Keck weiter.
Auch die Freien Wähler stimmten nur mit der sprichwörtlichen »Faust in der Tasche« zu, wie es Fraktionssprecher Dietmar Baumgartner formulierte. »Für uns ist es nicht leicht Gebühren oder Steuern von unseren Bürgern zu erheben, die wir ja auch vertreten sollen. Wir erkennen aber sehr wohl, dass es notwendig ist und zwar in allen Bereichen, um zumindest die durchschnittlichen Kostendeckungsgrade des Landes in einigen Bereichen irgendwann zu erreichen. Grundsätzlich sollte, was die Gebührenerhöhung betrifft, nach unserer Meinung der Nutzer die Kosten tragen und nicht die Allgemeinheit«, so Baumgartner.
Siegfried Lehmann, Fraktionssprecher der Freien Grünen Liste, zielte noch auf einen weiteren Punkt mit Einsparpotential ab: »Die überdurchschnittlich hohen Aufwendungen für die Kernverwaltung und die sogenannte strategische Steuerungsunterstützung«. Eine notwendige und grundlegende Reform hin zu einer kosteneffektiven und schlanken inneren Stadtverwaltung sei von OB Staab bisher nicht angegangen worden, klagt Lehmann. Für ihn wäre es zudem wichtig im Hinblick auf die Gebühren- und Steuererhöhungen, einen sozialen und gerechten Ausgleich über eine Ausweitung und Stärkung des Leistungskataloges der Zeller Karte herzustellen. Zudem bemängelt Lehmann, dass im Haushalt kaum noch Mittel für dringende Maßnahmen wie digitale Bildungsinfrastruktur vorhanden seien.
Bernhard Diehl, der Fraktionssprecher der CDU ist sich bewusst, dass Steuer- und Gebührenerhebungen vor dem Hintergrund der aktuellen Krise nicht einfach sind. »Uns war es aber wichtig, die Last zumindest gleichmäßig zu verteilen. Dabei ist es sehr wichtig mit Transparenz und Augenmaß vorzugehen, damit die Bürgerinnen und Bürger Verständnis haben für diese Maßnahmen«, betont er im Gespräch mit dem WOCHENBLATT. Auch Diehl will indes die Personalkosten der Stadtverwaltung noch genauer in den Blick nehmen. Denn es könne nicht sein, dass nur die Bürger stärker belastet werden, aber bei der Verwaltung keine Einsparungen gemacht werden.
- Dominique Hahn
Autor:Redaktion aus Singen |
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