Archäologischer Fund
Hier wurde die Gründergeneration von Böhringen beerdigt
Radolfzell-Böhringen. Manchmal muss es in der Arbeit von Kreisarchäologe Jürgen Hald ganz schnell gehen. So auch zuletzt im Radolfzeller Stadtteil Böhringen, wo bei Tiefbauarbeiten in der Fritz-von-Engelberg-Straße ein Teil eines Gräberfeldes aus der Zeit der Alemannen gefunden worden ist.
Ganz überraschend kam der Fund nicht, obwohl eine erste Probeschürfung ergebnislos geblieben war. "Beim Bau des Schulhauses vor über 100 Jahren sollen bereits erste frühmittelalterliche Gräber gefunden worden sein", erklärt Hald. Diese wurden aber nicht genauer dokumentiert.
Auch Arbeiten Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre sind wohl weitere Gräber zutage gekommen. Aber auch hier blieb eine archäologische Untersuchung aus, wenngleich einige Funde irgendwie dann doch den Weg ins Hegaumuseum in Singen schafften. Mindestens 30 bis 40 Bestattungen wurden hierbei wohl zerstört. "Umso besser, dass man sich gemeldet hat", meint der Archäologe. "Das macht seriöse Firmen aus."
Der Kreisarchäologe geht davon aus, dass die vergangenen und heutigen Funde zu einem großen Gräberfeld gehören, das sich über eine Länge von 80 bis 100 Meter erstreckte, was eine beachtliche Größe wäre. "Für die Ortsgeschichte ist es ein wichtiger Fund", sagt er. "Das sind die Gründergenerationen vom heutigen Dorf."
Insgesamt 23 Gräber hat die Grabungsfirma Archaeotask auf dem Areal am Böhringer Ortsrand freigelegt. Datiert werden sie zum aktuellen Stand auf das sechste bis siebte Jahrhundert. "Das sind Alemannen, die wohl schon unter fränkischer Herrschaft standen", so Hald. "Man spricht deswegen von der Merowingerzeit."
Bei den Arbeiten kamen menschliche Überreste und einige Grabbeigaben zum Vorschein. Darunter metallene Gürtelschnallen, ein zerbrochener Knochenkamm, eine Münze, mit der die Gräber datiert werden können, und ein Keramikgefäß, das die Zeit unter der Erde gut überstanden hat und dessen Inhalt untersucht werden soll. "Wir erhoffen uns viele Erkenntnisse", sagt Archäologe Hald über die Funde.
Auch die Skelette könnten weitere Erkenntnisse bringen. "Sie werden zunächst herausgenommen und getrocknet", erklärt Georg Häußler, Grabungsleiter und Geschäftsführer von Archaeotask. Danach kommen sie nach Konstanz zur anthropologischen Untersuchung. Dabei können Informationen wie Geschlecht, Alter und Lebenssituation gewonnen werden. Dies sei wertvoll, weil es aus dieser Zeit wenige bis keine Schriftquellen gebe. Eines haben die Grabungen bereits ergeben, so Kreisarchäologe Hald: "Es sind keine besonders reichen Gräber."
Die bislang gefundenen Gräber waren in drei regelmäßigen Reihen angeordnet und meist nach West-Ost orientiert. Beerdigt wurden die Toten mit dem Kopf Richtung Westen, was laut Jürgen Hald für frühmittelalterliche Bestattungen üblich ist. Der Kreisarchäologe vermutet in den benachbarten Grundstücken noch weitere Gräber.
Bezahlt wird die Arbeit der Grabungsfirma von Gnädinger und Mayer, die auf dem Gelände einen Neubau umsetzen will, nun aber ein paar Tage warten muss. Bauleiter Benedikt Winkelmann geht von Mehrkosten von insgesamt rund 70.000 Euro aus. Problematischer sei aber die Verzögerung. In diesem Zusammenhang lobte er den Kreisarchäologen und das Team von Archaeotask für die schnelle Arbeit.
Autor:Tobias Lange aus Singen |
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