48. Naturschutztage gestartet
"Geld kann und darf nicht das Thema sein"
Radolfzell. Weg mit umweltschädlichen Subventionen, dafür eine neue, umweltfreundliche Schuldenbremse: So ungefähr lassen sich die Anliegen von NABU (Naturschutzbund Deutschland) und BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz) zu den 48. Naturschutztagen im Milchwerk zusammenfassen, für die am Freitag, 3. Januar, der Auftakt stattfand.
Die vergangenen Monate haben den Verbänden dabei in gewisser Weise in die Hände gespielt: Nicht nur ist die Ampel-Regierung mit an eben solchen Haushaltsfragen zerbrochen. Auch können NABU und BUND so direkt vor der Wahl und im Wahlkampf diese Themen auf die Agenda rücken. Bei den Naturschutztagen passiert das noch bis zum 6. Januar in rund 40 Workshops, Vorträgen und Exkursionen. Ein klares Zeichen soll zudem am Sonntag, 5. Januar, um 12.30 Uhr eine Demonstration am Eingang des Milchwerks setzen.
Bad News spielen den Falschen in die Hände
Kurz vor dem offiziellen Beginn gab es von drei Köpfen hinter verschiedenen Umwelt- und Naturschutzverbänden eine Einstimmung ins Thema im Rahmen einer Medienkonferenz. Die Analyse zum Status Quo fällt dabei eher ernüchternd aus, wie unter anderem Prof. Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, feststellte. Der Deutsche Naturschutzring ist der Dachverband für rund 100 deutsche Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen.
"Wir warnen seit Jahrzehnten", meinte Niebert in Bezug auf den Klimawandel und die damit verbundene Krise für Umwelt und Natur. Ähnliche Töne seien inzwischen beispielsweise auch aus der Wirtschaft zu hören, doch während sich wenig verändere, würden nur Parteien, wie die AfD von diesen Warnungen und den damit verbundenen Ängsten profitieren. Das Ziel für Kai Niebert: "Mehr die Chancen der Transformation ins Zentrum rücken." Statt die negativen Folgen ganz auszublenden, betonte er, gehe es um einen anderen Fokus. Das sei in einer Versammlung der Mitgliedsorganisationen des Deutschen Naturschutzrings besprochen worden und sei zu seiner Freude auch im Programm der Naturschutztage sichtbar.
Eine wichtige Baustelle beim Umwelt- und Naturschutz ist für Niebert weniger Individualisierung: Über Einzelne und deren Möglichkeiten zu diskutieren bringe weniger, als eine nachhaltige Infrastruktur umzusetzen. Denn eine gemeinsame nachhaltige Infrastruktur ermögliche allen entsprechend zu handeln und führe eher zu einem "nachhaltigen Deutschland".
Dazu brauche es einen funktionsfähigen Staat, dazu wiederum Geld. "Wir werden eine Reform der Schuldenbremse brauchen", so Nieberts Erwartungen an die künftigen Regierungsparteien. "Aber nur Schulden allein machen das Ganze auch nicht nachhaltig." Auch die Ausgabenpolitik müsse überprüft werden und, so die Hauptforderung zu den Naturschutztagen, rund 65 Milliarden Euro an umweltschädlichen Subventionen aus dem Haushalt des Bundes streichen, das Geld anders verwenden.
Weil das Geld aus den Subventionen nicht mehr umweltschädlich investiert wird und zudem für umweltfreundliche Anliegen verwendbar wäre, sei diese Maßnahme gleich doppelt wirksam, meinte Sylvia Pilarsky-Grosch, Landesvorsitzende des BUND Baden-Württemberg. Niebert rechnete beispielhaft vor, dass zusammen rund elf Milliarden Euro für die Vergünstigung von Diesel und für die Pendler-Pauschale eingesetzt werden. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), der zum Beispiel Bus- und Bahnunternehmen umfasst, nehme im Jahr etwa sieben Milliarden Euro im Ticketverkauf ein, so Kai Niebert. Nach seiner Rechnung könnten also die elf Milliarden Euro, die das Pendeln mit dem Auto subventionieren, eingesetzt werden, um das Pendeln mit Zug und Bus kostenlos zu machen - und es wäre sogar noch Geld übrig, um in den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu investieren.
Nachhaltigkeit ist Luxus
Dass die Verwendung des Autos oft noch günstiger ist als der ÖPNV, ist auch der BUND-Landesvorsitzenden ein Anliegen. Nicht alle könnten nachhaltig leben, "ich muss es mir leisten können". Das führe auch zu Frustration unter den Menschen. Einfach die CO2-Preise steigen zu lassen, sei auch keine nachhaltige Lösung. "Geld kann und darf nicht das Thema für Umwelt- und Naturschutz sein."
Der Abbau von umweltschädlichen Subventionen sei im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung enthalten gewesen, meinte Johannes Enssle, Landesvorsitzender des NABU Baden-Württemberg. Umgesetzt worden sei nur die selektive Streichung des Agrardiesels, mit den Protesten der Landwirte als Folge. In den Wahlprogrammen oder deren Entwürfe vor den anstehenden Bundestagswahlen am 23. Februar sei kaum Ambition erkennbar, bei klimaschädlichen Subventionen anzusetzen: Nur die Linken und die Grünen werden laut Enssle hier konkret, die anderen Parteien bleiben unklar oder formulieren hier gar keine Ziele.
25 Milliarden Euro an Subventionen im Jahr ließen sich kurzfristig anders verwenden, unterstreicht Johannes Enssle. "Perspektivisch müssen wir alle auf den Prüfstand stellen."
Autor:Anja Kurz aus Engen |
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