100 Jahre Stadtgarten Radolfzell gewürdigt
Ein Kleinod mit Optimierungsbedarf
Radolfzell. Dieser besondere Geburtstag wäre beinahe untergegangen: Der 100. Geburtstag der Anlage, die einst entstand, als Karl Wolf als damaliger Generaldirektor der Pumpenfabrik Allweiler das Areal am Höllturm der Stadt Radolfzell schenkte. Daran erinnerten am Samstag im Rahmen einer recht gut besuchten Rückblick-Führung Historiker Christof Stadler, der Ur-Ur-Enkelin von Karl Wolf, Dr. Ursula Wolf und Gartenexperte Ewald Kleiner, der einst den Radolfzeller Naturgartenwettbewerb initiierte. Aber auch auf den Optimierungsbedarf der rund 6.000 Quadratmeter umfassenden Anlage wurde verwiesen, die vor einigen Jahren neu gestaltet wurde.
Vision Naherholung
Karl Wolf, Ehrenbürger der Stadt Radolfzell und bis 1915 im Gemeinderat vertreten, hatte für seine Schenkung klare Vorgaben gemacht, wie Christoph Stadler aus seinen Aufzeichnungen schilderte. Die Vision des mit der Stadt Radolfzell gefassten Vertrags zielte darauf ab, den Radolfzellern hier im einstigen Stadtgraben einen Naherholungsbereich zur Verfügung zu stellen. Er wurde wohl erst nach der Stadtmauer im 15. Jahrhundert angelegt und diente seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert bereits als Obst- und Nutzgarten. Der Weg auf die Mettnau hinaus, war für viele Menschen damals nicht möglich, sodass das Grün direkt vor der Altstadt einladen sollte, zumal auch auf der anderen Seite des Grabens nach dem Bau der Eisenbahn eine Siedlungsentwicklung der "Vorstadt" begann.
Bis zum Eisenbahnbau stand die Radolfzeller Stadtmauer sozusagen am Wasser. Die Schaffung des Stadtgartens sei freilich damals ein Kraftakt gewesen, erinnerte Stadler. Auch Radolfzell war von der Inflation der 1920er Jahre erheblich geschwächt und Karl Wolf sprach wohl ein Machtwort, um die Idee der Schenkung endlich umzusetzen. Mangels Geld habe man teilweise dann auch Arbeitslose eingesetzt.
Kein Spekulationsobjekt
Dass der Stadtgarten, der von der Stadt Radolfzell wegen seiner Nähe zum Bahnhof auch gerne als "Schönster Wartesaal Deutschlands" tituliert wird, auch mehrmals gefährdet war, daran erinnerte Dr. Ursula Wolf in ihrem Vortrag. Denn 1998 gab es schon sehr konkrete Pläne unter dem damaligen OB Neurohr, am Höllturm ein großes Restaurant und Hotel zu bauen. Das wurde dann von der Erbengemeinschaft auf dem Rechtsweg erfolgreich gestoppt, da die Schenkung bedingte, dass das Grundstück "nicht zu Spekulationszwecken" genutzt werden dürfe.
Dieser Stadtgarten im Graben wurde damals vom Freiburger Gartenbaudirektor Robert Schimpf in fünf Abschnitte eingeteilt, um den schon früher erworbenen Rosengarten am Bahnhof und den "Lochgraben" der einst Apotheker Louis Bosch gehört hatte, bevor er in die Hände der Familie Wolf kam. Er habe so manche Mutation erlebt, führte Christof Stadler anhand vieler Beispiele aus. So gab es in den 1930er Jahren zeitweise sogar Volieren für Vögel und Pfauen schlugen ihre Räder. Auch die Brücke am Obertor wurde in den 1930ern - aus der Sicht Stadlers zu ihrem Nachteil - mit der Verbreiterung um einen Gehweg aus Beton verändert. Davor habe sie noch ausgesehen wie die "steinerne Brücke" in Regensburg zum Beispiel. Sogar eine Dattelpalme habe es mal im Stadtgarten gegeben, sie wurde später durch einen geschenkten Gingko-Baum ersetzt. Ein großer Brunnen wurde durch ein Modell von der Bundesgartenschau in Essen in 1965 besorgt, die hier einst angebotenen Pergolen gibt es ebenso nicht mehr wir einen Steingarten unter der ehemaligen Burg.
Es habe sogar mal einen Storch in den 1970er Jahren gegeben, der allerdings von Rowdys grausam gesteinigt wurde. Auch das Thema Vandalismus kam hier immer wieder auf, bis zu Gedanken einer vorübergehenden Schließung, als der nahe Luisenplatz zur Zone von Auseinandersetzungen zwischen rechts- und linksradikalen Gruppierungen wurde. Auch nach einem tödlichen Sturz von der Mauer sei darüber diskutiert worden, danach habe man zur Rettung des offenen Stadtgartens die Mauer saniert und erhöht.
Vor einigen Jahren wurde die Bepflanzung auf "heimisch" umgestellt. Dazu kritisierte aber Ewald Kleiner, dass wohl die wenigsten der aktuell vorhandenen Pflanzen wirklich heimisch seien. Christof Stadler regte an, ob man nicht Spenden sammeln könne, um hier einen "Duftgarten" für Menschen mit Einschränkungen einrichten zu können. Erinnert wurde daran, dass in früheren Zeiten sogar ein "Kurorchester" jeden Sonntag während der Saison im Pavillon aufspielte und der Stadtgarten wieder mehr zum Treffpunkt werden müsse. Die Diskussion, wie man mehr Stadtgarten in Radolfzell schaffen sollte, war spannend.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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