Volkstrauertag als Stationenweg
Alles ganz anders im Ringen und Frieden und Erinnerung

OB Simon Gröger bei seiner Ansprache am Radolfzeller Rathaus zum Volkstrauertag. | Foto: Stadt Radolfzell / Rabanser
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  • OB Simon Gröger bei seiner Ansprache am Radolfzeller Rathaus zum Volkstrauertag.
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Radolfzell. Nicht nur, weil mit Simon Gröger ein neuer OB an der Spitze der Stadt, sondern auch weil die Welt eine andere geworden ist, seit dem 24. Februar, mit dem Überfall von Putins Truppen auf die Ukraine und ganz Europa mit einem völkerrechtswidrigen Krieg betroffen hat, der auch viele Geflüchtete nach Radolfzell gebracht hat: der Volkstrauertag hat durch seine neue Bedeutung auch eine neue Form bekommen.

Als Stationenweg wurde in diesem Jahr das Gedenken in Radolfzell begangen. OB Simon Gröger startete mit seiner Ansprache am Rathaus: Das Leid, das Kriege auslösen, setzt sich über Generationen hinweg fort. Durch die beiden Weltkriege, in den sich Deutschland schuldig gemacht hat, wurde das Leben von Millionen von Menschen durch Leid und Entbehrung gezeichnet«, erinnerte Gröger. Und: »Viele von uns haben ihre Großväter nicht kennengelernt, Großmütter mussten ihre Kinder auf sich allein gestellt großziehen.« Kriege würden Familien auseinander reißen, sie traumatisierten die Überlebenden. Und Kindern werde das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit geraubt, wie man das auch wieder beim Krieg in der Ukraine erfahre. »Täglich erreichen uns belastende und schockierende Nachrichten aus unserem europäischen Nachbarland. Soldaten und Zivilisten werden getötet, unter ihnen auch Frauen, Kinder und ältere, schutzlose Personen. Viele andere verlieren ihre Existenz, ihre Arbeitsplätze, ihre Häuser mit all den Erinnerungen, die ihr Leben ausgemacht haben. Krieg ist immer auch ein Angriff auf das kulturelle Erbe eines Volkes. Historische Stätten und Gebäude werden für immer zerstört«, so Gröger. »Angesichts dieses Leides ist es eine gute Nachricht, dass mittlerweile mehrere Hundert Geflüchtete aus der Ukraine wohlbehalten bei uns in Radolfzell angekommen sind.  Doch viele von ihnen mussten Familienangehörige und Freunde zurücklassen und leben in täglicher Sorge um sie«, unterstrich Göger vor dem Rathaus.

Allen Ukrainern, die hier in der Stadt oder hier auch dabei seien, wolle er versichern: »Wir möchten Sie unterstützen und Ihnen helfen, die Zeit, die Sie bei uns verbringen, als ruhig und positiv zu erleben. « Gröger dankte an dieser Stelle für die enorme Hilfsbereitschaft, mit der die Geflüchteten untergekommen sind, hier in der Stadt, wie sie sich auch in den Arbeitsmarkt integrieren konnten.
»Wir alle sind dazu aufgefordert, einen Beitrag zu einer friedlichen Gesellschaft zu leisten.  Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Frieden zu fördern, bedeutet: auf den anderen zuzugehen, miteinander ins Gespräch zu kommen, sich auf Augenhöhe begegnen, Standpunkte ruhig auszutauschen, Verständnis zu zeigen, Kompromisse und Lösungen zu finden«, schloss Simon Gröger seine Rede.

An der zweiten Station auf dem Münsterplatz sprachen Münsterpfarrer Hein Vogel und Alexander Philipp für die evangelische Gemeinde und gaben Bedenken, dass alle Menschen mit kriegerischen Auseinandersetzungen direkt oder auch indirekt verbunden seien, ein Krieg also immer seine Kreise um die ganze Welt ziehe, und das auch schon immer getan habe. Dort zeigten SchülerInnen der Gerhard-Thielke-Realschule mit einem Lied von Udo Lindenberg, das auch getanzt wurde, wie sie mit dem Gefühl umgehen, dass Krieg bisher gefühlt immer »so weit weg war« und nun plötzlich so erfahrbar mitten unter ihnen ist.

Die traditionelle Kranzniederlegung fand dann am Kriegerdenkmal am Luisenplatz statt, das ja allmählich von Rosen zugewuchert werden soll, für viele aber noch immer ein Stein des Anstoßes in der Aufarbeitung der SS-Geschichte für Radolfzell ist. »Lassen Sie uns durch das Gedenken an die Toten aller Kriege dieser Welt einen Beitrag zu einer friedlichen Gesellschaft leisten«, so Simon Gröger in seiner Rede. Hier steuerte eine Abordnung der Stadtmusik neben dem traditionellen »Ich hatte einen Kameraden« auch den Friedenswunsch mit John Lennons »Imagine« bei, das die Hoffnung auf eine friedvolle Welt damals aus dem Blickpunkt des Vietnam-Kriegs auf den Punkt brachte - auch einer der Kriege, die bis in die Gegenwart ihre Spuren hinterlassen haben.

Die neue Form des Volkstrauertags als Stationenweg war durch den Arbeitskreis Erinnerungskultur angeregt worden.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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