Innenstadthandel und Seemaxx
Kommentar: Was ist wirklich das Problem?

- Die Se(h)-Straßengalerie ist ein Beispiel für eine Aktion, es geht aber um weitaus mehr. Und es geht darum, dass Events zur Belebung von Innenstädten landauf, landab vom Handel selbst schon lange nicht mehr zu stemmen sind.
- Foto: Archiv / Hayo Eckert
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Die derzeitige Feinabstimmung zwischen Altstadthandel und dem Seemaxx, was die Sortimente im Seemaxx angeht, ist wichtig, schon alleine deshalb, weil die Einzelhändler wie das Seemaxx beide gebeutelt genug sind von den Schwierigkeiten des stationären Handels insgesamt. Aber Sortimentsbeschränkungen sind nicht das Kernproblem des Radolfzeller Handels.
Das Problem ist ein anderes: Früher war die Bühne des Radolfzeller Handels die Stadt selbst, das Umland und vielleicht noch die Discounteraktionssortimente von Aldi, Lidl und Co.. Heute ist die Bühne die ganze Welt. Und auf dieser Bühne sind Amazon, Temu und Randsortimentsstrategien von immer mehr Playern sowie eine zunehmende Konsumzurückhaltung bei der Bevölkerung übermächtig geworden. Die Bevölkerung hat irgendwo zwischen unsicherer geopolitischer Lage bis hin zur Kriegsangst, erst kürzlicher Inflation (und geblieben hohe Lebensmittelpreisen) als Folge des Ukrainekrieges und zunehmenden Kostensteigerungen für Privathaushalte in nahezu allen Lebensbereichen ihren Konsum reduziert. Hinzu kommen Personalbeschaffungsprobleme und Überbürokratisierung (auch) für den Handel.
Will jetzt die städtische Politik als regelnde Instanz folgerichtig im Sinne einer künftig möglichst starken Radolfzeller Altstadt und eines starken Seemaxx handeln, so tut sie gut daran, nicht nur die Feinabstimmung selbst zu sehen und sich eben nicht auf ihre Entscheidungsmacht über den städtebaulichen Vertrag zur Festlegung der Sortimentsabstimmung zu beschränken, sondern zu verstehen, dass sie gestalten muss und selbst in Verantwortung gehen muss.
Verwaltung und Gemeinderat einer Stadt können die Weltbühne nicht beeinflussen, aber sie können die Chancen für die Steuerzahler in der Stadt gestalten innerhalb des nicht beeinflussbaren weltweiten Szenarios. Was gestaltet werden muss, haben der frühere Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft, Andreas Joos, und Borachef Bernd Schuler beide ähnlich beschrieben. Zusammengefasst ist es eine lebendige (lebendig=nicht nur vom Handel selbst zu belebende) Achse zwischen Seemaxx und See, die eigentlich seit Gründung des Seemaxx 2006 versprochen war und bis heute nicht Realität ist. Die Gründe dafür sind im Grunde genommen nicht relevant, wenn man wirklich gestalten will. Wichtig ist, dass erkannt wird, dass man Gestaltungsmacht und -verantwortung hat und dass der Handel und selbst das Seemaxx in der heutigen Beteiligungsstruktur und der heutigen Umsatzlage die Kraft dafür nicht hat. Schuler hatte angemahnt, dass Events fehlen. Er hat recht. Und zwar vom See bis zum Seemaxx.
Um das Bild der Bühne nochmals zu bemühen: Die Radolfzeller Bühne ist bis auf die städtebauliche (und politische) Narbe Bahnhof sehr attraktiv. Aber Städte, die glauben, dass die Innenstadtbelebung doch alleine Sache des Handels ist und das Heft (und Geld dafür) nicht unter Beteiligung des Handels selbst in die Hand nehmen, die bauen die Zukunft und die Attraktivität ihrer Innenstadt sprichwörtlich auf Sand. Weil der Handel und damit die Händlerinnen und Händler die zeitliche und finanzielle Kraft, Ideen zu generieren, Anträge zu stellen und sie dann noch im Ehrenamt durchzuführen, schon lange nicht mehr haben. Und wer es nicht glaubt, der muss einmal durchzählen, wie viele Händler sich überhaupt aktiv an solchen Aktionen beteiligen und wieviele nicht und mit genau diesen aktiven Händlern sprechen. Es sind nämlich nicht die Filialisten, sondern eine Handvoll Inhaber, die jedes Jahr brav ihre Gewerbesteuer bezahlen, die zudem ihre Kraft ehrenamtlich für die Belebung der Innenstadt zur Verfügung stellen und jedes Jahr bangen müssen, ob sie es wohl noch einmal eine Runde schaffen angesichts der weltweit und bundesweit schlechter werdenden Rahmenbedingungen. Wenn die Innenstadt allerdings an Attraktivität verliert, dann leidet die Attraktivität der gesamten Stadt darunter.
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Autor:Anatol Hennig aus Singen |
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