Leserbrief
Geburtshaus für bessere Versorgung?
Über die Weiterentwicklung des HGZ radofine zu einem Geburtshaus erreichte uns folgender Leserbrief:
"Dem Wochenblatt vom 24.08.22 konnte ich entnehmen, dass Gesundheitsminister Manne Lucha, Landrat Zeno Danner, Hebammen des HGZ radofine und einige VertreterInnen des Stadtrats in Radolfzell sich vor Ort trafen, um unter anderem über die Zukunft des radofine zu sprechen.
Sowohl Gesundheitsminister Manne Lucha als auch OB Simon Gröger und Bürgermeisterin Monika Laule stehen der Weiterentwicklung des HGZ radofine zu einem Geburtshaus in Radolfzell sehr aufgeschlossen gegenüber. Überrascht war ich beim Lesen des Artikels, dass sich der Herr Danner (Landrat) deutlich gegen ein solches ausgesprochen hat, da dort keine Anbindung an eine Klinik gewährleistet sei. Ich vermute, bei seinen Überlegungen steht die Sicherheit der Gebärenden und des Neugeborenen deutlich im Vordergrund.
Dies ist auch absolut berechtigt! Doch was macht eine Geburt sicher? Aktuelle Antworten zu dieser Frage sind z. B in den „S3 Leitlinien zur vaginalen Geburt am Termin“ (von 2020) oder bei Mother Hood e. V. (Elterninitiative zum Thema Sichere Geburten) zu finden. Ein Faktor, der Geburten sicher macht, ist nach Mother Hood e.V., dass kurze Wege der Schwangeren (max.30 Min.) zum Erreichen des Geburtsortes gewährleistet sein sollen. Dies gestaltet sich für Gebärende im Landkreis Konstanz zunehmend schwierig. So wird zurzeit in den Häusern des GLKN darauf hingewiesen, dass es sein kann, dass wegen Personalmangels einige Schichten des Kreißsaals in Konstanz nicht abgedeckt werden können. Dies bedeutet, dass Gebärende, die eigentlich in Konstanz ihr Kind bekommen möchten, weiter geschickt werden. Falls es in Singen (wegen Umbaumaßnahmen) auch nicht möglich ist zu bleiben, wird die werdende Mutter auf eine Klinik außerhalb des Verbundes verwiesen.
Eine Frau in den Wehen, die sich also im Geburtsprozess befindet, erfährt in diesem Fall gar keine Betreuung und Unterstützung, bis sie dann irgendwo aufgenommen werden kann. Mit einem Geburtshaus in Radolfzell hätten Eltern die Sicherheit, den Geburtsort ihres Kindes wählen zu können. Zudem würden dadurch die Kreißsäle im gesamten Verbund entlastet. Des Weiteren findet eine sichere Geburt u. a. dann statt, wenn die Gebärende durchgängig gut betreut und unterstützt wird. Diese Voraussetzung ist in einem Geburtshaus, in dem es nahezu immer eine 1:1 Betreuung gibt, gegeben.
Wenn man sich vergleichend die Situation in den Krankenhäusern des Gesundheitsverbundes anschaut, kann die erforderliche intensive Betreuung praktisch nicht gewährleistet werden. Realistischer ist hier, dass eine Hebamme mehrere Geburten gleichzeitig zu betreuen hat.
Wie ich aufgezeigt habe, kann die Nähe zu einer gynäkologischen Station nicht als der ausschlaggebende Punkt für die Sicherheit der Gebärenden betrachtet werden. Ein Geburtshaus in Radolfzell kann helfen, die prekäre Situation der Versorgung von Schwangeren und Gebärenden zu verbessern. Auch ist gut vorstellbar, dass Hebammen, die sich aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen im Krankenhaus aus dem Beruf zurückgezogen haben, im Geburtshaus einen attraktiven Arbeitsplatz finden würden.
Ich empfinde es als anmaßend, wie sich Herr Danner mit seinem Wissen als Landrat über die Kompetenzen der Hebammen, also Fachpersonen mit höchstem Wissen und Erfahrung auf dem Gebiet der Geburtshilfe, stellt. Sofern Hebammen keine Probleme in der Abwesenheit einer gynäkologischen Station sehen, sollten sie nicht durch politische Entscheidungen beeinträchtigt, sondern bestmöglich unterstützt werden."
Mit freundlichen Grüßen
Madelaine Boege, Doula/ Geburtsbegleiterin, Gründungsmitglied Doulas Bodensee
Leserbriefe geben nicht zwingend die Meinung der Redaktion wieder. Diese behält sich Kürzungen vor.
Autor:Presseinfo aus Singen |
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