"Das letzte Feuer" am Theater Konstanz
Wo die Trauer einkehrt, ist die Schuld nicht weit

Immer präsent während "Das letzte Feuer" ist das große Loch in der Bühne. Wieder und wieder versammeln sich die Charaktere darum, auf der Suche nach der großen Unbekannten in der Geschichte, die durch das Loch symbolisiert und durch Olaf verkörpert wird.
Schauspieler im Bild: vorne Jana Alexia Rödiger, Fynn Engelkes, Katrin Huke, Julian Mantaj, hinten Kristina Lotta Kahlert, Thomas Fritz Jung, Ulrich Hoppe) | Foto: Ilja Mess
  • Immer präsent während "Das letzte Feuer" ist das große Loch in der Bühne. Wieder und wieder versammeln sich die Charaktere darum, auf der Suche nach der großen Unbekannten in der Geschichte, die durch das Loch symbolisiert und durch Olaf verkörpert wird.
    Schauspieler im Bild: vorne Jana Alexia Rödiger, Fynn Engelkes, Katrin Huke, Julian Mantaj, hinten Kristina Lotta Kahlert, Thomas Fritz Jung, Ulrich Hoppe)
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Konstanz. Mit „Das letzte Feuer“, bekommt man als Zuschauer keine Geschichte mit geschlossener Handlung vorgesetzt. Die Handlung bewegt sich nicht strikt von A nach B, vielmehr bewegen sich hier die acht Figuren umeinander und miteinander, nicht selten körperlich, aber noch mehr mit ihren Worten. Daraus ergibt sich eine Suche nach der ganzen Geschichte eines tragischen Tages und insbesondere der Versuch, mit dem, was passiert ist, klarzukommen. Das Stück feierte am Freitag, 26. April, seine Premiere und war dort fast ausverkauft.

Dreh- und Angelpunkt ist der 19. August, ein helllichter, sommerlicher Mittag in einer Vorstadtsiedlung. Der achtjährige Edgar stirbt, als er an einer Straße spielt. Ursache war die Verfolgungsjagd der Polizistin Edna (Katrin Huke), die meinte mit Olaf (Ruby Ann Rawson) einen gesuchten Attentäter gefunden zu haben. Der einzige Augenzeuge: Ein Fremder namens Rabe (Thomas Fritz Jung), der sich seither in einem Hotelzimmer einsperrt.

Getragen durch die Charaktere

Das Publikum erfährt all das im Rückblick, der Tag, der Unfall liegt in der Vergangenheit. Ein Tag, bei dem sich das Publikum nicht sicher sein kann, ob dieser heute war, Tage, Monate oder gar Jahre zurückliegt. Die Charaktere berichten gemeinsam davon, aus ihren Perspektiven. Durch sie zeichnet sich das Theaterstück insbesondere aus: Edgars Vater Ludwig (Julian Mataj), der hilflos, fast teilnahmslos in Anbetracht des Todes und im Umgang mit seiner Frau Susanne (Kristina Lotta Kahlert) erscheint. Sie wiederum macht den Eindruck, dass sie das Geschehen beinahe zerreißt. Ihre Ehe steht vor dem Abgrund – wohl ohne Ausweg. Die demente Großmutter Rosmarie (Ulrich Hoppe) indes vergisst wieder und wieder den Tod ihres Enkels, für sie stirbt „das Edgarchen“ teils sechsmal am Tag. Mit ihrem Vergessen sorgt sie dafür, dass der Tod für alle anderen nicht in Vergessenheit gerät, auch wenn die Eltern beginnen, andere Geschichten zu spinnen, warum er nicht hier sei. Dann ist da noch die Polizistin Edna, die besessen davon ist, den berüchtigten Attentäter zu schnappen. Der verfolgte Olaf, der, ähnlich wie Rabe, sich ein- und die Gesellschaft aussperrt, bleibt undurchsichtig, erzählt doch vielmehr sein Verlobter Peter (Fynn Engelkes) seine Geschichte. Karoline (Jana Alexia Rödiger) hadert mit ihrer Brustkrebserkrankung, wegen der sie ihren Beruf als Kunstlehrerin aufgegeben hat. Und mitten drin steht der Fremde, Rabe, ein Veteran, der den Krieg noch immer mit sich trägt.

"Der Tod war schneller als das Leben"

Über die zweieinhalb Stunden des Stücks hinweg bekommen die Charaktere und auch die Tragik des Geschehens mehr und mehr an Kontur. Die acht Akteure des Stücks finden dabei in immer anderen Konstellationen zueinander, konfrontieren sich selbst in Monologen und gegenseitig mit der Schuld, die sie trifft: „Wir waren nicht zugegen, aber jeder einzelne von uns hätte besser aufpassen sollen.“ Susanne, die ihren Sohn aus Sorge rief, ihn damit aufschreckte, weshalb er auf die Straße lief. Karoline, die in einem indirekten Pakt Olaf wieder und wieder ihr Auto hatte „leihen“ lassen. Rabe, der direkt danebenstand und doch nichts tun konnte. Die Menschen sprechen miteinander, voneinander und auch füreinander. Es bleibt teilweise offen, was von wem ausgesprochen oder gedacht wird.

Es geht hier um Trauer, die manchmal weniger Mitgefühl und Verständnis zum Trost braucht, sondern einfach Nähe. Immer wieder werden die Charaktere dabei mit ihrer eigenen Schuld konfrontiert, gehen ganz unterschiedlich damit um, scheinen sich dabei förmlich zu verlieren, flüchten an den Rand des Wahnsinns. Hervorgehoben wird das noch durch kurze Etappen, in denen urplötzlich getanzt und gezappelt wird. Und trotz der schweren Kost in der Thematik werden dabei, etwa durch zynische Kommentare, immer wieder humorvolle Akzente gesetzt.

Das Stück zeigt eine Zweckgemeinschaft, die zusammen versucht, das Geschehen dieses helllichten Sommermittags aufzuklären, es irgendwie auch schafft, aber doch daran scheitert. Vielleicht, weil dabei im Grunde genommen doch jeder für sich bleibt.

"Das letzte Feuer" wurde geschrieben von Dea Loher und am Theater Konstanz inszeniert von Nina Mattenklotz. Zu sehen ist es noch am 3., 4., 7., 8., 10., 11., 15., 16. und 18. Mai.

Autor:

Anja Kurz aus Engen

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