Baumforum auf der Insel Mainau
Klimawandel ist eine Herausforderung für Stadtbäume wie Parks
Konstanz/ Mainau. Das Baumforum 2022, welches das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg gemeinsam mit dem Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Baden-Württemberg diese Woche auf der Insem Mainau ausgerichtet hat, informierte über die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen für Stadt- und Parkbäume im urbanen Bereich. 75 Teilnehmende aus dem kommunalen Bereich, aus Baumpflegebetrieben des Garten- und Landschaftsbaus und Fachschulen nahmen am Baumforum 2022 teil.
Die Veranstaltung auf der Insel Mainau machte deutlich, dass die Frage nach Standort und Pflege von Bäumen in den Städten und Gemeinden ein immer wichtiger werdendes Thema ist und zukünftig sein wird. Durch nachhaltige Standortkonzepte, die bei der richtigen Planung beginnen und sich über die Anzucht und Pflanzung bis hin zur fachgerechten Baumpflege erstrecken, kann sichergestellt werden, dass der Baumbestand in den Städten und Gemeinden auf lange Sicht erhalten bleiben kann - vor allem auch unter dem Aspekt des immer spürbareren Klimandels.
Die Baumpflege hat sich in Deutschland in den letzten 30 Jahren zu einem wichtigen und anerkannten Berufsfeld entwickelt. Baumpfleger tragen durch ihr professionelles Handeln dazu bei, dass sich Bäume als gesunde Lebewesen entwickeln können, zum Wohl von Menschen und Umwelt. Bäume sind klimatechnisch wichtige Bestandteile für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Mensch und Tier. Gerade in staubigen und hitzebelasteten Städten kann eine gesunde Baumlandschaft dazu beitragen, dass das Klima heute und morgen noch ein lebenswertes Umfeld und ein Wohnen in der Stadt ermöglicht.
Die Eingangsrede hielt Staatssekretärin Sabine Kurtz, Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR): „Bäume sind in allen Mythologien der Menschheit seit Jahrtausenden zu finden. Bereits im alten Ägypten, in der chinesischen Mythologie oder in unseren Breitengraden bei den Kelten gehören Bäume schon immer zum Leben dazu. Heute sind Bäume im städtischen Bereich und urbanes Grün unverzichtbarer Bestandteil der Planung und Gestaltung“, sagte die Staatssekretärin. „Gemeinsam mit dem Verband GaLaBau freut sich das MLR, die Teilnehmenden des Baumforums 2022 im historischen Umfeld der Mainau begrüßen zu dürfen“, so Sabine Kurtz. Sie schloss mit einem Zitat von Freiherr Alexander von Humboldt (1769-1859): „Habt Ehrfurcht vor dem Baum, er ist ein einziges großes Wunder, und euren Vorfahren war er heilig. Die Feindschaft gegen den Baum ist ein Zeichen von Minderwertigkeit eines Volkes und von niederer Gesinnung des einzelnen“
Bettina Gräfin Bernadotte, Geschäftsführerin der Insel Mainau, begrüßte die Gäste ebenfalls. „Heute soll es darum gehen, Bewusstsein zu schaffen, welche wichtige Rolle Bäume in unserem Leben spielen“, so die Gräfin. „Bäume sind ein großer Schatz auf der Mainau. Nikolaus II. Esterházy de Galantha und Großherzog Friedrich I. von Baden, sorgten vor über 200 Jahren dafür, dass dieser Schatz auf der Mainau heute noch so existent ist.“ Bäume sind Lebensraum und grüne Lunge, sie sind Baumaterialien und Erholungsraum. „Bäume sind aus unserem Leben nicht wegzudenken“ so Gräfin Bernadotte. In normalen Zeiten kommen jährlich circa 1,2 Millionen Gäste auf die Mainau und genießen die Gärten, Blumen und Bäume. Ziel der Mainau ist es, dass sich die Besucher wohlfühlen und Urlaub vom Alltag haben können.
Mit Blick auf die Zukunft hob Albrecht Bühler, Vorstand Ausbildung im Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Baden-Württemberg, als Moderator hervor, dass es eine gemeinsame Aufgabenstellung für die ganze grüne Branche sei, die Baumpflege weiter voranzubringen. Dies betreffe die Unternehmen des Garten- und Landschaftsbaus, die ihre Mitarbeiter zu diesem Thema fort- und weiterbilden müssen, ebenso wie die Verantwortlichen für Stadtgrün in Städten und Gemeinden.
Der erste Vortrag wurde von Florian Pietsch, Bachelor prof. Baumpflege und Bachelor prof. Landschaftsbau, Techn. Angestellter im Grünflächenamt der Stadt Esslingen und Mitglied des AK Stadtbäume in der Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) gehalten.
„Durch die Klimaerwärmung kommt es in Städten immer häufiger vor, dass bereits im Juni zum Beispiel Rosskastanien aussehen wie im Herbst“, so Florian Pietsch. Er zeigte anhand einer Klimatabelle auf, dass in der Vergangenheit die Regenmenge deutlich höher war und diese in Zukunft stark abnehmen wird. Im Gegensatz hierzu nimmt die Temperatur ständig zu und es muss bei der Planung von Grünzügen und Parkanlagen darauf geachtet werden, dass ausreichend große Baumgruben für Bäume von mindestens 12 Kubikmetern gebaut werden. Idealerweise sollten die einzelnen Baumquartiere über eine durchgehende Baumgrube untereinander verbunden sein. Auch müssen inzwischen vermehrt Baumarten verwendet werden, die höhere Temperaturen und geringeren Niederschlag überleben können. Eine große Palette von verschiedensten Gattungen, Arten und Sorten ist dabei empfehlenswert, um eine möglichst große Diversifizierung im Baumbestand zu erreichen. Dies trägt dazu bei, dass bei eventuell neu auftretenden, baumartspezifischen Krankheiten, nicht ganze Bestände auf einmal ausfallen.
Wichtig bei der Planung ist es auch, dass gerade in Städten darauf geachtet wird, wie sich die Krone, der Stamm und der Wuchs des Baumes in der adulten Baumlebensphase entwickelt. Florian Pietsch ging in seinem Vortrag auch auf die Pflanzung, Abnahme und Entwicklungspflege sowohl bei Neupflanzungen als auch bei Altbeständen ein. „Es gibt nichts Schlimmeres für einen Baum, als dass er zu tief eingepflanzt wird“ so Pietsch. Der Entwicklungsschnitt bei Bäumen ist unverzichtbar, um im Alter Bäume mit gesund entwickelten Kronen zu haben, an denen man dann möglichst nichts mehr schneiden muss.
Danach folgte ein Referat von Jürgen Köhler, Arboristikbüro Köhler aus Würzburg. Er ist Meister in der Fachrichtung Baumschule und hat einen Masterabschluss in Biodiversität, Ökologie und Evolution. Eingangs stellte Jürgen Köhler die Frage, wann die Teilnehmer des Baumforum am Baum erkennen können, ob ein Baum „Durst oder Hunger“ hat. Auf eindrückliche Weise erläuterte et, dass man es bei Bäumen, speziell bei Nadelbäumen oft erst feststellen kann, wenn Schäden an Nadeln oder Blätter entstehen. Über die Sensoren der Triebspitzen, übermitteln Bäume, die oberhalb des Erdraums auftretenden Informationen aus der Umwelt an die Wurzeln und den Stamm. Über die Wurzelspitzen werden die unterirdischen Informationen an den Baum übermittelt. Dadurch steht der Baum von der Spitze bis zur Wurzel in ständigem Austausch und in einer dauerhaften Kommunikation. Dies ermöglicht dem Baum u.a. beginnenden Trockenstress wahrzunehmen und Anpassungsstrategien einzuleiten.
Bäume leiden schon viel eher unter Trockenstress, als dass der Fachmann dies äußerlich erkennen kann. Informativ erläuterte er das Problem des vorzeitigen Laubfalls im Sommer, welcher in den letzten Jahren häufiger zu beobachten ist. Bei Trockenheit reduziert der Baum zunächst die Verdunstung über die Spaltöffnungen der Blätter auf Kosten der Stoffproduktion. Dies soll das Wasserleitungssystem vor Embolien durch zu hohe Unterdrücke bewahren (1. Phase). Hält die Trockenheit jedoch an, treten Embolien in Wurzeln und Blattstielen auf. Durch diese Embolien ist die Wasserführung im Baum unterbrochen und gestört. Die Folge davon ist das Abstoßen der Feinstwurzeln und der der vorzeitige Blattabwurf mancher Baumarten im Sommer (2. Phase).
Bäume unter Trockenstress der Phase 1 sind sofort in der Lage, bei genügend Feuchtigkeit das Wasser wieder aufzunehmen und den Baum mit Wasser zu versorgen.
Bäume der Phase 2 hingegen, müssen erst die geschädigten Strukturen unter Energieaufwand „reparieren“ oder neu bilden, um Wasser aufnehmen zu können. Deshalb ist es wichtig Bäume mit Wasser zu versorgen, bevor äußerlich sichtbare Schäden auftreten.
Die Vortragsreihe wurde von Mainau-Gartendirektor Markus Zeiler, Ausbildung zum Gärtner und Studium Landespflege, abgerundet.
Mit den von Applaus begleiteten Worten „Dem Klimawandel lässt sich nicht durch Digitalisierung begegnen, sondern nur durch das Pflanzen von Stauden, Sträuchern und Bäumen“ eröffnete Mainau-Gartendirektor Markus Zeiler seinen Vortrag zum Thema „Immergrüne Leidenschaft – die Vorliebe des Großherzogs und ihre Folgen“. Der heutige Pflanzen- und Baumbestand auf der Mainau ist noch immer auf die Grundlage der Planung von Großherzog Friedrich I. von Baden zurückzuführen. Gärten in ähnlichem Stil wurden von Großherzog Friedrich I. in Badenweiler und Karlsruhe erstellt.
Neben den fachlichen und wissenschaftlichen Vorträgen am Vormittag war ein weiterer Höhepunkt die fachkundige Führung von Gartendirektor Markus Zeiler und seinem Team durch die Baumlandschaft der Mainau am Nachmittag. Über die vor einigen Jahren neu angelegte Dachterrasse auf der Comturey ging es vorbei an den jahrhundertealten Mammutbäumen und Linden und Buchen. Zu fast jedem Baum oder Nadelgehölz gab es eine Geschichte und somit konnten die Teilnehmer sehr viele Informationen über einen alten Baumbestand erfahren.
„Durch Veranstaltungen wie diese können Experten aus Städten und Gemeinden und den Fachbetrieben des Garten- und Landschaftsbau voneinander profitieren. So erkennen wir, wie unsere Städte künftig klimafreundlich und als Erholungsraum für Menschen gestaltet werden können. Ein gutes Klima für Bäume in der Stadt wirkt sich auch auf das Wohlbefinden der Bürger aus“, so Albrecht Bühler (VGL-BW).
Autor:Presseinfo aus Singen |
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