Arbeitsgruppe nimmt ihre Arbeit auf
Erste »Road-Map« für GLKN-Entscheidungsbeteiligung
Kreis Konstanz. Die Bevölkerung spitzt die Ohren, wenn es um die Zukunft der Gesundheitsversorgung im Landkreis Konstanz geht. Spätestens seit der Corona-Pandemie ist vielen Menschen bewusst, wie wichtig und wertvoll eine funktionierende Gesundheitslandschaft in erreichbarer Nähe ist. Der vor 10 Jahren geschaffene „Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz“ (GLKN) mit seinen bisherigen Klinikstandorten Konstanz, Radolfzell und Singen steht allerdings vor großen Umbrüchen, bei denen es freilich gilt, die Bevölkerung mitzunehmen.
Die traditionsreiche Loreto-Klinik in Stühlingen wurde bereits Ende Juli 2022 abgewickelt, Stärken und Schwächen der großen Standorte wurden detailliert unter die Lupe genommen. Nun gilt es, entlang eines den Entscheidungsträgern vorliegenden 144-Seiten-Gutachtens der beauftragten Krankenhausberatung Lohfert&Lohfert AG „zur bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung im Landkreis Konstanz sowie zur Entwicklung des GLKN“ über die zukünftige Struktur des regionalen Gesundheitswesens zu entscheiden. Hierfür wurden drei Szenarien entwickelt, die einen „Status Quo“, das „1-Standort“-Szenario und „Optimale alternative Konstellationen“ betrachten. In Aussicht steht, so die Gutachten-Empfehlung, eine Veränderung der Standortstrukturen hin zu einer starken Zentralisierung der Leistungen in einem möglichen zentralen Neubaustandort, der für alle 287.605 Landkreis-BewohnerInnen zügig erreichbar und bis 2030 fertiggestellt sein könnte.
Vor diesem Hintergrund lud Landrat Zeno Danner am Mittwochabend verschiedene InteressenvertreterInnen aus der Bevölkerung des Landkreises in den Großen Sitzungssaal des Landratsamtes ein, um sich künftig in einer „Arbeitsgruppe GLKN“ bei „einer der größten Herausforderungen“ unseres Landkreises direkt im Austausch zu beteiligen.
Danner sprach bei diesem »KickOff« eines auf Langfristigkeit angesetzten Beteiligungsprozesses von einem „engen Korsett“, in dem man sich in diesen Fragen und Tagen befinde. Er erinnerte an den Fachkräftemangel, auch beim Pflegepersonal, unterstrich die Bedeutung von zu erfüllenden Qualitätsstandards, auch bei Gebäuden, wies auf die nötige Finanzierung hin, die immer schwierig sei - zeigte sich dankbar für die Unterstützung der Anwesenden, insbesondere „um zu vermeiden, dass wir nur noch in politischen und wirtschaftlichen Strukturen denken, sondern mich interessiert, was die Menschen interessiert.“
Dies sei ihm wichtig, noch „bevor in einem 1. Schritt medizinische Profis ein Konzept erstellen und Entscheidungen in politischen Gremien getroffen werden“, so der Landrat. Es gelte, „Betriebsblindheit“ zu vermeiden und Ideen aufzunehmen. Das Ziel bleibe, „eine hervorragende Gesundheitsversorgung in einem hervorragenden Gesundheitsumfeld zu schaffen“.
Singen verfügt, wie bekannt, über entsprechende Grundstücke und Radolfzell hat bereits Grundstücke angeboten. Nach der Erstellung eines Medizinkonzepts im Frühjahr 2023 soll im Sommer ein Raumkonzept folgen, bevor im Herbst eine Grundstücksauswahl getroffen und Ende 2023 ein Nach-Nutzungskonzept für verbleibende Standorte entwickelt werden soll. In allen Phasen soll die Öffentlichkeit einbezogen und breit informiert werden, wie es einer Demokratie ansteht, so die Haltung des Landratsamtes. In welchen Schritten das geschehen kann und soll, das wurde am Mittwochabend diskutiert.
Nachdem Bernd Sieber von der GLKN-Geschäftsführung Details und Kernaussagen des mächtigen Gutachtens kenntnisreich vorgestellt hatte, führte Landratsamt-Moderatorin Isabella Wulf durch die erste Beteiligungsveranstaltung, der noch im Herbst 2022 die Auswahl einer Agentur für Öffentlichkeitsbeteiligung folgen wird, bevor im Winter 2022 ein Treffen der Arbeitsgruppe Medizinkonzept vorgesehen ist - die Ergebnisse der Arbeitsgruppe soll 2023 einer Runde von Experten vorgelegt werden, so der Beteiligungsfahrplan.
Daniela Aberle-Heine vom Gesamtelternbeirat der Berufsschulen im Landkreis Konstanz erinnerte präzise an eine Vielzahl früherer Klinikstandorte, die eine wesentlich kleinere Bevölkerung ortsnah gut versorgt hätten - „warum nun 1 oder 2 Häuser, wenn es früher gut geklappt hat?“
Andreas Kaltenbach von den »Konstanzer Blätzlebuebe« dessen Schwäbisch-Alemannische Narrenzunft-Vereinigung gut 70.000 Mitglieder umfasst, plädierte für eine rechtzeitige Einbeziehung „der nächsten Generation“, um auch dort Interesse an Verantwortung zu erwecken.
Dr. Petra Gerlach, Patientenfürsprecherin im Landkreis Konstanz und Dr. Nadir Ghanem, Vorstand der gut 2.200-köpfigen Ärzteschaft im Landkreis Konstanz, hinterfragten „das strategische Konzept“ und „die relativ straffen Meilensteine“ - es werde noch dieses Jahr ein Politikkonzept entwickelt und im November/Dezember vorgestellt, zudem werde parallel gearbeitet, so die Replik der Verantwortlichen.
Johanna Vogt vom Gesamtelternbeirat Konstanz schlug unter anderem die Einbeziehung weiterer Interessenvertretungen vor und sorgt sich um den großen Einfluss externer Faktoren. Christa Bartuschek, Vorsitzende des GLKN-Verbundbetriebsrats, schilderte die oft schwierige Situation der Beschäftigten und wies auf geänderte Bedarfe der Patienten hin, so die nunmehr andere Vorsorge für ältere Schwangere. Auch die Hebammenversorgung war Thema, wie auch die von Kaltenbach eingebrachte Erinnerung an bereits früher vollzogene Entbindungen im schweizerischen Münsterlingen.
Wie diese Argumente sollen nun noch viele weitere gesammelt werden. -BG-
Autor:Bernhard Grunewald aus Singen |
Kommentare