Neue Flüchtlings- und Integrationsdebatte entzündet sich im Landkreis
Erschöpfte Helfer und »Outback-Parolen«
Kreis Konstanz. Die Diskussion um neue Flüchtlinge, die den Landkreis erreichen und derzeit besonders die Stadt Singen belasten, führt derzeit in viele Richtungen. Und sie zeigt dass auch Konflikte aus vielen Richtungen drohen, wie ein virtuelles Treffen des Landtagsabgeordneten Hans-Peter Storz (SPD) mit verschiedenen Integrationsbeauftragen auf dem Landkreis deutlich machte.
Auch die Lagebetrachtung ist vielfältig, Monika Brumm, die Integrationsbeauftragte sagt, dass man doch überrascht wurde von der neuen Welle, die eben auch wieder aus den Nahen Osten, also aus Syrien kommt, und aus dem Irak, dem aktuell auch viele Menschen den Rücken kehren um in Europa, am besten in Deutschland ein neues Glück zu wagen.
Der Landkreis hatte sich in diesem Jahr auf rund 30 neue Flüchtlinge pro Monat eingestellt, 120 waren es dann im November gewesen. Das Dilemma im Kreis: die Kapazitäten sind ziemlich heruntergefahren worden. Zwar entsteht in Radolfzell eine große Unterkunft als Ersatzneubau, aber der wird erst im kommenden Jahr fertig wird nach den jetzigen Zahlen gar nicht mehr ausreichen. 32 «Camps« gab es zu den Hochzeiten, jetzt noch neun. Es müssten neue Gebäude dringend gefunden werden.
Neue Flüchtlinge als »Konkurrenz«
Die ablehnende Haltung der Stadt Singen und von OB Bernd Häusler zu neuen Zuweisungen in die Reaktivierten Gebäude am Güterbahnhof wird von Integrations- wie Flüchtlingsbeauftragen mitgetragen. Stefan Schlagowsky von der Stadt Singen sieht die Nerven in mehrfacher Hinsicht blank liegen. Denn beobachtet werde, dass die schon länger hier lebenden Flüchtigen und Asylanten die »neuen«, die nun in den Landkreis strömten als Konkurrenz empfinden würden, die ihre Chancen auf Integration, oder auf Arbeit verringerten. Das sorge für Aggressionen.
Ungleiche Verteilung
Singen jedenfalls sei in den letzten sechs Jahren immer über Grenzen gegangen und auch etwas erschöpft, zumal auch die Corona-Krise viele der Flüchtlinge und Asylanten zu Verlieren gemacht habe, wie Bernhard Grunewald vom Verein »InSi« bemerkte, er im Ehrenamt hier Integrationsarbeit nicht nur für Geflüchtete, sondern auch für Zuwanderer aus den EU-Staaten anbietet. Denn, die meisten der Kurse waren nicht zugänglich, homeschooling funktioniere da nicht.
Nur fünf der Gemeinden und Städte im Landkreis würden die erforderliche Quote in er Anschlussunterbringung erfüllen, 19 aber nicht. Die seien immer noch damit beschäftigt Lösungen zu suchen deren Antwort meist »Container« heißt. MdL Storz selbst kann sich aber nicht vorstellen, dass es unbedingt nach Quote verteilt werden müsste zumal der Trend zur Stadt, und besonders nach Singen, bei den Geflüchteten wie Zuwanderern erkennbar sei. Für ihn wäre eine Umsiedlung zum Beispiel nach Hohenfels, schon so etwas wie ein »Outback«, was ihm in der Diskussion doch einiges an Kritik einbrachte. Die Tendenz in die Stadt bestätigte aber Ajmal Farman von »Unser Buntes Engen«. »Die wollen hier irgendwann weg, nach Singen oder Konstanz wo es auch viele Landsleute gibt.«
Das Flüchtlingsarbeit auch sechs Jahre nach »Wir schaffen das!« nicht viel gelernt hat, unterstrich Zahide Sarikas aus Konstanz: Für die Traumabehandlung habe es nur ein Pilotprojekt am ZfP Reichenau gegeben. Auch sollten endlich mal die Diplome der Menschen anerkannt werden die hier ankämen, was viele Wege kürzer machen könnte. Die fordert auch klar eine »Mädchen WG« um hier Gefährdungen zu entschärfen. Kathrin Leipold von der Uni Konstanz, die wiederum Integrationsberater berät stellte fest, dass man hier einfach immer noch zu viel »auf Sicht« fahre, aber vom hoch dauernd hoch und runterschalten gehe der Motor kaputt.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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