"Forecast: Ödipus" im Theater Konstanz
"Wer die Wahrheit sagt, bleibt allein."

- Wer sagt die Wahrheit? Wer lügt uns nur an? Dies fragen sich nicht nur Pythia (Anne Rohde/links) und Teiresias (Michaela Allendorf) in "Forecast: Ödipus - Living on a damaged planet" am Theater Konstanz.
- Foto: Ilja Mess/Theater Konstanz
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Konstanz. Ein vom Klimawandel gezeichneter Staat und ein streitbarer wie umstrittener Führer seines Volkes. Was nach vielen aktuellen Geschehnissen klingt, ist einer der Grundsteine für "Forecast: Ödipus - Living on a damaged planet", das am 25. April unter der Regie von Maike Bouschen am Theater Konstanz Premiere feierte.
Staubtrockene Böden, eine verschmutzte Atmosphäre und Trinkwasser als knappe Ressource. So sieht es im Staate Theben unter der Führung von Ödipus (Jasper Diedrichsen), Iokaste (Ruth Macke) und Kreon (Ulrich Hoppe) aus. Ein Systemwechsel hin zu einer Politik des Verzichts liegt in weiter Ferne. Zudem bleiben die Mahnungen der Priesterinnen ungehört und ein Chor greiser Männer (Lilian Prent/Thomas Fritz Jung) beharrt auf dem Status Quo. Und dann sind da noch das durch Pythia (Anne Rohde) verkündete Orakel von Delphi und der blinde Seher Teiresias (Michaela Allendorf), deren Prophezeiungen mit Spannung nicht nur von der politischen Führung erwartet werden.
Wer lügt? Was haben Lügen je gebracht? Und gibt es überhaupt einen Sozialabbau ohne Lügen? Fragen, die das Publikum schon sehr früh in Bouschens Inszenierung von Thomas Köcks Stück zum Nachdenken anregt. Ein auf einem überdimensionalen SUV tanzender Ödipus zeigt starke Parallelen zu vielen zeitgemäßen politischen Führungskräften, denen das Problem zwar bewusst ist, die jedoch Ahnungslosigkeit oder umstrittene Methoden offenbaren, um diese Seuche zu beseitigen. Dabei starrt die Natur stumm zurück - aber wer ist diese Natur? Sind wir diese nicht sogar selbst und damit das eigene Problem?
Paranoide Führer als Zeichen des Niedergangs
Pythia fühlt sich, durch scheinbar falsch übermittelte Prophezeiungen, von Teiresias hintergangen, warnte sie doch Volk und Herrscher schon früh vor dem noch Kommenden. "Die Suche nach dem Mörder von Laios", so die Überbringerin, "kann die Lage auch nicht mehr ändern." Zudem seien paranoide Führer wie Ödipus schon immer ein Zeichen des sicheren Niedergangs. Ein schockierendes Statement, das die hiesige Realität vieler Staaten weltweit knallhart offenbart. "Sollen wir stumm anschauen was hier passiert?", fragt sich der von Lilian Prent gespielte Chorgreis wie wahrscheinlich viele Menschen auf der Welt zurecht. Eine Frage, die jedoch weder das Orakel, noch der blinde Seher so richtig beantworten können. "Ihr wisst doch gar nicht, was ihr tut", wirft sie der Führung hinterher.
Blind vor der Wirklichkeit
Maike Bouschen zeigt in ihrer hier wahrlich grandiosen Regiearbeit, die auch durch humorvolle Töne punkten kann, nicht nur anhand von Ödipus' tragischem Schicksal und dem Vergleich mit Sonnenkönig Ludwig dem 14. ("Fortschritte entstehen im Palast, nicht dort draußen im Volk"), wie blind und schockstarr viele Politiker auf unserem Planeten doch vor der Wirklichkeit sind. Zudem wird offenbart, wie unfähig diese Politiker zum Teil doch sind, gewisse Konflikte im Sinne des Volkes zu lösen. Unter anderem Pythias Ausdruck "Es liegt alles auf dem Tisch", sowie eine sterbende Priesterin mit Wolfsskelett im Arm als schwere Last des Volkes unterstreichen dies mehr als eindrucksvoll. Auch die Frage, ob man neben dem einst reichen Boden auch die Gesellschaft spalten müsse, wird dem Publikum im gesamten Stück knallhart wie realitätsnah wiedergegeben. Und um den Bogen zum Anfang zu spannen, so wird die eigentliche Tragik des Stücks durch Zitieren von Billy Joels "Honesty" mit mehr als bleibendem Eindruck dargelegt. Denn, so Teiresias mit kritischem Unterton die heutige Gesellschaft ansprechend: "Wer die Wahrheit sagt, bleibt allein."
"Forecast: Ödipus - Living on a damaged planet" ist noch bis zum 17. Mai im Stadttheater Konstanz zu sehen.
Autor:Philipp Findling aus Singen |
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