Ukraine Solidaritätsfest in Engen
Ein gemeinsamer Abend in Glückseligkeit

„Heute ist vielleicht der einzige Tag, an dem wir glücklich sein können.“ (Natascha Shvets, hier mit einer Festbesucherin)  | Foto: swb-Bild: Philipp Findling
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  • „Heute ist vielleicht der einzige Tag, an dem wir glücklich sein können.“ (Natascha Shvets, hier mit einer Festbesucherin)
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Engen. Einen Abend lang der Situation im eigenen Land gedenken. Dies war die Idee hinter dem Ukraine-Solidaritätsfest, welches am Mittwoch zum Nationalfeiertag des Landes an der „Engener Brücke“ gefeiert wurde.

„Slawa Ukrainji!“, „Hoch lebe die Ukraine!“ – dieser Satz steckt voller Stolz auf ein Land, welches aktuell schwierige Zeiten durchlebt. Ein Satz, der beim Solidaritätsfest von „Unser buntes Engen“ in der Engener Altstadt von nahezu jedem Besucher gelebt wurde, auch von Nicht-Ukrainern. Initiiert wurde es unter anderem von der geflüchteten Künstlerin Natascha Shvets, die sich vor dem Krieg unter anderem für die inklusive Modeindustrie engagierte. Sie kam mit der Idee, für alle Ukrainer und Ukrainerinnen genau ein halbes Jahr nach Beginn der russischen Angriffe einen Tag im Zeichen des Nationalfeiertages zu verbringen, auf „Unser buntes Engen“ zu und stellte diesen nach zweimonatiger Vorbereitung innerhalb einer Woche in Zusammenarbeit mit dem Verein auf die Beine. „Es ist ein Fest der Gemeinsamkeit und Solidarität, bei dem die Geflüchteten in Gedanken stets bei ihren Mitmenschen in der Heimat sind“, erzählt Ajmal Farman, erster Vorsitzender von „Unser buntes Engen“. Diese Solidarität spürte man stark, als zu Beginn die ukrainische Nationalhymne gespielt wurde und jeder Festbesucher, egal ob Ukrainer oder nicht, sich von seinem Platz erhob. Nach diesem für die Geflüchteten sehr wichtigen Moment wurde es emotional. So sorgte die Fernsehmoderatorin und Journalistin Anna Kudryatseva mit ihrer Rede, bei der nicht nur ihr die Tränen kamen, für Gänsehaut. „Wir werden diese Taten nie verzeihen und weiterhin für eine unabhängige Ukraine kämpfen, denn wir sind ein starkes und stolzes Land“, so Kudryatseva, die auch als Tänzerin aktiv ist, in ihrer Heimat Benefizkonzerte für Menschen mit Behinderung organisiert und wie viele andere junge Mädchen am Fest in traditioneller ukrainischer Kleidung auftrat. Diese Worte zeigten eindrucksvoll die Bedeutung des aktuellen Geschehens für die Geflüchteten und wie nahe ihnen dies trotz aller Feierlichkeiten weiterhin geht. 

Gemeinsam Traditionen feiern

Neben traditioneller und moderner ukrainischer Musik wurden selbstgemachte Handwerkskunst und eine Fotosession mit Blumenkranz geboten. Auch die Kulinariker kamen auf ihre Kosten. So gab es auf Spendenbasis von den Ukrainerinnen Irina Bergard und Svetlana Zuzko zubereitete Spezialitäten wie Borschtsch oder Medovnik-Kuchen. Diese Spenden in Gesamthöhe von ca. 1.015 Euro kommen dem Hilfsprojekt „Go Platform Plus“ zugute. Eine Organisation, die an die evangelische Kirche angegliedert ist und sich für Menschen mit Handicap einsetzt. Eine bewusste Entscheidung von Natascha Shvets, so hat sie selbst einen Sohn mit geistiger Beeinträchtigung und bereits in ihrer Heimatstadt Mykolajiw mit dort beschäftigten Personen zusammengearbeitet. Wie wichtig dem Verein und ihr selbst dieses Anliegen war, zeigte auch die Tatsache, dass einige wenige Familien zugegen waren, deren Kinder zum Teil ebenfalls ein Handicap haben und bei denen man trotz allem eine Freude spürte, die sie vielleicht nicht jeden Tag haben. Bei vielen Ukrainerinnen und Ukrainern spürte man, dass man mit diesem Fest etwas von ihrer Heimat aus der Ferne lebendig halten und aus der Ferne unterstützen wollte. „Heute ist vielleicht der einzige Tag im Jahr, an dem wir gemeinsam glücklich sein können“, erzählt Shvets. Dieses Gefühl von Gemeinsamkeit übertrug sich auf den festlicheren Teil des Abends, als im Pfarrgarten der Seelsorgeeinheit Oberer Hegau zunächst Kudryatseva, eine Frau und deren Tochter einen traditionellen Tanz aufführten und danach immer mehr Menschen hinzukamen. So auch ein junges Mädchen, welches nach jedem dritten Lied „Slawa Ukrainji!“ rief und stets hierzu ein „Ukrainij Slawa!“ zurückbekam. Jung und Alt jeder anwesenden Nation kamen auf der kleinen, aber feinen Tanzfläche zu weiteren ukrainischen Liedern zusammen. Ein schönes Beispiel hierfür war eine ältere Dame, die neben vielen anderen Landsleuten mit ihrem Enkel auf dem Arm zum diesjährigen ESC-Siegerlied „Stefania“ tanzte und dem Kleinen so ein Lächeln auf das Gesicht zauberte.

Integratives Miteinander leben

Ein Lächeln, welches laut Juliet Brook Blaut für die Arbeit von „Unser buntes Engen“ sehr wichtig ist: „Integration bedeutet nicht, dass neu Zugezogene ihre eigene Kultur als Anpassungsleistung ablegen müssten, sondern dass wir alle neu zusammenfinden und uns dabei kennenlernen, einander bereichern, herausfordern und voneinander lernen.“ Die Ukrainer haben das laut Blaut in beeindruckender Weise gezeigt. Sie seien selbst aktiv auf uns zugekommen, mit der Idee, diese Solidaritätsveranstaltung für die Menschen in ihrem Heimatland zu organisieren. „Dass wir Menschen ermöglichen können, kurz nach ihrer Ankunft in einem neuen Land eigene Veranstaltungen auszurichten und ihre persönlichen Kompetenzen zu nutzen, macht diesen Verein so wertvoll“, so Blaut weiter. Dieses Fest hat vor allem gezeigt, wie stark das integrative Miteinander in der Stadt spür- und erlebbar ist, so waren auch viele Menschen aus anderen Kulturen wie der Türkei oder Afghanistan anwesend. „Es wäre toll, wenn noch weitere EngenerInnen verschiedener Kulturen den Verein für sich entdecken und eigene Veranstaltungen und Projekte mit uns durchführen würden. Das würde dazu beitragen, ihre Sichtbarkeit in der Stadt zu erhöhen und gleichzeitig viele Vorbehalte abzubauen“, erläutert Blaut. Es gäbe ihrer Ansicht nach viele Ideen und Träume, oft brauche es einfach nur die Menschen und etwas Mut, um sie auch umzusetzen. Das Solidaritätsfest ist ein wunderschöner Beweis dafür, dass dies jederzeit möglich ist.

Mehr Bilder zum Solidaritätsfest gibt es in der Bildergalerie.

Autor:

Philipp Findling aus Singen

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