Schnellere Genehmigungsverfahren – dafür neue Inseln für den Artenschutz
Umweltschutzverbände präsentieren "Deal" zum Ausbau der Windkraft

Windkraft | Foto: Mehr Bewegung wollen auch die Naturschutzverbände ins Thema Windkraftnutzung zur Energiewende bringen. Im Rahmen der Naturschutztage stellen sie ihr Positionspapier vor. swb-Bild: BUND BW/Martin Köppel
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  • Foto: Mehr Bewegung wollen auch die Naturschutzverbände ins Thema Windkraftnutzung zur Energiewende bringen. Im Rahmen der Naturschutztage stellen sie ihr Positionspapier vor. swb-Bild: BUND BW/Martin Köppel
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Stuttgart/Radolfzell. Ein schnellerer Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg ist für den Klimaschutz unabdingbar, muss aber landesweit koordiniert werden und im Einklang mit dem Natur- und Artenschutz stehen. Im Rahmen der ersten digitalen Naturschutztage präsentierten NABU und BUND am Freitag nun ihre Vorschläge und Forderungen an die Politik. Im Zentrum steht dabei ein Systemwechsel: Damit auf zwei Prozent der Landesfläche 1.000 neue Windräder entstehen können, müssen auf anderen Flächen davon betroffene Vogel- und Fledermausarten besonders geschützt und unterstützt werden, sagten die Landesvorsitzenden Johannes Enssle (NABU) und Sylvia Pilarsky-Grosch (BUND), im Rahmen der digitalen Medienkonferenz zu den Naturschutztagen am Freitag. Ob die neue „Windrichtung" freilich vor allem das wegen des Milan-Schutzes gestoppte Verfahren wiederbeleben könnte, konnte auf der Medienkonferenz nicht gesagt werden. Die Vorschläge der Naturschützer liegen sehr nah an den Plänen der Landesregierung, die das Umweltministerium in einer Task Force ausgearbeitet hat.

Für mehr Personal, passende Artenhilfsprogramme und ein Artenmonitoring rechnen die Verbände mit Gesamtkosten in Höhe von 15 bis 20 Millionen Euro jährlich. „Klima- und Artenschutz gibt es nicht umsonst. Das Geld wäre gut angelegt – in unser aller Zukunft!“, so die beiden Landesvorsitzenden.

BUND und NABU unterstützen die Ausbauziele der Landesregierung für erneuerbare Energien, denn die Zeit drängt. „Baden-Württemberg bleiben nur noch acht Jahre, um die Zwischenetappe beim Klimaschutz mit einer Reduktion von 65 Prozent gegenüber 1990 zu erreichen. Dafür brauchen wir deutlich mehr grüne Energie. Zugleich muss der Ausbau von Wind- und Solarenergie im Einklang mit dem Natur- und Artenschutz geschehen. Die Energiewende kann gelingen, wenn wir zugleich Energie sparen und insgesamt suffizienter leben und wirtschaften“, betonen Pilarsky-Grosch und Enssle.

Bau von 1.000 Windrädern mit Artenschutzmaßnahmen begleiten

Den Bau von 1.000 neuen Windrädern im Land sehen die Verbände als Herkulesaufgabe. Schnellere und bessere Planungsprozesse sind nach Meinung von BUND und NABU unerlässlich. Dabei verlängert eine frühzeitige, ergebnisoffene Beteiligung der Bürgerinnen, Bürger und Verbände die Verfahren nicht – im Gegenteil, wie Sylvia Pilarsky-Grosch betont: „Die Öffentlichkeitsbeteiligung kann dazu beitragen, Konflikte zu befrieden. Sie ist die Voraussetzung für eine gute und rechtssichere Planung.“ Johannes Enssle ergänzt: „Der Artenschutz sowie die Bürger- und Verbändebeteiligung dürfen bei der Planungsbeschleunigung nicht unter die Räder kommen. Wir brauchen beides: mehr Klimaschutz und den Erhalt der biologischen Vielfalt. 1.000 neue Windräder in Baden-Württemberg – das kann nur mit dem Naturschutz gelingen, nicht gegen ihn.“

Die Verbände fordern, dass Baden-Württemberg zu einer landesweiten Planung zurückkehrt, bei der auf übergeordneter Ebene Vorranggebiete für die Windenergie definiert werden. „Es ist bekannt, dass etwa zwei Prozent der Landesfläche ausreichen würden, um die Ausbauziele zu erreichen. Auf diesen zwei Prozent sollte dann auch schneller und unkomplizierter geplant und gebaut werden können. Außerhalb dieser zwei Prozent sollten Windenergieanlagen allerdings tabu sein“, fordert Pilarsky-Grosch. Die zwei Prozent sollten vorrangig dort gesucht werden, wo möglichst viel Wind weht und wo im landesweiten Vergleich die geringsten Konflikte mit dem Natur- und Artenschutz zu erwarten sind. Über eine landesweite Analyse könnten solche Flächen gut ermittelt werden, ist sie sich sicher.

Artenhilfsprogramme für betroffene Fledermaus- und Vogelarten

Zum Schutz windenergiesensibler Vogel- und Fledermausarten fordern die Verbände sogenannte Artenhilfsprogramme. Diese müssten rechtlich verbindlich verankert sowie mit konkreten Maßnahmen und ausreichend Finanz- und Personalmitteln hinterlegt werden. „Wir schätzen, dass die Landesregierung hierfür jährlich etwa 15 bis 20 Millionen Euro investieren muss“, sagt NABU-Landeschef Enssle.

In den Artenhilfsprogrammen müssen zum Beispiel zum besseren Schutz von Fledermäusen geeignete Waldbereiche aus der Nutzung genommen werden, damit sich dort urwaldähnliche Strukturen entwickeln können. Sommer- und Winterquartiere müssen besser gesichert und in der Landwirtschaft müssen mehr insektenfreundliche Blühflächen angelegt werden. Für windenergiesensible Vogelarten wie Rotmilan, Wespenbussard oder Schwarzstorch können im Wald Schutzzonen rund um den Horst errichtet, Nahrungshabitate passend gestaltet und Acker- und Grünland vogelfreundlich bewirtschaftet werden.

Weil der Ausbau der Windenergie im Land stockt, haben die Verbände einen Katalog mit Vorschlägen erarbeitet. Diese sollen dabei helfen, Planungsverfahren zu beschleunigen und zugleich die notwendigen Artenhilfsprogramme umzusetzen:

  1. Systemwechsel bei der Windenergieplanung: Planung durch Gebiete mit Vorrang für Windenergie und Artenschutz beschleunigen. Bauen, wo der meiste Wind weht und Gebiete schützen, in denen Vögel und Fledermäuse ihren Schwerpunkt haben.

  2. Booster für die Artenvielfalt: Schutzräume einrichten, wirksame Artenhilfsprogramme zum Schutz windenergiesensibler Vogel- und Fledermausarten umsetzen.

  3. Systematisches Monitoring: Arten systematisch überwachen und bei Verschlechterung gegensteuern.

  4. Schnellere Verfahren: Mehr qualifiziertes Personal in den Genehmigungsbehörden und die Einhaltung von Bearbeitungsfristen sind dafür notwendig.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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