Sommerinterview mit Andreas Schmid
»Mir graut es eher vor den Folgejahren«
Öhningen. Im Sommerinterview mit dem WOCHENBLATT spricht Öhningens Bürgermeister Andreas Schmid über die Lehren aus der Corona-Krise und deren finanzielle Folgen und berichtet vom aktuellen Stand der Großprojekte in der Gemeinde.
WOCHENBLATT: Wie haben Sie die letzten Monate erlebt?
Andreas Schmid: Am Anfang wurden wir ja ziemlich überrumpelt mit dem Lockdown. Von heute auf morgen war die Schweizer Grenze komplett abgesperrt. Das hat uns hier extrem betroffen, denn im Prinzip hatte man das Zollamt in den letzten Jahrzehnten schon gar nicht mehr groß wahrgenommen. Plötzlich mussten Menschen, die kurz hinter der Grenze Arbeiten, über Ramsen zur Arbeit fahren.
Das waren vehemente Einschränkungen. Zudem war Öhningen am Anfang mit einer der Corona-Hotspots im Landkreis, weil, wir zu den ersten gehört haben, die Fälle hatten. Damit war ein großer Organisationsaufwand verbunden. Es war eine schwere Zeit, und das obwohl viele Termine weggefallen sind.
WOCHENBLATT: Haben Sie etwas aus diesen Erfahrungen gelernt?
Andreas Schmid: Man lernt, dass es möglich wäre, viele Termine zu komprimieren, und dass es vielleicht auch ohne Hektik geht. Positiv war für mich außerdem zu sehen, dass trotz der widrigen Umstände eigentlich alles relativ gut weiter funktioniert hat. Mir wurde auch bewusst, dass ich kein Freund von Videokonferenzen bin. Es ist schön zu sehen, dass es funktioniert und man so in Zukunft vielleicht auch den ein- oder anderen Kilometer sparen kann, aber der persönliche Kontakt zu den Menschen ist mir einfach sehr wichtig.
WOCHENBLATT: Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise in finanzieller Hinsicht auf die Gemeinde Öhningen?
Andreas Schmid: Das ist noch relativ schwer abschätzbar. Im Moment kommt noch viel Geld von Seiten des Landes und des Bundes, aber irgendwann muss das auch wieder refinanziert werden. Deshalb sehe ich für 2020 noch gar nicht so schwarz. Mir graut es eher vor den Folgejahren. Das Land wird irgendwann auch wieder Geld brauchen und die Steuereinnahmen werden nicht mehr so hoch sein. Deshalb gehe ich davon aus, dass wir dieses Jahr noch gut dastehen aber die Haushaltsberatungen für 2021 und die Folgejahre werden sicherlich anders aussehen als wir das gewohnt waren.
WOCHENBLATT: Bei den Großprojekten in der Gemeinde hat es in den letzten Monaten teilweise ein bisschen gehakt. Woher kam das?
Andreas Schmid: Die Heizzentrale beim Feuerwehrhaus für das Nahwärmenetz hätte zum Sommer angeschlossen werden sollen. Hier gab es zwischendurch noch eine Umplanung, dann stieß man bei den Grabungsarbeiten auf Wasser und dadurch haben wir ein paar Wochen verloren. Zusätzlich gab es teilweise noch coronabedingte Lieferschwierigkeiten. Insgesamt sind wir etwa drei Monate im Verzug. Wir hoffen aber, dass die Heizzentrale diesen Herbst in Betrieb gehen kann. Beim Radweg haben wir jetzt noch das Problem, dass die Straße Ende September nochmal für vier Wochen gesperrt werden muss, aber der Fertigstellungstermin ist für den 16. Oktober geplant. Und das Chorherrenstift war ja schon immer eine Büchse der Pandora. Wir wussten nicht wie lang der Baustopp sein wird, nachdem das mittelalterliche Badehaus gefunden wurde. Zwischenzeitlich läuft es wieder einigermaßen. Der nächste große Schritt wird jetzt dann der Innenausbau. Wir hoffen, dass Ende 2021 die geplante Gastronomie in Betrieb gehen kann.
WOCHENBLATT: Vor kurzem haben das Land, die Kirche und die Gemeinde eine Absichtserklärung unterschrieben, dass eine gemeinsame Lösung für das Chorherrenstift gefunden werden soll. Was sind jetzt die nächsten Schritte auf dem Weg dorthin?
Andreas Schmid: Wir, die Gemeinde sind mit unserem Teil in Vorleistung gegangen und werden dieses gerne ein gemeinsames Konzept einbringen. Im nächsten Schritt müssen sich Land und Kirche darüber einig werden, wie die Nutzungs- und Besitzverhältnisse aussehen und welche Räume die Kirchengemeinde benötigt. Wenn das alles geklärt ist, dann können wir in die Planung für alles weitere gehen. Wenn man weiß was man will ist eigentlich alles ganz einfach.
WOCHENBLATT: Wie ist der Stand in Sachen Dorfentwicklung?
Andreas Schmid: Da sind wir auf einem sehr guten Weg. Aktuell arbeiten die vier Planungsbüros, die am Wettbewerb für die grüne Mitte teilnehmen an ihren Entwürfen. Am 18. September tagt die Jury. Danach werden die Entwürfe der Öffentlichkeit vorgestellt. Dann gibt es ja noch den zweiten Teil des Dorfentwicklungskonzepts, der beispielsweise auch ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt umfasst. Hierfür soll es nochmal ein Bürgerbeteiligungsprojekt geben, für das wir jüngst noch Fördermittel in Höhe von 74.000 Euro bewilligt bekommen haben. Ich gehe davon aus, dass wir bis zum nächsten Sommerinterview die Ergebnisse daraus vorliegen haben.
WOCHENBLATT: Sie haben Ihren Sommerurlaub bereits hinter sich. Wie sah der in diesem Jahr aus – Balkan oder Balkon?
Andreas Schmid: (lacht) Meine Frau und ich waren dieses Jahr tatsächlich weg, aber ganz corona-konform. Es ging für eine gute Woche nach Südtirol, wo wir viel gewandert und mit dem Rad gefahren sind, und uns von den großen Menschenmassen in den Städten ferngehalten haben. Das alte Problem, wenn man nicht weg fährt ist ja, dass man nie ganz abschalten kann. Wenn ich im Urlaub hier bleibe bin ich meistens trotzdem einmal am Tag im Rathaus und deshalb war es uns wichtig, einfach mal ein bisschen Abstand zu bekommen.
- Graziella Verchio
Autor:Redaktion aus Singen |
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